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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 2/2016

Die 2×2-Minuten-Intervention gegen Phobien

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© tunedin - fotolia.com…oder warum ich bei Flügen immer ein Kaugummi bei mir habe!

Ängste begleiten unser Leben – das ist gut für uns, denn wir scheuen uns vor dem, was uns bedroht und können so unser Leben sicherer gestalten. Problematisch wird die Angst erst, wenn sie aus dem Ruder läuft.

Kennen Sie das? Der Blutdruck steigt, das Herz schlägt schneller, Enge im Brustkorb, der Fokus verkleinert sich, alles ist auf das Objekt der Angst gerichtet. Angriff oder Flucht? Lieber Flucht. Doch man kann nicht weg. Man wünscht sich, man wäre nicht da. Nur nicht man selbst sein, und plötzlich ist alles vorbei – der Angstauslöser ist aus dem Blickfeld verschwunden.

Ängste können durch Objekte, aber auch durch Situationen ausgelöst werden. Wenn die Reaktion darauf unangemessen stark und somit zur Belastung für die Person wird, spricht man von einer Phobie oder einer phobischen Reaktion.1) Die gängige Meinung bei Therapeuten lautet, dass Phobien etwas besonders Hartnäckiges und nur mit systematischer Desensibilisierung zu therapieren sind.2)

Der Angst Herr werden

Worüber wir hier sprechen, kann man erst verstehen, wenn jemand im Umfeld schon einmal eine akute Panikattacke hatte. 2013 flog ich in den Urlaub. Alles verlief reibungslos, bis ich zwei Reihen vor mir das schwere Atmen einer Frau hörte. Ihrer Begleitung gestand sie, dass sie kaum Luft bekomme. Der Schweiß lief ihr über das blasse Gesicht. „Das passiert mir bei jedem Flug. Ich bestelle mir einen Drink, dann wird es besser.“ Ihre Begleitung rief die Stewardess, die mit einem Piccolo zurückkam. „Vielen Dank“, meinte die Frau, „jetzt geht es mir gleich besser.“ Und so war es – die Angst ging auf ein erträgliches Niveau zurück. Im späteren Verlauf sagte sie, dass sie nun Hilfe in Anspruch nehmen werde – sie könne ja nicht jeden Flug angetrunken verlassen.

Wie sicher viele auf diesem Flug wollte ich helfen, aber ich wusste nicht, wie. Heute bin ich jedoch schlauer und möchte mein Wissen gerne mit Ihnen teilen. Was die Frau richtig gemacht hat, war, etwas zu trinken – allerdings wäre der Alkohol nicht notwendig gewesen. Sie hatte ihn jedoch mit etwas verbunden: Entspannung, die sie in diesem Moment so nötig hatte. Sie brach damit ein psychologisches Grundprinzip, um der Angst zu entkommen: Sie hatte in einer Angstsituation etwas zu sich genommen.

Stellen Sie sich vor, Sie sehen im Kino diese Filmszene, in der ein junges Paar in der Ecke gekauert in seiner Angst verharrt, während ein Alien in amerikanischer Regiegeste vor den beiden herumfuchtelt. Plötzlich greift das Mädchen in die Tasche, nimmt einen Burger heraus und beißt genussvoll hinein, während der Junge an einer Cola zu nuckeln beginnt, bevor beide weiter in Angst erstarren. Ohne Sie, liebe Leserin, lieber Leser, zu kennen, weiß ich, dass dieses Bild auch bei Ihnen nicht stimmig ist. Denn wer in einer Situation der Angst steckt, isst und trinkt nicht, oder?

2016 02 Phobien2Deshalb wäre es auch in meiner Situation im Flugzeug sinnvoll gewesen, hinzugehen, die Dame zu ermuntern, ein weiteres alkoholfreies Getränk zu trinken oder ein Kaugummi anzubieten, verbunden mit der Erklärung, warum, und im Folgenden die Gedanken auf etwas Schönes zu lenken. Eine hilfreiche Sache, die gerade mal 2 Minuten gedauert hätte.

