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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 5/2015

Streit?! Mediation – Der Weg in die Zukunft

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© bluedesign - Fotolia.com„Über Probleme meditieren?“ oder: „Hör mir auf mit diesem Psychokram!“ – die wohl beliebtesten spontanen Antworten beim Vorschlag einer Mediation. Auch wenn in einer Mediation definitiv nicht meditiert wird, sondern das der religiösen Disziplin überlassen bleibt, und nicht alles abwertend „Psychokram“ sein muss, was man nicht kennt, zeigen diese Ausbrüche doch, dass es noch einen hohen Klärungs- und Bekanntmachungsbedarf von und für Mediation gibt.

In einer Mediation geht es pauschal genommen um eine Konfliktlösung. Menschen tragen den ganzen langen Tag Konflikte aus. Aber wie lösen wir diese normalerweise und welche Optionen haben wir noch?

Die erste Möglichkeit ist meistens, dass wir über den Gegenstand verhandeln. Wir feilschen, wir betteln, bitten oder bieten etwas an. Diese Rechnung kann aufgehen. Teilen ist oft die klassische Lösung. Wenn diese scheitert, können wir uns dem Recht unterwerfen und gehen für größere Streitfälle vor Gericht. Das Gericht allerdings entscheidet nur nach geschriebenem Gesetz.

Eine andere Lösungsmöglichkeit ist, sich der Entscheidung einer Autorität zu unterwerfen. Im häuslichen Umfeld sind das bekanntermaßen die Eltern, in der Arbeit der Vorgesetzte, im öffentlichen Raum Beamte usw. Deren Entscheidungen sind akzeptiert, auch wenn sie die Interessen des Einzelnen vernachlässigen. Entscheidungen können aber auch durch eine Machtposition getroffen werden: Wer die stärkeren Waffen – im wahrsten Sinne des Wortes – in der Hand hat, bestimmt.

Menschen werden nur die Lösungsverfahren anwenden, die sie auch kennen. Deshalb lohnt es sich, Mediation als ein weiteres Verfahren bekannt zu machen. Wenn wir uns sonst in Machtkonstellationen gegenüberstehen oder sich beide Parteien dem Richter zuwenden, so wenden wir uns in der Mediation uns selbst und unserem Gegenüber zu.

Die Sinnhaftigkeit von Mediation lässt sich an einem Beispiel gut aufzeigen: Ein Paar – eine Orange. Er geht an den Kühlschrank, um die Orange zu nehmen. Sie geht dazwischen und sagt, dass sie die Orange brauche. Das hätte definitiv mehr Gewicht, da sie ja die Köchin im Hause sei. Überhaupt: Seit wann er denn Orangen esse – so freiwillig? Und gerade natürlich, wenn nur eine da ist! Aber unser Paar ist ja zivilisiert und fängt an zu diskutieren, was man denn machen könnte. Sie kommen auf die naheliegende Lösung, auf die alle kommen: Teilen. Dies wird von beiden verworfen, denn beide wollen die ganze Orange. Und auf die Idee, darüber zu reden, wer denn die Orange zu was braucht, kommt keiner. Nun ist es langsam genug der freundlichen Worte und der Ton verschärft sich. Aber eine Lösung findet sich auch nicht. Wenn man aber als Mediator nachfragt, wozu die Leute die Orange brauchen, stellt sich heraus, dass er vom Saft einen Drink machen will und sie die Schale zum Backen braucht.

Ganz so einfach läuft es in Mediationen natürlich nicht ab. Es ist aber ein gutes Beispiel, an welchem man sehen kann: Es geht nicht um die Orange an sich, sondern um Interessen, die hinter dem liegen, was wir vermeintlich wollen. Und die kann man in einer Mediation wunderbar herausarbeiten. Mediation ist nicht für Alltagskonflikte gedacht, in denen man nachgibt oder die ein anderer durch seine Autorität bereinigt. Mediation ist vielmehr für langanhaltende, tiefergehende, emotionale und meist völlig verfahrene Streitereien eine Alternative.

