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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 6/2023

Verloren im Netz – Wenn Sex zum Problem wird

Cover

A computer keyboard to surf internet pornography

Noch vor rund 25 Jahren kaufte man sich den „Playboy“ am Kiosk, ging ins Sexkino oder lieh sich in der Videothek verschämt einen „Schmuddelfilm“ aus. Heute ist der Konsum pornografischen Materials so einfach wie nie zuvor – dank Internet schnell und anonym. Jede vierte Suchanfrage betrifft Sex. Mehr als ein Drittel aller Inhalte im Internet sind pornografisch. Weltweit setzt die Online-Pornobranche geschätzte 4,9 Milliarden US-Dollar um, Tendenz steigend.

Der Zugriff ist jederzeit und überall verfügbar. Lediglich 3% der Anbieter verlangen eine Altersbestätigung ihrer Nutzer. Meist reicht ein einfacher Klick auf „Bestätigen“ – auch von minderjährigen Personen – um auf unzählige Sexszenen zugreifen zu können. Für Politik und Medienlandschaft bedeutet der Bestätigungs-Button anscheinend ausreichenden Jugendschutz.

Die Gründe für den Aufruf von Pornoseiten sind unterschiedlich: sich sexuell anregen oder inspirieren lassen, Hemmungen ablegen oder Stressabbau. Eine kurze Erleichterung am Abend kann entspannen oder Einschlafhilfe sein. Hingegen kann regelmäßiger, schwer kontrollierbarer Konsum etliche unerwünschte Folgen haben. Es ist wie bei jeder Sucht: Die Dosis macht das Gift.

Vor diesem Hintergrund werden in der sexualtherapeutischen Praxis nicht selten diverse Sexualstörungen, z.B. Erektile Dysfunktion, Libidomangel und Ejaculatio praecox, sowie viele partnerschaftliche Konflikte mit gesteigertem Pornokonsum in Verbindung gebracht. Dass dieser während der Pandemie (im Homeoffice) noch einmal enorm zugenommen hat, lässt die Problematik umso schwerer wiegen. Ein guter Grund, das Thema in Zusammenhang mit anderen psychosozialen Störungen anhand eines anonymisierten Praxisfalls zu beleuchten und einen möglichen Behandlungsweg sowie Tipps für den Umgang mit Patienten aufzuzeigen.

Fallstudie: Erektile Dysfunktion

Herr M. (31) kommt in meine Praxis, da er Probleme beim Sex hat. Der von ihm konsultierte Urologe hat keine organischen Ursachen für seine Beschwerden gefunden und ihm eine Sexualtherapie empfohlen.

Das Erscheinungsbild des Klienten ist gepflegt. Er verhält sich höflich und zurückhaltend, berichtet, dass er schon während seines Studiums geschwiegen habe, wenn Kommilitonen von Dates und Abenteuern erzählten. Während dieser Zeit hätten sich kaum Freundschaften entwickelt. Heute arbeite er in einem IT-Unternehmen – seit der Pandemie vermehrt vom Homeoffice aus – und betreue Projekte, die mit viel Stress einhergingen. Die meisten Meetings fänden online statt, sodass er seine Arbeitstage vor dem PC allein zuhause verbringe. In seiner Freizeit gehe er gelegentlich ins Fitnessstudio.

Herr M. ist seit vielen Jahren Single. Bislang hatte er nur eine Beziehung. Als 18-Jähriger wurde er von einer Schulfreundin verführt. Mit ihr machte er seine ersten sexuellen Erfahrungen. Bei den wenigen Malen, als es zu Geschlechtsverkehr kam, hatte er Erektionsprobleme oder kam zu früh. Die Beziehung hielt nicht lange. Herr M. „tindert“ seitdem. Spätestens beim dritten Treffen laufe es auf Sex hinaus, dann habe er wieder Erektionsstörungen – und das war es dann, erzählt er resigniert. Mittlerweile dominiert sein Schamgefühl über jedes Interesse an Dates.

Während Herr M. sein Anliegen schildert, schaut er zu Boden und wirkt angespannt. Seine Erzählungen und Körpersprache deuten auf eine hohe Belastung und inneren Druck hin, sodass eine F-Diagnose vorliegen mag.