Zwei Dinge kann man also tun, um bei der ängstlichen Person das Muster zu durchbrechen, das bei jedem spezifisch auftritt, der Angst hat, um ihm oder ihr die Kontrolle über die Angst wieder zu geben. Essen und Trinken und das Thema auf etwas anderes lenken – einfach ablenken von der Angstsituation. Ist man selbst betroffen, kann man mit Autosuggestion oder Autogenem Training hier auch viel bewirken. 11 Tipps bei Panik finden Sie auch online auf https://www.angst-panik-hilfe.de/panikanfall-umgang.html

Die Angst therapieren

Systematische Desensibilisierung ist hier das Schlagwort, das ich auf einigen Fachkongressen gehört habe. Sicher ein guter Weg, die Angst dauerhaft in den Griff zu bekommen. Jedoch unter Umständen ein langwieriger Prozess.

Die Angst sitzt, glaubt man den Ergebnissen der Hirnforschung, im limbischen System.3) In dem Teil des Gehirns, das für Emotionen und Triebe zuständig ist. Es handelt sich um einen sehr alten Bereich des Gehirns, der sich schon mit der Entstehung der Säugetiere entwickelte. Hier wird Verhalten, das unser Überleben sichert, gespeichert. Das Verhalten bei Angst zu ändern bedarf somit einiger Überredungskunst oder eben eines „Reset-Schalters“ in genau dieser Hirnregion.4)

Die Angst einfach „resetten“?

2016 02 Phobien4Den Schalter fand Dr. Moshe Zwang tatsächlich nach über 20 Jahren Entwicklungsarbeit. 2002 wurde diese Technik vom Heilpraktiker Patrick Römer in der TV-Sendung „Bei Fliege“ dem deutschen Publikum vorgestellt.

Dabei werden im Augenblick der größten phobischen Reaktion zwei Punkte an der Hand gedrückt, die ein Schmerzsignal direkt ins limbische System senden und die Angst überschreiben. Moshe Zwang fand durch Zufall heraus, dass das unterbrechen der Kopflinie an zwei bestimmten Stellen wie ein Neutralisator in Bezug auf die Angst wirkt. Ich selbst stand dieser Technik skeptisch gegenüber. Heute gehört sie zum integralen Bestandteil meiner Therapie bei Phobien und ich lehre sie in Seminaren.

Zu Gast in Berlin bei Chris Mulzer wurde ich gefragt, wie ich Phobien therapiere. Er habe von dieser Technik „mit der Hand“ gehört. Gerne wendete ich sie bei seiner Höhenangst an und schon nach 2 Minuten war er bereit, mit mir auf den Turm vom Rathaus in Berlin Reinickendorf zu steigen. Ein unglaublich schneller Erfolg, weil über diese Technik der Klient gar nicht zum Nachdenken kommt und so Widerstand gegen den Abbau der Angst durch das Unterbewusstsein umgangen wird. Einen Artikel zur Handflächentherapie nach Moshe Zwang finden Sie auf http://www.hypnosepraxis-rausch.de/images/stories/Palmtherapy_COMED_Artikel.pdf

Jetzt sind Sie gefragt, liebe Leserin, lieber Leser: Meine Hilflosigkeit im Flugzeug damals wird Ihnen nun nicht mehr widerfahren. Mit dem Wissen aus diesem Artikel können Sie bereits jetzt in akuten Situationen „Erste Hilfe“ anbieten und so Gutes tun. Oder haben Sie Angst? Dann nehmen Sie den ersten Kaugummi und bieten der betroffenen Person den zweiten an!

Daniel FörsterDaniel Förster
Staatsexamen in Psychologie, Hypnosetherapeut für klinische Hypnose, NLP-Practitioner, Dozent an der Paracelsus Schule Tübingen

hypnosepraxis@live.de

Quellen

1) http://www.duden.de/rechtschreibung/Phobie

2) http://www.hbechter.at/hypnose/handtherapie.htm

3) https://www.dasgehirn.info/denken/emotion/der-schaltkreis-der-angst

4) https://www.dasgehirn.info/denken/emotion/201efurcht-sichert-unser-ueberleben201c

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