Die Komponenten einer Mediation sind im Wesentlichen:

Wille zur Konfliktlösung

Grundsätzlich setzt Mediation den Willen zur Lösung des Konflikts voraus – und zwar auf allen Seiten. Dieser ist öfter da, als es auf den ersten Blick zu sein scheint. Der Wunsch nach Versöhnung oder Einigung ist beinahe so gut wie immer gegeben, wenn sich die streitenden Parteien kennen und sie Gemeinsamkeiten verbindet. Nur die wenigsten haben Interesse daran, mit anderen dauerhaft im Streit zu leben, und schon gar nicht, wenn man genügend verbindende Elemente hat. Ein Konflikt bündelt viele Kräfte, die man anders einsetzen könnte. Viele Menschen belastet er körperlich und psychisch. Aber irgendwann verselbständigt sich alles und „es geht um das Prinzip“. Wenn alle Beteiligten in einem Konflikt auf die Zukunft orientiert sind, kann Mediation eine interessante Alternative sein. Dies betrifft sowohl zwischenmenschliche Konstellationen, die Zusammenarbeit im Betrieb oder geschäftliche Interessen. Überall, wo Menschen weiterhin zusammen gut auskommen wollen (weil sie meistens auf eine gute Vergangenheit zurückblicken können), kann die Mediation ein Mittel zur Lösung der Konflikte sein. Mediation selbst wird im Verfahren nicht auf das Zustandekommen der Zerrüttung beharren, sondern in die Zukunft sehen. Mediation spricht kein Recht, Mediation sieht nicht nach hinten, in Mediation geht es nicht um Schuldzuweisung, sondern darum, für die Zukunft Optionen und daraus Lösungsstrategien für alle Beteiligten zu finden.

Interessen statt Positionen

Im Normalfall tragen wir in Diskussionen und vor allem in Streitgesprächen gerne Positionen vor. Diese sind mehr oder weniger fundiert, steuern aber im Konflikt nichts Essentielles bei. Wir berufen uns in der Diskussion auf anerkannte Argumente, die augenscheinlich sachlich sind und versuchen, sinnhaft zu begründen, warum etwas so sein muss oder nicht sein darf. Insbesondere vor Gericht werden ausschließlich Positionen vertreten. Sie werden schlüssig hergeleitet, verteidigt oder abgeschmettert. Das ist völlig richtig, da das Gericht nach Gesetzeslage entscheiden muss. Menschliche Interessen und Emotionen bleiben weitgehend außen vor.

Die Mediation hat einen anderen Ansatz: Es geht um unsere Interessen, weshalb wir etwas wollen oder nicht wollen. Wir fordern etwas, weil wir denken, es sei durchsetzbar. Unser eigentlich dahinterliegendes Interesse ist aber ein anderes. Vor Gericht kann man nur etwas fordern, was gerichtlich akzeptiert oder festgesetzt ist. Man nimmt dabei auch in Kauf, nicht genau das zu bekommen, was man eigentlich möchte, geht aber als Gewinner hervor. Diesem Punkt setzt die Mediation dagegen, dass es kein wirklicher Gewinn ist, wenn ich etwas bekomme, was ich letztlich nicht so wirklich möchte und der Konflikt in mir weiter schwelt. Hier bietet sie Möglichkeiten, meine Interessen zu prononcieren und auch bedient zu kommen.

Man ist in der Fachwelt unterschiedlicher Ansicht, welche begründeten Interessen es letztlich gibt, auf die man menschliche Agitation zurückführen kann. Gerne werden als Leitwerte Interessen wie Freiheit, Sicherheit, Anerkennung, Macht, Harmonie, Intensität des Erlebens, Integrität, Fürsorge und Neugier aufgeführt, unter die sich die meisten Interessen subsumieren lassen. Diese bei allen beteiligten Parteien herauszuarbeiten, ist die Aufgabe des Mediators.

Rolle und Aufgabe des Mediators

Der Mediator begleitet die Medianden in der Lösungsfindung. Er ist neutral, ein guter Zuhörer, und er stellt vor allem die richtigen Fragen, um den Prozess voran zu bringen. Er entlarvt Worthülsen, in dem er konkret nachfasst, was damit genau gemeint sei. So bekommt jede Seite ein besseres Verständnis und der Absender der Aussage wird selbst feststellen, ob er diese Aussage stehen lassen, vielleicht sogar noch untermauern kann oder sie fallen lassen muss.

