Medical TAPING - Paracelsus, die Heilpraktikerschulen
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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 2/2013

Medical TAPING

Cover

© Peter Atkins - Fotolia.comSchon seit einiger Zeit drängen sich die bunten Streifen auf der Haut vieler Sportler, aber auch „normaler“ Patienten in die Öffentlichkeit. Viele Mythen ranken sich um diese auffälligen Tapes, deren Anwendung noch immer neu erscheint. Dabei wurden sie bereits in den 1970er-Jahren vom japanischen Arzt Kenzo Kase entwickelt. Er entwickelte die bereits seit Jahrzehnten auf dem Markt erhältlichen, starren Tapes weiter zu beweglichen Tapes. Der Name Kinesio® basiert auf dem griechischen Wort Kinesis („Bewegung“). Durch die Flexibilität der Tapes ist es im Gegensatz zum klassischen starren Tape möglich, auch getaped den vollen Bewegungsumfang eines Gelenkes beizubehalten.

In Deutschland wurden die ersten Therapeuten um die Jahrtausendwende ausgebildet, viele von Kenzo Kase selbst. Aber erst in den letzten Jahren wurde die Methode bekannter. Wegbereiter war vor allem der Sport. Lance Armstrong trug bereits 1998 blaue Tapes an den Waden und bei den Sommerspielen von Peking 2008 und London 2012 sowie anderen großen Sportereignissen wurden die Tapes immer bekannter.

Durch Fehlinformation, auch seitens der Medien, wurde Taping aber schon immer auch kritisch gesehen. Es wird über Placebos gesprochen, ebenso das vom Tape „nur“ ein psychischer Effekt ausginge und es gar nicht wirklich helfe. Leider vergessen solche Kritiker, dass ein positiver Effekt, selbst wenn nur hervorgerufen durch Placebowirkung, psychische Reaktionen oder Ähnlichem, immer noch eine Verbesserung der Situation vieler Patienten darstellt. Die tatsächliche Wirkung des Tapes beruht auf Rezeptoren in Haut und Faszien (Bindegewebe), die durch die Anlage des Tapes stimuliert werden.

Oftmals belächelt fristet das Taping immer weniger ein Randdasein, sondern rückt für viele Therapeuten und Patienten in den Fokus. Auch der Markt an Tapes wird ständig größer. Dabei gibt es große Unterschiede in Preis und Qualität der Materialien.

Material

Bei allen Tape-Techniken ist das Material sehr ähnlich. In der Regel besteht es aus Baumwolle. Doch das richtige Tape will gut gewählt sein, was Qualität, Verträglichkeit und Haltbarkeit angeht. Dabei kommt es auf den verwendeten Kleber ebenso an wie auf die Dicke des Tapes. Je dicker es aufträgt, desto schneller wird es z.B. durch die Kleidung abgerieben. Tapes mit Latexkleber sollten gemieden werden, da sie Allergien auslösen können. Besser geeignet ist Acrylatkleber, der keinerlei Wirkstoffe wie Medikamente o.ä. enthält (z.B. Firma Gatapex). Bei den Tapes selbst gibt es unterschiedliche Ausführungen.

Baumwolltapes bestehen aus 100% Baumwolle, es ist nicht mit künstlichen Fasern (Polyester o.ä.) verunreinigt, wie es bei Produkten anderer Hersteller zu beobachten ist. Es besitzt eine Elastizität von über 80% und kann Bewegungen aller Gelenke und des Rückens problemlos folgen, ohne zu behindern. Es ist in Längsrichtung dehnbar, ähnlich der Dehnbarkeit der menschlichen Haut, ebenso entsprechen Dicke und Gewicht dieser annähernd. Das Tape ist luft- und flüssigkeitsdurchlässig, dabei jedoch wasserbeständig und trocknet schnell, z.B. nach dem Duschen. Auch beim Schwimmen und in der Sauna kann es problemlos getragen werden. Der atmungsaktive Acrylatkleber ist frei von gesundheitsgefährdenden Substanzen und ist dadurch besonders hautfreundlich.

Pre-Cuts sind vorgeschnittene Tapes. Sie eignen sich für den schnellen Einsatz, z.B. im Sport oder im klinischen Alltag. Allerdings kann ein vorgeschnittenes Tape in Einheitsgröße nicht die Qualität eines exakt angemessenen und individuell zugeschnittenen Tapes erreichen.

