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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 6/2014

Fallstudie aus der Entspannungspraxis: Berufliche Perspektivlosigkeit durch mangelndes Selbstwertgefühl

Cover

Klientin

Michaela K., 48 Jahre

Anamnese

Die Klientin schildert mir sehr berührend ihre Lebensgeschichte: Viele Krankheitsphasen, durch die sie sich in der Kindheit persönlich nicht frei entfalten konnte. Michaela K. schildert das Gefühl des Alleinseins, Misserfolge, die dazu führten, dass sie sich nichts mehr zutraute, blockierte Kreativität, kein Zugang mehr zu künstlerischen Dingen. Sie konnte nicht mehr offen auf Neues zugehen. Aber in ihr lag ein Traum vom Tanzen, der sich durch immer wieder auftretende Knieprobleme nicht erfüllen konnte. Nichts konnte sich entwickeln. Sie lernte einen Beruf, den sie nicht wollte, da sie die medizinische Aufnahmeuntersuchung im Bereich Logopädie damals nicht bestand. Es gelang ihr zu keinem Zeitpunkt, beruflich oder persönlich erfolgreich zu sein. Heute sei sie mittlerweile selbstständig tätig und stehe vor dem beruflichen Aus.

Die Familie zerbrach. Sie lebt jetzt allein und wirkt auf mich kraftlos, leer, voller Trauer, verzweifelt. Mich schaut eine im Inneren, im Herzen verletzte traurige Frau an, doch ich spüre darunter eine große Lebendigkeit und Kraft. „Bitte helfen Sie mir, meinem Leben einen Sinn zu geben. Ich bin eine Frau, die nichts auf die Reihe bekommt, offensichtlich nichts kann und vom Ehemann verlassen wurde.“ Das war nun das Anliegen, um das es ihr hier ging.

Ich schlage Michaela K. mehrere Sitzungen in der Natur vor, bestehend aus den Komponenten Bewegung über Shiatsu- und Tanzelemente sowie Entspannung.

Gerade über gezielte Anspannung und Entspannung einzelner Muskelgruppen während des Tanzes, insbesondere im Bauchraum, versuche ich, Anspannung zu lösen und damit blockierte Gefühle wieder in den Fluss zu bringen, um dann im beruflichen Coaching-Prozess kreative Lösungsansätze zu erarbeiten. Die Bewegung in der Natur stärkt die Verbindung zur Erde, zu den eigenen Wurzeln und aktiviert die schöpferische Kraft im Sakralchakra. Ich gehe bewusst mit Michaela K. in die Kraft des Tanzes, einer Form des Selbstausdrucks, da es sich hier um ihre Leidenschaft aus der Kindheit handelt.

Erster Termin

Wir treffen uns in der Natur. Zunächst lege ich den Fokus auf den Atem und die Wahrnehmung. Danach folgen Shiatsu-Dehnungen in Form von angeleiteten Übungen, die einem eigenen Tanz gleichen und den Körper geschmeidiger machen. Der Übergang zu einigen Bauchtanzelementen ist fließend. Immer wieder folgt ein Wechsel aus gezielter Muskelan- und -entspannung. Frau K.s Gesichtszüge werden weicher und sie wirkt immer lebendiger. Sie signalisiert mir, dass es für sie ein wunderschönes Gefühl ist, sich so in der Natur zu spüren. Sie atmet tief und sagt: „Ich lebe.“ Ein sehr bezeichnender Satz, wie ich finde. Abschließend mache ich Frau K. den Vorschlag, vielleicht zu Hause ein Bild zu malen. Aber nicht so wie früher in der Schule, sondern wie ein Kind, das spielt.

Zweiter Termin

Zwei Tage später treffen wir uns am See. Begeistert erzählt sie mir von ihrem Mal-Experiment und zeigt mir ihr Werk: Sie hat ein Mandala gemalt, das jedoch noch deutlich die Dysbalancen erkennen lässt. Aber es ist das erste Bild seit Langem und es ist für sie schön.