Ein oft formuliertes Missverständnis ist: Ein Mediator präsentiert Lösungen, er weiß es besser. Dem ist nicht so! Für die Lösungsfindung sind einzig und alleine die Medianden zuständig. Der Mediator ist nur ein neutraler Begleiter in Situationen, in denen ein unbefangener Umgang miteinander nicht mehr möglich ist und die Fronten verhärtet sind. Er weiß am allerwenigsten, was die am Streit Beteiligten letztlich wirklich wollen.

Im Gegensatz zu einem Gerichtsbeschluss, in welchem auch ein möglicher Kompromiss immer angeordnet bleibt, erarbeiten sich in der Mediation die Medianden ihre Lösungsstrategie selbst. Dafür müssen sie zwangsläufig kooperieren. Es ist Aufgabe des Mediators, die Mediation richtig zu steuern und zu führen, sodass sich die Teilnehmer einbringen. Denn es geht vor allem darum, die Interessen auf den Tisch zu legen. Das wird selten sofort und freiwillig geschehen. Allerdings verblüffen manche Mediationen durchaus, wie schlagartig das doch passieren und wie schnell damit das Ruder im Konflikt herumgerissen werden kann. Eine spontane Reaktion ist meistens: „Ja, hätte ich das gewusst! Warum hast du nie etwas gesagt?“ In dem Moment ist der Boden für eine konstruktive Zusammenarbeit geebnet und die Mediation wird schnell am Ende sein.

Aber auch ohne solche emotionalen Ausbrüche kann man sehr gute Ergebnisse erzielen. Voraussetzung ist allerdings, dass die – auch oft verborgenen – Interessen ans Licht kommen. Viele Menschen haben sich so auf ihre Positionen fixiert, dass sie selbst daran glauben. Es erfordert viel Geschick vom Moderator der Mediation, sie zu den Beweggründen ihrer Aktionen zu führen. Aber dies ist genau das, was ein guter Mediator leisten muss, denn nicht alle, die sich in eine Mediation begeben, sind es gewohnt, frei und selbstbewusst über ihre Aktionen zu reflektieren.

Die Vorteile von Mediation

Für eine Mediation trifft man sich im geschützten Raum; dies mag in einer Wirtschaftsmediation ein Hotel sein, aber auch kleinere Mediationsgruppen ziehen sich irgendwo dahin zurück, wo wenig Alltag und nichts Bedrohliches ist. Es macht einen Unterschied aus, ob man sich in einer Kanzlei oder am Küchentisch streitet: Weg von Belastendem macht den Kopf (und das Herz) frei.

In der Mediation kann sich jeder zu Wort äußern. Wir reden miteinander und nicht übereinander. Es ist spontan und man muss nicht überlegen, was man antwortet, damit es später vor Gericht Bestand hat. Mediation ist streng vertraulich: Es gelangt nichts nach außen.

Im gemeinsamen Dialog finden die Streitparteien über Sackgassen und Umwege zu Lösungswegen. Sie erarbeiten gemeinsam, was sie eigentlich wollen und wie es weiter gehen soll. Eine Lösung wird am Schluss immer auch in ihrer beschlossenen Verbindlichkeit festgehalten.

Wenn jemand ein Gerichtsurteil braucht, muss er zu Gericht. Nicht alle Fälle sind für die Mediation geeignet. Ein guter Mediator wird das zu erkennen und unterscheiden wissen. Aber Mediation bietet sich immer dann als Modell an, wenn Menschen, egal in welcher Konstellation (privat oder geschäftlich), an einer gemeinsamen Zukunft interessiert sind. Es nützt wenig, vor Gericht einen Prozess zu gewinnen, aber den eigentlichen Wunsch (hier z. B. Geld) nicht zu erhalten. Mediation kann zwar verlorenes Geld auch nicht herbeizaubern, sie kann aber dazu beitragen, dass der Kontakt zum Schuldner nicht abreißt, sondern vielmehr so stabil für die Zukunft aufgebaut wird, dass es für beide Parteien finanziell lohnend sein kann, weiterhin gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Wer vom Streit in die Zukunft will, für den ist Mediation eine ideale Möglichkeit, diesen Schritt in gemeinsamer Anstrengung zu gehen.

Monika Herold M.A. Monika Herold M.A.
Magister der Philosophie, Erwachsenenbildnerin, Mediatorin

herold-monika@gmx.de

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