Akupunkturpflaster gibt es in Kreis- und Gitterausführung, die aus Polyester und Polyurethan bestehen, bei dem auf der Hautseite ein atmungsaktiver, hautfreundlicher, hypoallergener Acrylatkleber aufgebracht ist. Es wird vorrangig auf Akupunktur-, Akupressur- sowie Triggerpunkte aufgebracht, wo es eine lokale Druckminderung zur Folge hat. Auch auf abgeheiltem Narbengewebe können die Akupunkturpflaster gut verwendet werden, um Verklebungen im Bindegewebe zu vermeiden oder zu verringern.

Nylontape kann Energie in seiner Elastizität speichern und beim Bewegen wie bei einem gespanten Gummi wieder abgeben. Durch die sehr glatte Oberfläche ist es allerdings nicht möglich, mit einer weiteren Tape-Anlage über das Nylontape zu kleben. Es wird vor allem im Sport zur Leistungssteigerung eingesetzt. Eine aktuelle Studie am Institut für Sportwissenschaft der Uni Chemnitz beschäftigt sich mit der Leistungssteigerung von Ruderern bei Anwendung des Nylontapes.

Anwendungsbereiche, Effekte und Kontraindikationen, Forschung und Empirie, unterschiedliche Ansätze, Farben

Die Tapes werden häufig im Sport angewendet. Sie dienen aber nicht nur der Leistungssteigerung, sondern können auch in weiteren Gebieten der Bewegung und Medizin angewendet werden:

  • Orthopädie
  • Lymphologie/Lymphangiologie
  • Prävention/Rehabilitation
  • Leistungssteigerung
  • Tiermedizin

Dabei können mannigfaltige Wirkungen erreicht werden. Leider herrschen (noch) keine einheitlichen Ausbildungsstandards vor, damit einhergehend besteht auch keine Einigkeit über Techniken. Anbieter von Tape-Fortbildungen argumentieren teils unterschiedlich, sogar gegensätzlich, was z.B. den Zug und den sogenannten Recoil (damit ist das Zusammenziehen des Tapes gemeint) angeht. Auch ist die wissenschaftliche Lage noch nicht befriedigend, basieren viele Techniken auf Erfahrungen und empirischen Beobachtungen. Hier ist die Wissenschaft gefordert, mit Studien weitere Ergebnisse zu liefern. Vom strikten Gegner bis hin zum begeisterten „Taper“ finden sich in Wissenschaft und unter Therapeuten alle Gruppierungen wieder.

Einig sind sich die Befürworter des Tapes in der Annahme, mit den vorhandenen, wenn auch teils widersprüchlichen Techniken dem Patienten weiterhelfen zu können. Die Effekte des Tapings reichen von Aktivierung und Entspannung bzw. der Wiederherstellung des Normotonus der Muskulatur bis zu Druckreduzierung und Verbesserung der Durchblutung und der Lymphe. Mit einer Druckreduzierung an schmerzenden Stellen kann durch die von Melzack und Wall (1965) benannten Gate Controll Theory der Schmerz teils komplett genommen werden.

Ein weiteres großes Thema beim Tapen sind die unterschiedlichen Farben. Technisch gesehen sind alle Farben identisch, d.h. gleiche Stärke, Länge, Dicke. Die Bedeutung der unterschiedlichen Farben wird aus der Farblehre in der Farbtheraphie abgeleitet. Demnach wirkt Rot zum Beispiel wärmend, Blau kühlend usw. Kalte und warme Farben werden gerne unterstützend eingesetzt, wenn bereits Erfahrung mit Wärme oder Kälte beim zu behandelnden Problem vorausgegangen ist. Ansonsten gilt die Empfehlung, den Patienten die Farbe wählen zu lassen. Nach der Farblehre wird die Bedeutung der Farben so interpretiert: Weiß, Grau, Inkarnat, Braun und Schwarz gelten als neutral und neutralisierend. Gelb, Orange, Pink und Rot gelten als anregend und wärmend, die Blau- und Grüntöne als kühlend, ausgleichend, beruhigend. Aus der Farbtherapie ist auch bekannt, dass Zellen des Körpers andere Schwingungen annehmen, wenn sie mit unterschiedlichen Farben konfrontiert werden. Daher kann es oftmals hilfreich sein, bei Misserfolg oder Unverträglichkeit mit einer anderen Farbe zu tapen. Speziell bei Sportlern muss die Farbe des Tapes laut Reglement bisweilen denen des Trikots entsprechen.

