aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 4/2023
Glosse: Die Sprache des Körpers
Was die Sprache des Körpers mit Wellness zu tun hat
Es geht mir gut. Es geht mir richtig gut. Ich fühle es in meinen Knochen, meinen Muskeln, in meinen Eingeweiden und in meinem Herzen. Warum? Weil ich angefangen habe, auf mich selbst zu hören. Weil ich verstanden habe, dass mein Körper eine ganz eigene Sprache spricht, und zwar jene, die auch die Tiere und die Liebenden aller Welt gebrauchen. Diese alte, längst vergessene Sprache erwacht in der Stille ganz von selbst. Und für sie gibt es keinen, wenn auch noch so guten Übersetzer im Internet.
Mein Körper kommuniziert anders als ich mir dies vorzustellen pflegte. Nicht in ganzen Sätzen. Er deutet an, zeigt auf das, was er will, mit einem Finger, den zu sehen ich in der Schule nicht gelernt habe (da hatte ich Englisch, Latein und Sport, das verstand ich, nicht jedoch meinen Körper).
Gib mir gutes Brot, sagt er, gutes Essen, gute Getränke. Etwas taucht vor uns auf und sagt „Dies!“ oder „Das nicht!“.
Komisch, auch das habe ich anders gelernt: Was gut ist, steht doch in den Lehrbüchern der Ernährungswissenschaften. Die habe ich im Kopf. Aber was genau ist denn gutes Brot? Vollkorn? Schweres, dunkles Schwarzbrot? Und was ist mit deiner Verdauung? Ach, du weißt das besser? Tja, dann muss ich vielleicht doch auf dich hören. Andere pupsen danach, du aber nicht? Übersäuerung ist dir fremd? Du regelst das schon? Na, dann!
Und dann stelle ich fest, dass mein geschätzter Mitmensch andere Dinge zu sich nehmen mag. Der isst ganz was anderes als ich, da staune ich jetzt! Mein Verlangen steht nach mildem Gemüse. Mein Kumpel braucht ab und zu ein Stück Fleisch. Neulich hat er sein Steak englisch gegessen, d.h. ziemlich blutig. Mein Körper und ich, wir mögen das nicht so. Das ist die neue Sinnlichkeit.
Wenn wir Menschen uns die Zeit nehmen, die zu nehmen es sich lohnt, dann können wir ihn hören (und erzählen Sie mir jetzt nichts von Stress, den kenne ich auch). Hören wir nicht zu, brauchen wir später umso länger oder wir humpeln, denn das Leben ist ein Marathon!
Wir beide, mein Körper und ich, haben uns im Lauf der Zeit aneinander gewöhnt. Er hat eingesehen, dass ich manchmal in Gesellschaft etwas anderes esse als er gerade will. Dass wir dann hinterher beide nicht satt sind, weiß ich mittlerweile. Dann muss es am Ende eben noch eine Scheibe Schwarzbrot sein. Ist schon okay.
Du bist mein Haus, meine Heimstatt, du bist der Tempel, in dem ich lebe. Wenn ich mich nicht um dich kümmere, tut es ja keiner. Stattdessen schreit uns die Werbung für dieses oder jenes ständig an: Nimm! Kauf! Iss! Trink! Es ist schon manchmal anspruchsvoll, auf dich zu hören bei all dem Lärm da draußen, der dich leicht übertönt.
So lange habe ich nicht auf dich gehört, dich vernachlässigt, dir nicht gegeben, wonach du mit deinem leisen, kaum hörbaren Stimmchen gerufen hast. Du bist nicht lauter? Na, dann muss ich mich nicht wundern, wenn es uns beiden manchmal schlecht geht, z.B. neulich nach dem Essen bei der amerikanischen Klopskette. Ja, ich weiß, das war nicht so richtig prima, aber die Jungs waren alle dabei, ich wollte kein Moralapostel sein, und außerdem war es gerade ziemlich lustig. Sorry. Du hast ein Nachsehen? Danke. Ach, und du hast auch mitbekommen, wie lustig es war, und fandest das schön? Na, dann bin ich ja beruhigt.
Erstaunliche Wünsche hast du bisweilen, aber ich habe gelernt, dass es uns besser geht, wenn ich auf dich höre. Und wenn es mal nicht geht, weil es manchmal einfach nicht möglich ist, dann antworte ich dir mit einem Satz, den wir beide inzwischen kennen:
Ich bin gesund, es geht mir gut, mein Körper hilft sich selbst.
Ich weiß, das ist nicht deine Sprache, aber du weißt, was ich meine, du verstehst mich schon. Du bist mein Verbündeter und kein Tyrann. Daher kommen auch deine Toleranz und deine Geduld mit mir.
Und wenn das nicht reicht, weil mal wieder tausend tolle Teufel toben, dann helfe ich nach mit einem Bild von uns beiden:
Ich male mir aus, wie es aussieht, wenn wir gesund sind und es uns gut geht, was wir alles wahrnehmen, wie wir uns bewegen, durchs Leben gehen und auf Menschen treffen. Wenn wir in stiller oder lachend lauter Runde sitzen und alle Handys aus sind. Wie wir dann am Ende, nach einem Abend unter all den so verschiedenen Freunden, still und zufrieden wegdämmern, noch einmal kurz kichern über diesen einen Witz, und dann lässt du meine Oberlider sinken und wir fallen in einen erholsamen und undurchdringlichen Schlaf. Wie gesagt, wir verstehen uns recht gut inzwischen.
Was, echt jetzt? Noch eine Scheibe Schwarzbrot? Jetzt hör aber auf! Danke, du Scherzkeks.
Thomas Schnura
Psychologe M.A., Heilpraktiker und Dozent
Foto: © Asier I adobe.stock.com
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