Männliche sexuelle Funktionsstörungen

In der International Statistical Classification of Diseases 10 (ICD-10) wird Erektile Dysfunktion (ED) mit der Codierung F52.2 klassifiziert. Die Diagnose ED ist bei Männern mit fortschreitendem Alter keine Seltenheit – ab einem Alter von 50 Jahren ist die Wahrscheinlichkeit dafür 10-mal größer als bei Männern unter 50. Bei der Entstehung sexueller Funktionsstörungen sind psychologische und somatische Prozesse beteiligt, sie sind also psychosomatisch bedingt. Die Behandlung einer psychogenen ED erfordert Geduld und aktive Mitarbeit des Klienten, aus sexologischer Sicht ist dieses Beschwerdebild oft erfolgreich therapierbar.

Differenzialdiagnose

Eine ED kann auch körperliche Ursachen haben, die vor Beginn einer Sexualtherapie ärztlich abgeklärt werden müssen. Sie tritt u.a. im Zusammenhang mit Testosteronmangel, Diabetes mellitus, Bluthochdruck oder Fettstoffwechselstörungen auf. Die Durchblutung des Penis kann durch eine Arteriosklerose gestört sein, weswegen eine ED ein Frühwarnzeichen für Gefäßprobleme sein kann. Weiter ist ein Bezug zu geschädigten Nerven möglich, z.B. bei Multipler Sklerose, Demenz oder Schlaganfall. Auch Medikamente wie Blutdrucksenker (Betablocker) können die Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. Erektionsstörungen können Folge von Operationen im Beckenraum, Bestrahlungen oder Bandscheibenvorfällen an der unteren Wirbelsäule sein. Zudem hat der Lebensstil einen entscheidenden Einfluss: Rauchen, chronischer Alkoholmissbrauch, Stress, Übergewicht, einseitige und ungesunde Ernährung führen zu Veränderungen der Blutgefäße und erhöhen die Wahrscheinlichkeit für Potenzprobleme.

Sexualität in der Herkunftsfamilie

Auf die Frage „Welche Rolle spielte Sexualität in Ihrer Familie und Kindheit?“ antworten Klienten oft mit „Keine Rolle.“ – das gilt es detaillierter zu explorieren, denn Sex spielt immer eine Rolle, ob darüber gesprochen wurde oder nicht. Die Familienanamnese hat daher große Bedeutung: Wie wurde in der Herkunftsfamilie mit Körper, Nacktheit, Körperkontakt und Zärtlichkeit umgegangen? Wie gehen Sie heute mit Ihrem Körper und Ihrer Sexualität um? Welches geschlechtliche Vorbild gab es in der Kindheit/Jugend? Wie verliefen die ersten sexuellen Erfahrungen – allein und mit einer anderen Person? Welche Ideen und Vorstellungen über Liebe, Sex, Erwartungen und Verhaltensweisen entstehen aus diesen individuellen Antworten?

Mann-Sein

Herr M. sagt, sein Vater habe ihm nichts über das Mann-Sein gelehrt. Dieser sei selbst schüchtern gewesen. Zu seinen Eltern halte er eher distanzierten Kontakt. Da seine jüngere Schwester gerade Mutter geworden sei, bedränge ihn seine Mutter aktuell, endlich eine Frau zu finden und eine Familie zu gründen. Seine wenigen Freunde, die nach und nach heiraten und Kinder bekommen, wundern sich ebenso, was mit ihm los sei.

Im Verlauf des Gesprächs zeigt sich, dass das Männerbild von Herr M. und seine Vorstellungen von Geschlechterrollen und Sexualität eindeutig von den Medien geprägt sind: Serien und Pornografie. Es mangelt ihm zudem an realen Erfahrungen. In diesem Zusammenhang gilt es, die Erwartungshaltung offen zu hinterfragen, damit sich der Klient seines individuellen Empfindens und seiner Bedürfnisse bewusst werden kann. In diesem Fall ist es hilfreich, über Mythen und Medienwirkung aufzuklären, zu reflektieren und zu relativieren.

Sex ist Gewöhnungssache

Herr M. berichtet, dass er schon als 11-Jähriger den Suchbegriff „Sex“ im Internet eingegeben habe. Nach Wikipedia und Wochenmagazinen sei er schon bald bei Pornos gelandet. Was er unbeabsichtigt gesehen hat, war überwältigend – faszinierend, irritierend, fremd und befremdend, aber sehr erregend. Zwischen Lust und Ekel hat er immer weiter geklickt und auf diese Weise erste sexuelle Erregung und Selbstbefriedigung erlebt. Während der nächsten Jahre sieht er regelmäßig Pornos zum Solosex. Natürlich spricht er mit niemandem darüber.

