aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 3/2017
Konflikte als Krankheitsursache
Wie Vertrauenspersonen und Mediation helfen können
Unbehandelte Konflikte können krank machen. Ärzte, Heilpraktiker und Therapeuten spielen dabei als Vertrauensperson im Krankheitsfall eine sehr wichtige Rolle.
Ob ein Konflikt als Ursache für die vorhandenen Symptome in Betracht kommt, lässt sich in vielen Fällen mit wenigen gezielten Fragen abklären, wozu eine mediative Kompetenz und das Wissen um die mediative Kommunikation hilfreich sind. Bei entsprechendem Konfliktverdacht können Patienten auf professionelle Unterstützung durch Mediatoren aufmerksam gemacht werden.
Die Rolle der Vertrauensperson bei Konflikten
Belastende und ungelöste Konflikte verursachen häufig körperliche Symptome, z.B. Fieber, Kopf- oder Magenschmerzen sowie Darm- oder Blasenprobleme, die Menschen zum Arzt oder Heilpraktiker führen, um dort Hilfe zu suchen. Dass psychische Belastungen häufig zu körperlichen Beschwerden führen, bestätigt die tägliche Praxis. Dabei spielen die Vertrauenspersonen des Patienten eine sehr wichtige Rolle, da sie meist nicht nur seine Krankheitsgeschichte, sondern auch sein soziales Umfeld kennen. Aus diesen Gründen können gerade die Vertrauenspersonen zwischenmenschliche Konflikte als krankheitsfördernd entdecken und erkennen.
„Du musst helfen wollen, und der Geist
der Wahrheit wird dich leiten und führen.“
Paracelsus
Erkennen von Konflikten in der Anamnese
Viele Menschen bringen ihre vorhandene Erkrankung nicht mit dem Konflikt, den sie gerade erleben, in Zusammenhang. Bei einer eingehenden Befragung im Rahmen der Anamnese kann jedoch ein entsprechender Verdacht entstehen. Doch wie kann die Vertrauensperson in einer solchen Situation reagieren? Der Schlüssel liegt in behutsamen und gezielten Fragen. Als Schlüsselkompetenz empfehlen sich sehr allgemein gestellte, empathische und authentische Fragen, die nahe an der Alltagsprache formuliert sind: „Wie geht es Ihrer Familie?“ oder „Was tut sich in der Arbeit?“ Ein zu direkter Einstieg in Fragen könnte dazu führen, dass sich der Patient unwohl und mit seinen Beschwerden nicht ernst genommen fühlt und sich verschließt.
Die Mehrzahl der Patienten erhofft und erwartet, dass ausschließlich die körperlichen Ursachen, derentwegen sie die Vertrauensperson aufsuchen, behandelt werden. Da seelische Schmerzen häufig mit Scham begleitet werden, sollte sehr empathisch und aufmerksam nachgefragt werden, wenn der Patient erreicht werden will. Zwischen den Zeilen lesen und verstehen, das Herantasten an die Situation und der Perspektivenwechsel sind dabei wichtige kommunikative Fähigkeiten. Durch Fragen wie „Kann es sein, dass diese Situation Ihre Beschwerden beeinflusst oder verstärkt?“ können Spannungsfelder in der Familie, im Arbeitsumfeld oder aus der näheren Umgebung und damit Anhaltspunkte erkennbar und bewusst gemacht werden, dass im konkreten Fall ein Konflikt krankheitsfördernd sein könnte oder zumindest die Gesundheit belastet. Sollte ein zeitlicher Zusammenhang mit dem ersten Auftreten der körperlichen Beschwerden bestehen, können die Fragen „Seit wann belastet Sie die Situation so sehr, dass Sie auch körperliche Schmerzen spüren?“ oder „Wenn Sie sich eine durchschnittliche Woche in Erinnerung rufen, wieviel Zeit beansprucht diese unangenehme Situation oder wie oft müssen Sie daran denken?“ dazu geeignet sein, der Krankheitsursache näherzukommen. Wenn mediative Fragen in die Diagnose mit einbezogen werden, kann ein möglicher Handlungsbedarf zur Förderung der sozialen Gesundheit schnell erkannt werden.
