aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 6/2017
Fallstudien – Aus der Praxis für die Praxis
Fallstudie aus der naturheilkundlichen Praxis
Mamma-CA
Patientin
38 Jahre, Mutter von 2 Kindern
Anamnese
Die Stanzbiopsie und Histologie des entfernten Tumors der rechten Brust machen eine Chemotherapie und eine Radatio notwendig. Die Patientin ist verzweifelt. Weinend und ängstlich stellt sie sich vor. Seit der Diagnose kann sie nicht mehr schlafen.
Therapie
Neben einem ausführlichen Gespräch wird eine Akupunkturbehandlung empfohlen. Es werden 3 Punkte (He7 shenmen, Pc 7 daling und Lu 9 taiyuan) gestochen. Diese Kombination hat einen sehr beruhigenden und angstlindernden Effekt. Die positive Wirkung dieser Therapie veranlasst die Patientin, sich über die gesamte Dauer der Chemotherapie einer wöchentlichen Behandlung durch Akupunktur zu unterziehen. Die erste Gruppe der Chemotherapeutika setzt sich aus Epirubicin und Cyclophosphamid zusammen. Aufgrund der Begleitmedikation kam es nur zu einer geringen Übelkeit, jedoch zu einer ausgeprägten Mundtrockenheit, die sehr wirksam behandelt werden kann. Nach der zweiten Gabe der Chemotherapeutika beginnt die Patientin an Schlaflosigkeit und Hitzewallungen zu leiden. Aus Sicht der Chinesischen Medizin erzeugt diese Medikation eine Form von Hitze, welche die Säfte und das Yin schädigt, was wiederum den Geist beunruhigt. Insomnie, Hitzewallungen und Trockenheit der Schleimhäute, die mit laufender Chemotherapie zunehmen, sind die Folge. Das Behandlungsregime besteht sowohl aus der Ausleitung dieser „toxischen Hitze“ als auch der Stabilisierung und Unterstützung der Körpersäfte. Diese Symptome können effektiv durch den Einsatz von Akupunktur gelindert werden. Der zweite Behandlungsabschnitt besteht aus der Gabe von wöchentlichen Paclitaxel-Infusionen. Die Patientin hat wenig Nebenwirkungen, außer einer zunehmenden Müdigkeit, die aber zu keinen wesentlichen Einschränkungen führt, und starken Hitzewallungen. Diese können zwar mittels der Akupunktur gelindert werden, verschwinden aber nicht vollständig. Nach Ende der Chemotherapie wird daher chinesische Arzneipflanzen zur Verbesserung des Schlafes und Linderung der Hitzewallungen verschrieben. Nach einer vierwöchigen Behandlung mit einer Modifikation des Zizyphidekoktes, Suan Zao Ren Tang, ist die Patientin beschwerdefrei. Mit Beginn der Einnahme von Tamoxifen setzen die Hitzewallungen wieder ein. Eine Linderung kann mit der Verschreibung Liuweidi huang wan erreicht werden. Da sich die Energetik der Patientin über die vielen Monate der Behandlung sehr geändert hat, musste die Behandlungsstrategie angeglichen werden.
Fazit
Dieses Beispiel verdeutlicht die Notwendigkeit einer genauen Differentialdiagnose. Denn obwohl die gleichen Beschwerden (Hitzewallungen) auftreten, sollten diese unterschiedlich behandelt werden.
Barbara Kirschbaum
Heilpraktikerin, eigene Praxis mit Schwerpunkte Krebs-, Darm- und gynäkologische Erkrankungen, Leiterin der TCM-Ambulanz im Mamma-Zentrum am Jerusalem-Krankenhaus Hamburg, Autorin
info@barbara-kirschbaum.de
Fallstudie aus der psychotherapeutischen Praxis
Anpassungsstörung:
Abschied nehmen und Stellung beziehen
Klientin
Ende 40, Single, religiös (katholisch geprägt)
Die Dame bittet mich nach einer gescheiterten Liebesbeziehung um eine Sprechstunde. Sie müsse „jetzt mal mit dem Trauern beginnen, denn sonst hört der Liebeskummer nicht auf“.