Damit gehen wir in die heutige Sitzung. Das Wasser gleicht einem Spiegel. Diese Kraft der Natur nehme ich auf und beginne wieder mit Atem, Wahrnehmung und Shiatsu-Tanz, in den ich Naturbilder integriere. Ich schlage eine Sitzung mit Tanz im Wasser vor. Mein Bild dazu ist: „Wir schauen/gehen in den Spiegel, in das Wasser, also in das Gefühl, das heute in der Natur ganz ruhig und sanft ist.“ Michaela K. ist einverstanden. Ein Tanz im Wasser mit Spiralen, Wellen und Pendelbewegungen folgt. Sie lässt sich immer mehr fallen, geht in die Impulse, die sie durch ihre Bewegung vom Wasser erhält. Zum Schluss liegt sie ruhig im Wasser, nur Augen und Nase schauen noch heraus. Sie lässt sich treiben im „Fluss des Lebens“. Sie fühlt sich entspannt, befreiter, leichter und ist sehr angetan von der intensiven Wahrnehmung des Wassers.

Dritter Termin

Eine Woche später treffen wir uns auf einer großen Wiese. Heute wirkt Michaela auf mich sehr angespannt. Sie sagt, dass es ihr nach unserem letzten Termin super ging. Sie hatte auch einige Ideen hinsichtlich ihrer Selbstständigkeit, aber seit zwei Tagen fühle sie Unruhe, könne schlecht schlafen und spüre deutlich ihre Verspannungen. Nach der Einführung über Atem, Wahrnehmung und Shiatsu-Tanz zeige ich Frau K. Tanzelemente aus dem Flamenco, mit seiner stolzen Körperhaltung, dem klaren weiblichen Ausdruck und der Erdung über die Fußarbeit. Ich begleite mit Kastagnetten. Die sichtbare Anspannung weicht.

Zwei Tage später folgt ein Coaching in der Praxis zur Neuorientierung in der Selbstständigkeit.

Vierter Termin

Eine Woche später treffen wir uns auf der gleichen Wiese. Frau K. kommt fröhlich auf mich zu, ich habe einen lebendigen Eindruck von ihr. Nach der gewohnten Einleitung zeigt sich heute etwas Brodelndes, das sich seinen Weg aus ihr heraus suchen möchte. Ich gehe in die Sequenz des Freien Tanzes und begleite mit einer Djembé-Trommel. Das Ende bildet eine kleine Phantasiereise. Frau K. wirkt jetzt wieder ruhig und ausgeglichen. Sie selbst hat das Gefühl, „viele Pfunde abgenommen zu haben“. Sie fühle sich total leicht und frei.

Fünfter Termin

Einen Tag danach erneuter Coaching-Termin in der Praxis. Erste positive Veränderungen im geschäftlichen Bereich bahnen sich an. Wir erarbeiten neue Wege.

Sechster Termin

Eine Woche später stehen wir wieder auf der Wiese. Ich sehe schon von Weitem an ihrer Kleidung, dass sich etwas verändert hat. Sie wird mutiger in ihrem Selbstausdruck. Insgesamt wirkt sie auf mich gelöst. Die in ihr innewohnende Stärke und Kraft ist jetzt Außen wahrnehmbar. Sie selbst strahlt und sagt, es ginge ihr super. Auf einmal würden sich ganz neue Menschen und Möglichkeiten auf sie zu bewegen. Michaela K. beginnt, wieder an sich selbst zu glauben und hat große Freude am Tanzen. Sie überlegt, einen Kurs zu belegen.

Nach der gewohnten Einleitung nehmen wir auf der Wiese Platz und beginnen zu tönen. Ich setze den Vokalgesang ein, der in intuitiv gefühltes Singen mündet. Nun führe ich in eine kleine Tanzmeditation mit einem Schmetterling. Dafür habe ich für Michaela Isis-Wings mitgebracht. Sie sind golden plissiert und am unteren Rand schillern Blumen im Sonnenlicht. Frau K. sagt, sie fühle sich damit wie eine Königin. Dann beginnt die meditative Tanz- Verwandlungsreise, zu der sie ihr eigenes Lied tönt und singt.

Sie bedankt sich strahlend, ist begeistert und sagt, so etwas Schönes wie jetzt hätte sie noch nie zuvor in sich gefühlt.

Simone Radloff Simone Radloff
Entspannungstrainerin, Shiatsu- Praktikerin, Personal Coach, Psychologische Beraterin, Dozentin an den Paracelsus Schulen
kontakt@simone-radloff.de

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