In seiner Jugend genügt ein kurzer Softporno, um schnell zum Höhepunkt zu kommen, doch über die Jahre gewöhnt sich Herr M. an die anfangs sofort stimulierenden Bilder und wählt immer härteres Material. Während er stundenlang durch unterschiedliche Genres klickt, zögert er den Orgasmus mithilfe von Stimulationspausen, Atem anhalten und angespannter Beckenmuskulatur lange hinaus. Ebenso hat sich der Umgang mit seinem Penis verändert. Während er „sein bestes Stück“ früher sanft und liebevoll berührt hat, behandelt er sein Genital inzwischen mit festem, grobem Griff und immer schnelleren Bewegungen.

Herr M. erzählt von intensiver Pornonutzung während seiner Arbeitspausen, v.a. nach Feierabend und an Wochenenden. Besonders an schlechten, stressigen Tagen stürzt er sich gleich nach Arbeitsende auf Hardcore-Pornos. An guten Tagen, an denen er mit sich und der Arbeit zufrieden ist, geht er nach Feierabend vor die Tür – dann braucht er keine Pornos.

Seine Gewohnheit besteht schon jahrelang; die Homeoffice-Regelung während der Pandemie hat das Thema gravierend intensiviert und verschlimmert.

Sucht nach Cybersex

Online-Sexsucht betrifft zu 75% Männer. Sie bezeichnet ein problematisches Verhalten, das durch die zwanghafte Durchführung sexuell stimulierender Aktivitäten in Verbindung mit
dem Internet gekennzeichnet ist. Es umfasst das übertriebene, unkontrollierte Ansehen von Pornografie, den Besuch von Sex-Chatrooms, den Austausch sexuell expliziter Nachrichten oder Bilder mit anderen Personen im Web. 2019 hat die WHO die „Pornografische Nutzungsstörung“ als Krankheit anerkannt und in die Liste der Süchte aufgenommen. In Deutschland geht man derzeit von bis zu 800000 Betroffenen aus.

Pornografie, Prägung und Performance

Laut einer Studie der Universitäten Hohenheim, Münster und Stuttgart (2016) beträgt das durchschnittliche Alter von Kindern, die Kontakt mit pornografischem Material haben, 11 Jahre. 85% davon sind Jungen. Das Durchschnittsalter für den ersten Geschlechtsverkehr lag hingegen bei 15-17 Jahren. Das bedeutet, dass zwischen dem ersten visuellen Kontakt mit expliziten sexuellen Bildern und den ersten konkreten körperlichen Erfahrungen zum Teil Jahre liegen und dass es häufig Pornos sind, die Kinder und Jugendliche über Sex „aufklären“.

Die Bilder hinterlassen jedenfalls Spuren im Kopf, die sich bei realem Sex dazwischenschieben. Oder das Gehirn ist so trainiert, dass herkömmlicher, realer Sex visuell nicht ausreichend erregt und in Pornos gesehene Praktiken nachgeahmt werden.

Dabei laufen die meisten Pornofilme sehr stereotyp ab und stellen bildbasierte sexuelle Gewalt dar: Frauen werden erniedrigt, von männlichen Darstellern sind oft nur die Genitalien zu sehen. Zu selten ist (auch erwachsenen) Konsumenten bewusst, dass männliche Darsteller häufig nach überproportional großem Genital ausgewählt werden, auch Potenzmittel nehmen, und dass sich die Darstellerinnen oft verschiedenen Operationen unterzogen haben. Dieses Unwissen führt bei Konsumenten zu Problemen mit dem eigenen Körperbild, Minderwertigkeitskomplexen und Performance Anxiety, und zwar in jedem Alter und bei Menschen jeglicher geschlechtlicher wie auch sexueller Identität.

