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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 3/2012

Wie Patchworkfamilien gelingen

Cover

© Deklofenak, © Monkey Business, © Mariusz Blach - Fotolia.comAuch nach einer Trennung bleibt der Traum vom Leben in einem Familienverbund bestehen und Paare mit Kindern aus früheren Bindungen finden neu zusammen: die Patchworkfamilie entsteht. Belastende Situationen, die durch verworrene Beziehungen der Familienmitglieder entstehen können, werden in Aufstellungen angeschaut, können so geklärt, geachtet und geordnet werden. Entstandene Spannungsfelder zwischen leiblichen und Stiefeltern, Kindern und Halbgeschwistern und zwischen den neuen Patchworkeltern mit Dynamiken aus ihren Ursprungs- und Herkunftsfamilien können durch systemisches Arbeiten zum Wohle aller eine gute Lösung finden.

Das Aufstellungsziel

Ziel einer systemischen Aufstellung ist, für jeden einen Platz zu finden, an dem er sich gut und kraftvoll fühlt, auch wenn dieses Ziel oft nur in Etappen erreicht werden kann und der Klient Zeit braucht, die Lösungsbilder zu verinnerlichen.

Die systemische Ordnung

Die Ordnung in der Paarbeziehung und im Familiensystem: Weil in einer Paarbeziehung zwei Plätze zu vergeben sind, zeigten eine Vielzahl von Aufstellungen, dass der Mann auf dem ersten Platz in seine männliche Kraft und die Frau auf dem zweiten Platz in ihre weibliche Kraft kommt (vorausgesetzt der Partner ist gesund genug, seinen Platz auch einzunehmen). Dies ist keine Rangfolge, sondern eine reine Platzfolge mit einer Partnerschaft auf Augenhöhe. Im Familiensystem gilt: „Der Frühere hat Vorrang vor dem Späteren“. Das heißt, der früher Geborene ist „größer“, der später Geborene ist „kleiner“. Daraus folgt systemisch, der Größere gibt, der Kleinere nimmt. Werden diese Ordnungen missachtet, kann es zu schlimmen Folgen kommen. Dabei ist es völlig egal, ob die Familienmitglieder noch am Leben, ob sie früh gestorben oder ob sie nicht geboren sind. Jeder gehört dazu und hat ein Anrecht auf seinen gemäßen Platz!

Der Bildung einer Patchworkfamilie geht meistens eine Trennung voraus. Deshalb gelten bei Trennung einer Kernfamilie und besonders auch danach aus systemischer Sicht folgende Sätze, die in der Aufstellungsarbeit als sogenannte Lösungssätze genutzt werden. Bei aufkommender Diskussion um die Schuldfrage heißt es grundsätzlich: „Niemand ist schuld!“/ „Es ist Schicksal.“

Verantwortung für eine Trennung tragen allein die Eltern. Weil sich Kinder allzu schnell bei Trennungen schuldig fühlen, sagen Sie dem Kind die Lösungssätze „Du bist nicht schuld!“/ „Dass Mama und Papa sich trennen, ist alleine unsere Sache.“ Sagen Sie den Kindern „Du bist und bleibst unser Kind.“/„Du darfst die Mama (den Papa) genauso haben, wie du mich haben darfst.“

Systemische Aufstellungen mit Stellvertretern

Im Rahmen einer Familienaufstellung treffen sich ganz unterschiedliche Menschen, welche sich als Stellvertreter zur Verfügung stellen. Das Phänomen des sogenannten Wissenden Feldes, mit dem wir alle verbunden sind, lässt jeden Stellvertreter spüren, wie es der echten Person, anwesend, nicht anwesend oder gar verstorben, geht. Aus einem diffusen inneren Bild stellt der Klient durch Stellvertreter ein sichtbares, äußeres Bild auf. Dieses nach außen gebrachte Bild zeigt die Ist-Situation auf. Durch ständiges Abfragen der Gefühlslage der Stellvertreter, durch das Aussprechen der wahrgenommenen Gefühle und durch Aussprechen vorgegebener Bindeund Lösesätze lässt sich eine problematische Ist-Situation solange verändern, bis sich alle Beteiligten an ihren Plätzen gut und kräftig fühlen.

Dieses so entwickelte Lösungsbild kann sich oft erstaunlich schnell auf die reale Familiensituation positiv auswirken. Ein großer Vorteil von systemischen Familienaufstellungen in Gruppen ist der, dass es für diese Arbeit nur ein oder zwei erwachsene Familienmitglieder mit klar formuliertem Anliegen braucht – idealerweise hier die beiden Ehepartner (leiblicher Elternteil und Stiefelternteil).