Durchaus gibt es auch Kontraindikationen, die den Einsatz von Tape verbieten. Hierzu gehören z.B. Tumore, akute Entzündung (Erysipel), Venenthrombose und Thrombophlebitis, allergische Hautreaktion sowie schwere Herzinsuffizienz.

Patientenhinweise – auf was zu achten ist

Als Interessierter oder Patient sollten Sie Wert darauf legen, dass Sie bei Ihrem Therapeuten in guten Händen sind und dieser eine hochwertige Tape-Ausbildung vorweisen kann. Leider springen viele nicht ausgebildete Therapeuten auf den Tape-Zug mit auf. Halten Sie sich von denen fern! Wichtig ist auch das verwendete Tape. Fragen Sie nach Zusammensetzung des Tapes (reine Baumwolle!) und lassen Sie sich versichern, dass nur hypoallergener Acrylatkleber verwendet wird. Viele Billigprodukte sind mit stark allergenem Latexkleber versehen. Achten Sie auch darauf, dass der Therapeut möglichst jedes Tape individuell für Sie anfertigt. Dabei misst er die benötigte Menge an Tape zuerst an Ihnen ab und schneidet sie dann zurecht. Der Therapeut sollte die Ecken des Tapes abrunden. Das hat weniger ästhetische Gründe als vielmehr praktischen Nutzen: Durch abgerundete Ecken bleibt Kleidung weniger schnell am Tape hängen. So ist eine längere Haltbarkeit der Tape-Anlage gewährleistet. Dies ist gerade für Sportler wichtig. Ihre Haut sollte trocken und fettfrei sein, am besten kommen Sie frisch geduscht und nicht eingecremt zum Termin. Starker Haarwuchs sollte gestutzt werden. Achtung: Eine richtige Rasur sollten Sie nur dann durchführen, wenn Ihre Haut diese gewohnt ist. Anders kann es durch die oberflächliche Verletzung der Haut durch die Rasur und das Auftragen des Tapes durch einwachsende Haare zu entzündlichen Reaktionen kommen. Ideal sind kurze Stoppeln, sie behindern das Taping nicht, „reizen“ aber die in den Haarfolikeln vorhandenen Rezeptoren, wodurch die Wirkung des Tapes verstärkt werden kann. Will der Therapeut vor dem Tapen Ihre Haut desinfizieren, achten Sie darauf, dass nur reiner Alkohol verwendet wird. Alle weiteren chemischen Desinfektionsmittel werden während der gesamten Tragedauer des Tapes in der Haut fixiert. Bei Juckreiz, Blasenbildung und Rötungen der Haut oder anderen negativen Reaktionen entfernen Sie bitte sofort das Tape und suchen den behandelnden Therapeuten auf. Ein leichtes Kribbeln unter dem Tape darf aber spürbar sein. Dies ist physiologisch durch die Ausschüttung von Histamin (vom Körper produzierter Entzündungshemmer, also der Heilung zuträglich) zu erklären. Tape darf nicht auf Körperöffnungen, wunde, offene oder besonders empfindliche Hautstellen angelegt werden. Bei gereizter und generell empfindlicher Haut sollte das Pflaster nicht angewendet werden. Die betreffende Hautstelle ist unmittelbar nach Entfernung des Pflasters gründlich zu reinigen. Dazu wird am besten sanfte Seife, Spülmittel (wegen hoher Fettlösekraft) oder Öl benutzt.

Abstand nehmen sollten Sie davon, sich selbst ohne Hintergrundwissen zu tapen. Oftmals höre ich in der Praxis, dass selbst Hand angelegt wurde, sich aber keine Besserung einstellte. Ohne das nötige (myofasziale) Anatomie- Know-how können falsch angelegte Tape-Anlagen Beschwerden sogar vergrößern. Sparen Sie sich Zeit, Geld und Ärger und lassen Sie nur einen ausgebildeten Spezialisten tapen. Viel Spaß mit einer interessanten, polarisierenden Art der Behandlung!

Simon Mayer-Ullmann Simon Mayer-Ullmann
Sportwissenschaftler

info@corpus-integrale.com

 

Literaturhinweis

  • Melzack R. Wall P. D.: Pain mechanisms: a new theory. Science. 1965 Nov 19; 150 (699): 971–9 (englisch)
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