Das Konzept der sozialen Gesundheit geht davon aus, dass Gesundheit und Krankheit nicht allein auf das einzelne Individuum zu beziehen sind, sondern dass z.B. die persönlichen Belastungen und Stresssituationen basierend auf zwischenmenschlichen Beziehungen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für die Gesundheit gleichwertig zu betrachten sind. Gesundheit basiert folglich auf dem Zusammenspiel mehrerer Faktoren. Wenn nun diese zwischenmenschliche Beziehungen im Berufsoder Privatleben krank machen, hilft oftmals ein behutsamer Anstoß durch die Vertrauensperson, um den Genesungsprozess nachhaltig einzuleiten.
„Da es sehr förderlich für die Gesundheit ist,
habe ich beschlossen, glücklich zu sein.“
Voltaire
Mediation als „Behandlungsmethode“
Viele Patienten erkennen die Zusammenhänge zwischen körperlicher und sozialer Gesundheit nicht sofort. Erklärende Worte der Vertrauensperson können hierbei unterstützen und weiterhelfen. Der ernsthafte Einbezug der psychischen und sozialen Komponenten in die moderne Medizin ermöglicht das Bewusstwerden, dass der psychische Heilungsprozess mit jenem der sozialen Beziehungen einhergeht.
Die Vertrauensperson kann in der weiteren Behandlung durch konstruktive Fragen Entwicklungen in bestehenden Denkmustern anstoßen, z.B. mit der Frage „Gibt es Personen, mit denen Sie gut sprechen können?“. Sie macht Mut, Konflikte ernstzunehmen und könnte raten, den Konflikt selbstbestimmt und eigenverantwortlich, z.B. durch eine Mediation, zu bearbeiten und zu lösen. Diese Möglichkeit kann die Heilung sehr positiv unterstützen.
Denn sollte sich hinter den Beschwerden ein krankheitsfördernder Konflikt verbergen, bringt ein offenes Ohr eine erste große Unterstützung. Darüber hinaus erscheint die Konfliktbearbeitung durch Mediation in vielen Fällen in Ergänzung zur Tätigkeit der Vertrauensperson als geeignete und vielversprechende „Behandlungsmethode“. So kann, über die Behandlung der körperlichen Symptome hinaus, im Gespräch mit dem Patienten nach einer Lösung gesucht werden, die der Persönlichkeit und spezifischen Situation der betroffenen Person entspricht. Dies kann z.B. durch das Lenken der Aufmerksamkeit des Patienten auf die Aspekte der sozialen Gesundheit und der Mediation erfolgen, wodurch belastende Konflikte erfolgreich bearbeitet werden können.
„Wer nach außen schaut, träumt.
Wer nach innen schaut, erwacht.“
Jung
Ausblick
Schließlich können durch die professionelle Unterstützung von und die Zusammenarbeit mit Mediatoren entsprechende Klärungsgespräche geführt und zufriedenstellende Lösungen gefunden werden. Konflikte, Streitereien und Spannungen werden zielgerichtet und lösungsorientiert angegangen. Anhaltender Ärger, Wut, aufkommende Aggressionen und andauernder emotionale Stress, der zu gesundheitlichen Beschwerden geführt hat, werden von den Betroffenen eigenverantwortlich durch einen konstruktiven und wertschätzenden Austausch über die Konflikthemen bearbeitet.
Die am Konflikt beteiligten Personen erfahren durch eine Mediation eine Auseinandersetzung mit sich selbst und stärken dadurch ihre persönliche Entwicklung. Dabei geht es auch um Selbstklärung = Empathie in Bezug auf sich selbst. Das Aussprechen der unangenehmen Gefühle im Konflikt ermöglicht ein Aufarbeiten und dient der Prävention gesundheitlicher Schäden. Was ausgesprochen ist, drückt nicht mehr auf Kopf, Magen, Darm, Blase und die Seele.
„Verantwortlich ist man nicht nur für das,
was man tut, sondern auch für das,
was man nicht tut.“
Laotse
Claudia Lutschewitz
Master of Mediation (MM), MBA und Juristin, Konfliktmanagementberatung, Wirtschaftsmediation, Kommunikationstraining
kontakt@lutschewitz.de
Foto: © frankie‘s I Fotolia.com
zurück zur Übersicht dieser Ausgabe