1.Beratungsdoppelstunde: Trauer auslösen
Die Klientin berichtet, dass sie sich nicht „Hals über Kopf“ verliebt habe; nur zögerlich habe sie sich in die Beziehung gewagt. Im Laufe der Zeit – obwohl ihr Partner sie immer gut behandelt hätte – habe sie an Lebensfreude, Kraft und Freiheitsgefühl verloren und die Empfindung gehabt, sie büße ihr Selbstwertgefühl und ihre Attraktivität ein. So habe sie Schluss gemacht. Aber jetzt fühle sie nur noch Leere.
Ich frage sie, nach welchen Gefühlen aus der Beziehung sie Sehnsucht hat. Es kommen ihr die Tränen und mit ihnen das Schluchzen. Bei ihm hat sie sich niemals „fügen müssen“, sie konnte „aufleben“, musste nicht „brav sein“. Obwohl sie sich „sehr vernünftig, verantwortungsvoll und anständig“ verhielt, betrachtete er sie nie als „graue Maus“. Und sie fühlte sich nie „wehrlos“ oder dass sie sich „aufopfern“ müsste.
Ich schlage ihr vor, einen „Abschiedsbrief an die Beziehung“ (nicht an den Mann!) zu schreiben und all die schönen Gefühle, die sie jetzt vermisst, in Worte zu fassen, um ihnen „Goodbye“ zu sagen. Dann solle sie Trauer anlegen, einen Spaziergang in den Wald machen, bewaffnet mit einer kleinen Schaufel, um dort die Beziehung zu beerdigen (in Form des Briefes). Sie solle sich so viel Zeit nehmen, wie sie brauche, so viel Tränen vergießen, wie sie könne, und sich anschließend einen „Leichenschmaus“ gönnen, damit sie wieder aufgeschlossen wird für neue Gefühle.
2.Beratungsdoppelstunde: Mutter-Beziehung
Die Klientin berichtet von ihrer „Beerdigungszeremonie“ und dass es ihr seither viel besser gehe – dass die „Farben, Gerüche und Geräusche wieder zurück“ wären. Aufgrund einer Intuition im letzten Gespräch frage ich nach, wie oft sie denn das Gefühl habe, „wehrlos“ zu sein, sich „aufopfern“ und „fügen“ zu müssen, „brav zu sein“ und als „graue Maus zu gelten“. „Eigentlich so lange ich denken kann“, lautet die Antwort. Ich frage, wie sie ihre Mutter vor Augen habe. Sie beschreibt sie als „exaltiert gekleidet“, bestimmend, dominant, manipulierend, „hinterfotzig“, berechnend und ihr gegenüber „abwertend“; außerdem sei, ihre Mutter leichtfertig und unvernünftig, und sie würde sie nur ausnutzen. Weiterhin erwähnt sie, dass sie schon Panik bekomme, wenn das Telefon klingelt, weil sie befürchtet, ihre Mutter sei dran. Sie könne sich ihrer nicht erwehren, weil ihre Mutter genau wüsste, wie sie ihr ein schlechtes Gewissen machen könne. Ich schlage vor, dass wir die „Mutter-Meinungen“ über sie auf einem Flip-Chart zusammentragen:
- „Du bist ohne Gott und Kirche“
(weil sie nicht regelmäßig zur Messe geht) - „Du hast keinen Halt“
- „Du bist nicht erreichbar“
(wenn die Mutter während der Arbeit anruft) - „Du bist mein Kind“
(Du musst dich um deine Mutter kümmern)
Da ich um ihre Religiosität weiß, frage ich, ob es eine Bibelstelle gebe, die sie anspricht. „Ja, Jesus als der gute Hirte“. Ich schlage den Text auf und gebe ihn ihr mit der Bitte, sich diesen nun laut vorzulesen, so als ob Jesus gerade hier und jetzt zu ihr spreche. Dazu lasse ich sie allein – mit ihrem Gott.