Beispiel: Patchworkfamilie „Ernst- Lustig“

Kurt und Elke Ernst-Lustig sind beide zum zweiten Mal verheiratet. Elke bringt ihre Tochter Julia und Kurt Sara und Paul mit in die Beziehung. Sara lebt bei Mutter Ute, Paul beim Vater. Vor einem Jahr wurde die gemeinsame Tochter Lea geboren. Elkes Anliegen: In ihrer Kernfamilie mit Jochen Lustig hatte sie Julia als Einzelkind. Sie schimpft auf die Ex-Frau von Kurt wegen der vielen Probleme während seiner Scheidung etc. Darüber hinaus ist Elke eifersüchtig auf ihre Stiefkinder.

Aufstellen des Anliegens

Elke stellt nun ihr Anliegen auf. Der Aufstellungsleiter arbeitet zunächst mit Stellvertretern für die Erwachsenen. Der Leiter lässt Elke eine Stellvertreterin für sich, einen für ihren Mann Kurt und eine Stellvertreterin für dessen Ex-Frau Ute auswählen. Sie selbst und Kurt bleiben außen sitzen. Der Aufstellungsleiter lässt nun Elkes Stellvertreterin zur Stellvertreterin von Ute Folgendes sagen: „Danke, dass du Platz gemacht hast!“ und „Ich baue mein Glück auf deinem Verlust auf!“

Diese ruhig gesprochenen Sätze ermöglichen Elke eine neue Sichtweise. Dann lässt der Aufstellungsleiter „Elke“ weiter zu „Ute“ sagen: „Ich habe dich lange missachtet, als die frühere Frau von Kurt und als Mutter. Ich wollte es besser machen, doch jetzt merke ich, es wird mir zu viel, wenn ich mich da einmische.“

Dann sagt „Elke“ weiter zu „Ute“: „Jetzt achte ich dich als eine wichtige Frau von Kurt vor mir. Du warst zuerst – ich komme nach dir. Jetzt achte ich dich als die Mutter von Sara und Paul. Ich bin nur ihre Stiefmutter.“

Die Stellvertreterin von Ute erwidert darauf nach der Vorgabe des Aufstellungsleiters: „Danke, dass du mich jetzt achtest. Jetzt kann ich dich auch als Kurts Frau nach mir achten.“

Sich richtig trennen, um beim neuen Partner ganz anzukommen

Die Stellvertreterin von Elke wird jetzt vom Aufstellungsleiter gebeten, etwas zur Seite zu treten, da Kurt mit Ute noch was zu klären hat. Rosenkrieg und Streit um die Kinder, um Sorgerecht und um Geld haben oft ihren Ursprung in der Verleugnung der tiefen Liebe zum alten Partner, mit dem man lange zusammen war – und auch Kinder hat. Getrennte Paare glauben oft, sich lange im alten Partner und der Liebe zu ihm getäuscht zu haben. Dies wird mit Streit und Kampf zu leugnen versucht. Der Aufstellungsleiter lässt im Zuge des Trennungsrituals das getrennte Paar bzw. die Stellvertreter sich gegenseitig in die Augen schauen und den Satz sagen: „Ich habe dich sehr geliebt.“

Der Satz drückt eine Wahrheit aus, die lange Bestand hatte. Dieses „Geständnis“ schafft Frieden im Herzen und lässt sie in ihren neuen Beziehungen ganz ankommen – mit dem Guten aus der alten Bindung. Beide übernehmen ihren Teil der Verantwortung am Scheitern und danken sich jetzt für das Gute ihrer Beziehung und für die gemeinsamen Kinder, nehmen das Gute mit ins neue Leben, bleiben als Eltern verbunden. Nun kann sich das Paar trennen, sind die Elternbeziehungen klar, kann es auch mit den Kindern gelingen.

Systemische Familienaufstellungen sind eine hochwirksame Methode, belastende Lebenssituationen in Patchworkfamilien nachhaltig zu klären und in eine positive Richtung zu lenken. Jeder Einzelne kann seinen neuen Platz finden und mit der gewonnenen Klarheit Ordnung in schwierige Beziehungsgeflechte bringen.

Rudi Dobrinski
Rudi Dobrinski
Systemischer Familien- und Organisationsaufsteller, Trainer und Unternehmensberater
r.dobrinski@heilende-lebenspraxis.de

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