Liegen Anzeichen für Cybersexsucht vor, kann diese das Leben der Person, wie jede andere Sucht auch, weiter negativ beeinflussen und großen Leidensdruck verursachen. Dabei kann es zu folgenden Problemen kommen:

  • Scham
  • Verlust von Interesse an persönlichen Beziehungen
  • soziale Isolation
  • Einsamkeit
  • Schlafstörungen
  • Depression
  • Substanzmissbrauch
  • Vernachlässigung von Körperpflege
  • Probleme am Arbeitsplatz bzw. in der Schule
  • finanzielle Schwierigkeiten
  • Kriminalität (Konsum von kinderpornografischem Material)

Tipps für die Beratung

Setting Sprechen erleichtert enorm! Die Umgebung spielt eine wichtige Rolle: Während der Sitzungen sollte eine offene, vertrauensvolle Atmosphäre herrschen, damit der vom Klienten gespürte Druck minimiert wird. Der Themenkomplex Online-Sex ist schambesetzt, Sexualtherapeuten sind oft die ersten Menschen, denen sich ein Klient anvertraut. Somit sind Souveränität auf diesem Fachgebiet, Wertfreiheit und eine gesunde Portion Neugier extrem wichtig.

Wesentliche Fragen

Für gewöhnlich denken wir kaum darüber nach, wie wir unseren Körper, Atem und Bewegung einsetzen, um uns sexuell zu erregen und zum Höhepunkt zu kommen. Doch genau das sind die aus sexologischer Sicht relevanten Fragen. Beispiele wären:

  • Wie und wann haben Sie das Verlangen nach Selbstbefriedigung?
  • Gibt es spezifische Trigger, die den Drang auslösen, Cybersex anzuschauen und sich dabei zu befriedigen?
  • In welchem Moment verlieren Sie die Kontrolle über Ihr Tun?
  • Wie bewusst spüren Sie sich währenddessen?
  • Wie nutzen Sie welches Material zur Stimulierung?

Pornonutzung zwischen den Terminen

Unserer Erfahrung nach baut der abrupte und komplette Entzug einen sehr hohen Druck auf, der Klienten entmutigt und auf Dauer nicht realisierbar ist. Viel wichtiger ist es, dass der Klient schrittweise wieder Kontrolle über die Nutzung erlangt, dass er willentlich entscheiden kann, wann er was und wie lange konsumiert.

Zugehörigkeit zum eigenen Körper

Im gleichen Maß sollte der Klient den Kontakt zu sich selbst und seinem (sexuellen) Körper, zu seinen Gefühlen und Bedürfnissen aufbauen. „Zugehörigkeit“ erlangen Klienten durch multimethodische Ansätze: Gespräche, Selbstwertstärkung, Selbstbeobachtung, Tagebuch-Schreiben, Checklisten für Tagesablauf und Internetnutzung, körperliche Selbsterforschung bei Erregung und die Entwicklung eines eigenen erotischen „Kopfkinos“, anstatt pornografisches „Junkfood“ zu konsumieren.

Ein weiterer wesentlicher Bereich ist der (Wieder-)Aufbau des Soziallebens: Freunde, Partnerschaft (ggf. Paartherapie). Ist der Klient in einer Beziehung, sollte baldmöglichst der Partner hinzugezogen werden, sodass die Thematik auch von dessen Seite geschildert wird. So kann allseitig eine offene Kommunikation und Zusammenarbeit gewährleistet werden. Paarübungen zur Erweiterung des sexuellen Repertoires sind als „Hausaufgabe“ hilfreich.

Neue (Bewegungs-)Muster üben

Sexuelle Erregungsmuster sind Gewöhnungssache. Auch Herr M. hat sich eine eingeschränkte Nutzung seines Körpers „antrainiert“: Erregungsbildung primär über den Sehsinn, manuelle Stimulation mit flachem Atem und ohne Einbeziehung des gesamten Körpers. Dieses Solosex-Verhalten erklärt, warum sein Penis beim Paar-Sex nicht mitmacht: Keiner von beiden ist es gewohnt. Beim Paar-Sex kommt es zum Ganzkörperkontakt, alle Sinne werden beansprucht und intensiv wahrgenommen. Bei der Penetration muss der gesamte Körper bewegt werden. Kaum jemand vermag sich so zu bewegen, wie die Hand stimuliert. All das zeigt, woher Erektionsstörungen rühren und weshalb sie häufig relativ einfach verhaltenstherapeutisch behoben werden können, eine disziplinierte Compliance des Klienten vorausgesetzt.