Nach etwas Zeit bittet sie mich wieder zu sich. Sie ist sichtlich gerührt, und ich frage sie, ob sie denn etwas aus dieser Passage angesprochen habe. „Ja!“, antwortet sie:
Vers 3: „Er ruft die Schafe, die ihm gehören, einzeln beim Namen.“
Vers 14: „Ich bin der gute Hirt; ich kenne die Meinen.“
Vers 27: „Meine Schafe hören auf meine Stimme.“
Vers 29: „Niemand kann sie aus der Hand des Vaters reißen.“
„Und was bedeutet das jetzt für Sie?“, frage ich. „Was meine Mutter über mich sagt, ist nicht wahr! Ich bin nicht GOTT-los, ich gehö- re Jesus. Ich bin nicht HALT-los, der Vater im Himmel hält mich. Ich bin erreichbar, denn die Worte Jesu haben mich gerade erreicht. Und ich bin GOTTES Kind!“
„Sehr gut“, sage ich, „und was wollen Sie jetzt damit machen?“ „Ich werde meiner Mutter einen Brief schreiben und ihr dokumentieren, welche Meinung über mich ich fortan glauben und gelten lassen werde, nämlich die des Wortes Gottes.“ Mit der Hausaufgabe verabschieden wir uns.
In der dritten und letzten Beratung erzählt sie mir, dass ihre Mutter zwar beleidigt und eingeschnappt war, als sie den Brief bekam. „Aber jetzt reden wir wieder miteinander. Nur dass sie mich jetzt nicht mehr damit kriegt, mir ein schlechtes Gefühl zu machen“, sagt sie erleichtert und gelöst.
Herbert Ruffer
Heilpraktiker für Psychotherapie, Praxis für Paar-, Einzel- und Psychotherapie in Landshut
kontakt@praxis-ruffer
Fallstudie aus der tierheilkundlichen Praxis
Reha nach Bandscheiben-Operation
Patient
9-jähriger Zwergdackelrüde
Anamnese
Bandscheibenvorfall T13-L1 mit neurologischen Ausfällen (Lähmung der Hinterbeine, Überköten der linken Hinterhand). Der Vorfall ereignet sich morgens in der Tierarztpraxis, wo der Rüde wegen Rückenschmerzen behandelt wird. Er bekommt ein Schmerzmittel. Da sich der Zustand zunehmend verschlechtert (der Hund liegt nur noch hechelnd und stöhnend auf der Seite), erfolgt abends eine Notoperation, nachdem der Bandscheibenvorfall vorab mittels einer Myelographie genau lokalisiert wurde. Die Entlassung erfolgt am nächsten Tag, nachdem der Dackel selbstständig Urin abgesetzt hat. Die Hinterbeine sind weiterhin gelähmt.
Der Chirurg betont mehrmals, dass der Rüde seiner Meinung nach wieder laufen können wird, jedoch viel dafür getan werden muss. Der Rüde hatte bereits mit 7 Jahren (Sommer 2014) einen Bandscheibenvorfall L1-L2 ohne Lähmungserscheinungen, der konservativ ausheilte (Ruhigstellung für mehrere Wochen, dann Tellington-Bodenarbeit zum Wiederaufbau der Muskulatur, die durch die stark eingeschränkte Bewegungsfreiheit schnell und deutlich atrophiert war).
Außerdem leidet er an einer chronischen Gastroenteritis und an einer Herzinsuffizienz mit beginnendem Lungenödem. Seine Ernährung wird auf Pferd (Nassfutter) umgestellt. Zur Entwässerung erhält er Apocynum C30, für das Herz Kalium chloratum D6 und Crataegus Urtinktur und für den Magen Hepar Sulfur und Silicea (Dilutionen) wechselnd alle 2 Tage. Zudem Tuberculinum bovinum (Nosode) täglich zweimal und im täglichen Wechsel, jeweils 10 Minuten nach der Nosode und nochmals nachmittags, Nux vomica bzw. Robinia (Dilutionen).