Therapiebausteine

Die Behandlung umfasst Verstehen und Selbstbeobachtung, Körperübungen (Körperwahrnehmung, Beckenaktivierung), Atemübungen, das Aktivieren und Einbeziehen aller Sinne, um die Fixierung auf den Sehsinn und die Erektionskontrolle aufzulösen. Eine Veränderung der Freizeitgestaltung ist notwendig. Je aktiver und zufriedenstellender diese strukturiert wird, umso unattraktiver wird die solistische Flucht in die Pixelwelt. Regelmäßige sportliche Aktivität (am besten Team-Mannschaftssport), bei der sich der Klient körperlich spüren und auspowern kann, hilft beim Abbau von Stress sowie beim Aufbau von Selbstbewusstsein und sozialen Beziehungen. Auch das Finden und Pflegen eigener Interessen sowie Massagen (berührt werden, sich selbst spüren) fließen ins Behandlungskonzept ein.

Gegen die Versagensangst

Medikamentöse Unterstützung mit ärztlich verschriebenen Erektionshilfen (PDE-5-Hemmer) kann in Kombination mit einer (Paar-) Sexualtherapie vorübergehend angezeigt sein. Diese Kombi hat sich immer wieder als sehr wirksam erwiesen. Besteht zum Zeitpunkt der Therapie keine Partnerschaft, wie es bei Herr M. der Fall ist, kann auf eine solche Unterstützung verzichtet werden. Der Fokus der Behandlung liegt dann auf Achtsamkeits- und Sensibilisierungsübungen, sodass der Klient lernt, sich auf andere Körperregionen zu konzentrieren, und der Fokus auf den Erregungszustand des Penis in den Hintergrund tritt. Dies hilft, Druck abzubauen. Wichtig ist, Geduld zu haben, da der Umgewöhnungsprozess Zeit braucht.

Wandel von Denk- und Verhaltensmustern

Im Fall von Herr M. ist das Ziel nicht die Abstinenz vom Pornokonsum, sondern Kontrolle über sein Nutzungsverhalten zu erlangen. So kann er den Konsum auf ca. zweimal im Monat reduzieren. Nach etwa einem Jahr evaluieren wir den Therapieverlauf: Herr M. hat seinen Selbstwert gesteigert und den Kampfsport entdeckt. Das Kräftemessen mit anderen bereitet ihm großen Spaß, und der Muskelaufbau verändert sein Körperbild. In der Trainingsgruppe ergeben sich schnell neue freundschaftliche Kontakte. Durch das Training haben sich Durchblutung und Kondition verbessert. Dies hilft ihm, weitere sexualtherapeutische Körperübungen durchzuführen, was sich positiv auf die Steuerung seiner Erregung auswirkt. Seit Kurzem trifft er sich mit einer Kollegin, die ihm anvertraute, ebenfalls wenig sexuelle Erfahrung zu haben. Einige Male kommen sie zusammen in die Beratung. Es werden gemeinsame Erfahrungen besprochen, partnerschaftliche Übungen gemacht, und beide werden ermutigt, sich über Wünsche, Bedürfnisse oder Hemmungen auszutauschen. Als größte Veränderung ist bei Herr M. eine Verschiebung von Bewertungsmustern für Gefühle und Handlungen zu erkennen. So können engagiert neue Erregungsmuster erlernt werden.

Ausblick

Heute kann Herr M. eine erfüllende sexuelle Beziehung leben. Er erkennt, dass er den Pornokonsum via Internet nicht benötigt, da er realen Sex viel lustvoller erlebt. In der abschließenden Sitzung berichtet er, wie er einmal „schwach“ geworden sei und seine Partnerin ihn dabei erwischt habe. Doch anstelle eines Konflikts habe sich eine für beide erregende Situation entwickelt, sodass sie ihr Liebesleben gelegentlich mit erotischen Filmen bereichern. Eine schöne Erfahrung und Wendung für Herr M.

Fazit

Die Fallstudie zeigt einen klassischen Leidensweg. Wir wissen um die Problematik des Schamgefühls, das verhindert, sich jemandem anzuvertrauen. Häufig ist bereits eine offene Gesprächsatmosphäre für Betroffene hilfreich. Dafür möchten wir mit diesem Artikel sensibilisieren.

Gabriele Aigner
Heilpraktikerin für Psychotherapie, Lebens- und Sozialberaterin (A), zert. systemische Sexualtherapeutin, zert. klin. Sexologin, Dozentin der Paracelsus Schulen für Naturheilverfahren
info@aigner-praxis.de

Andreas Honke, M.A.
Sexualwissenschaftler, Sexualpädagoge, System-sexualtherapeutischer Berater, Spezialist für Sexualität in der Pflege
honke@sexualpaedagogik-beratung.de

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