Therapie
Zur Unterstützung des Heilungsprozesses erhält der Patient über 5 Tage einmal täglich Staphisagria C200.
Zu Therapiebeginn wird der Dackel, der ausschließlich liegt oder sitzt, mehrmals täglich auf seine Beine gestellt (die Hinterbeine in einem Winkel, dass er stabil steht) und mit dem Zeigefinger auf der Kuppe des Körpers leicht gewippt und langsam geschaukelt. In dieser Körperstellung wird er auch gefüttert (nicht im Sitzen, was er von sich aus gemacht hätte). Diese Übung dient dazu, Gefühl und Kraft in die Hinterbeine zu bringen.
Am 3. Tag nach der erfolgreichen Operation macht der Rüde nach Urinabsatz die ersten Schritte. Nach 1 Woche hoppelt er und zieht die Beine nicht mehr nach; er überkötet noch, korrigiert aber von selbst. Nach 2 Wochen kann er rennen – zwar noch sehr instabil, d.h. er fällt hinten häufiger um, steht aber auf und rennt weiter. Langsames Gehen ist schwieriger und gleicht eher einem Torkeln, denn die Hinterbeine knicken häufig ein, außerdem ist die Schrittlänge kurz.
Jetzt beginnen wir mit der Tellington-Bodenarbeit, die 3 Mal pro Woche für jeweils 20 Minuten stattfindet. Vor dem Training wird der gesamte Rücken mit biologischem Johanniskrautöl eingerieben, da es das Gewebe aufgrund seiner schmerzlindernden und wärmenden Wirkung gut für die Behandlung vorbereitet. Rücken und Hinterbeine werden leicht massiert, sanft geknetet und die Haut wird leicht abgezogen; außerdem wird der Rücken mit einer weichen Bürste gekämmt, um die Durchblutung zu fördern.
Im Training konzentrieren wir uns darauf, dass der Dackel wieder lernt, in Balance zu sein, stabil zu stehen, seine Beine zu koordinieren und die Schrittlänge zu verbessern. Dazu nutzen wir verschiedene Bodenelemente: Stangen, Leiter, Hula-Hoop-Reifen, Slalom-Parcours, verschiedene Untergründe und Wackelkissen. Der Patient wird langsam und mit vielen Pausen durch die Figuren geführt.
Anfangs versucht er, die Hindernisse zu überrennen und auf dem Boden liegende Reifen oder Stangen zu überspringen, da dies mit seinem instabilen Gangbild leichter ist, als die direkt auf dem Boden liegenden Figuren (<1,5 cm) langsam zu durchlaufen. Aber nur durch das langsame Übersteigen der Elemente kann eine Verbesserung und Stabilisierung der Balance und Koordination erreicht werden.
Der Dackel wird für seine Arbeit immer gelobt und belohnt, und er hat mit großer Freude trainiert. 3 Wochen nach der OP macht er seinen ersten kleinen Spaziergang (ca. 800 m), nach 7 Wochen kann er das Bein wieder heben und nach 2 Monaten ist er „zur Kur“ an der Ostsee. Die häufigen, aber kurzen Strandspaziergänge im Sand haben Balance und Koordination zusätzlich gefördert.
15 Monate später ist der Rücken stabil. Die Bodenarbeit findet weiterhin, aber in größeren Abständen statt. Der Hund ist schmerzfrei. Springen und Treppensteigen sind jedoch tabu. Der Dackel macht einen fröhlichen und zufriedenen Eindruck.
Evelyn Traylor
Tierheilpraktikerin, Tellington-Lehrerin
(Practitioner 2 für Hunde, Katzen und Kleintiere)
traylor@animalspirits.de