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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 6/1997

Interview mit HP Franz Thews

Cover
“Ich lehre nur Therapien, hinter denen ich persönlich stehe…”

Mit Report-Autor und Dozent Franz Thews
unterhielt sich Chefredakteur R. Mario Schischegg
in München über seine Lehrtätigkeit und seine Zukunftspläne

Mario Schischegg u. Franz Thews Herr Thews, Sie sind nicht nur einer unserer produktivsten Autoren – was uns sehr freut – Sie sind auch engagierter Ausbilder des Heilpraktikernachwuchses an den Paracelsus Schulen. Bleibt da noch Zeit für die Praxis?
Thews: Ich wurde bereits 1992 von den Paracelsus Schulen aufgefordert, Vorlesungen zu halten – damals noch in den neuen Bundesländern – und wurde bekannt als Methodiker, der schwierige Inhalte einfach darstellen kann. Aufgrund dessen, daß ich als Dozent immer mehr gefragt war, habe ich meine Praxis etwas vernachlässigt, arbeite nur noch einen Tag pro Woche, nehme nur Erstkonsultationen an und überweise meine Patienten an Kollegen, von denen ich weiß, daß sie die Therapien in meinem Sinne durchführen. Das ist insofern sehr produktiv, als die behandelnden Kollegen in Fällen, wo sie nicht mehr weiterkommen, sich mit mir in Verbindung setzen können, um über gemeinsames therapeutisches Vorgehen zu beraten. Also kollektive Zusammenarbeit.

Unschwer ist zu erkennen, daß Sie eine besondere Präferenz für TCM haben. Sie waren an der Quelle der asiatischen Medizin, nämlich in China und haben dort in zahlreichen Spezialkursen Erfahrungen gesammelt, die Sie nun an Paracelsus-Schüler weitervermitteln. Sehen Sie in der chinesischen Medizin eine Alternative zur abendländischen Naturheilkunde – oder zumindest einen Synergismus, oder teilen Sie beiden bestimmte Spezialgebiete zu?
Thews: Das ist eine sehr gute Frage, Herr Kollege … Ich persönlich bin der Meinung, daß wir in der abendländischen Medizin durchaus genügend Ansatzpunkte haben für ausreichende effektive Therapien, jedoch bietet uns die chinesische Medizin für Problemfälle in der Naturheilpraxis durchaus andere Gesichtspunkte – energetische Gesichtspunkte – und wenn wir beides zusammenführen, sehe ich durchaus einen sehr nützlichen Synergismus. Dort, wo sich die TCM mit der abendländischen Medizin trifft, haben wir das Optimale erreicht.

Stimmt es, daß es nicht genügt, einfach eine Moxa-Zigarre – wenn auch auf einen exakt vorbestimmten Punkt – hinzuhalten oder eine Ohrnadel auf den Punkt 101 zu setzen, sondern daß eine Akupunkturbehandlung zumindest im Ansatz Kenntnisse der chinesischen Philosophie voraussetzt? Muß man die konfuzianischen Sentenzen im Kopf haben, oder den Taoismus?
Thews: Selbstverständlich sollte man philosophische Grundkenntnisse in die Medizin einbringen, das heißt, man sollte als Heiler unbedingt ethisch-moralische Grundsätze beachten. Jedoch geht es in der täglichen Praxis nicht um philosophische Betrachtungen oder esoterische, spirituelle Gesichtspunkte, sondern um knallharte Diagnostik und Therapie.
Ich bin auch nicht der Ansicht, daß es sinnvoll ist, asiatische Philosophien in unsere westlichen Systeme zu tragen. Wir sollten uns nur diese Dinge herausnehmen, die sich in unseren Praxen reproduzieren lassen. Das mag manchen Dogmatikern etwas gegen den Strich gehen, aber es geht heute nicht darum zu philosophieren, denn die “romantische Praxis” vergangener Tage gibt es wahrscheinlich nicht mehr, sondern die Patienten wollen möglichst effektiv therapiert werden.

Herr Kollege Thews, ein chinesischer Arzt sagte mir, daß das Erlernen der Pulsdiagnose – die auch für einen chinesischen Heiler viele Jahre dauert – die conditio sine qua non für eine sinnvolle Akupunkturbehandlung ist. Stimmt das?
Thews: Ich hatte 1983 in Aachen meine erste Akupunkturausbildung. Mein dortiger chinesischer Lehrer ließ mich 1 Jahr den Punkt Dickdarm 4 stechen. Nach diesem Jahr der stupider Di 4-Nadelung kam langsam Frust in mir hoch und ich fragte meinen Meister:”Meister, wie lange brauche ich noch?” Und der Meister antwortete: “Herr Thews, so begabt wie Sie sind, nur 800 Jahre …”
1993 fragte ich dasselbe meine Ärztin in China. Frau Dr.Wu und ihre Prognose gaben mir Hoffnung: “Herr Thews, so begabt wie sie sind, nur drei Leben …” Die Hochrechnung habe ich mir erspart.
Bei meinem letzten Chinaaufenthalt 1995 stellte ich die gleiche Frage meinem Prof. Dr. Li. Er meinte: “Herr Thews, so begabt wie Sie heute sind, schaffen Sie es noch in diesem Leben…”
Von solchen Voraussagen darf man sich natürlich nicht entmutigen lassen, es gibt außerdem den Nogier-Reflex, mit dem sich das ganze Akupunkturproblem erheblich abkürzen läßt, also durchaus erlebbare Erfolge erzielt werden können.

Glauben Sie, daß auch in der Akupunktur der geistheilerische Effekt eine Rolle spielt, wie bei anderen Behandlungsmethoden auch?
Thews: Sicher erfordert ein Therapieerfolg auch eine gewisse charismatische Ausstrahlung des Behandlers. Der geistige Aspekt in der Akupunktur ist aber mit Sicherheit sekundär. Prioritäten der Akupunktur sind: genaue Lokalisation, die richtige Wahl der Reizart und der Reizstärke.

Die Neuraltherapie kennt ja auch eine Reihe von Stichpunkten, die mit jenen der Akupuktur übereinstimmen. Daraus hat sich ja auch die Pharmapunktur entwickelt. Halten Sie diese Kombination, Pharmaka in AP-Punkte zu spritzen, für effektiver als die reine Nadelung?
Thews: Ja, halte ich für effektiver. Bei Verwendung der 20-er Injektionskanüle haben wir in etwa die Stärke und den Durchmesser der AP-Nadel, haben darüber hinaus aber auch eine Depotwirkung durch das pharmakologische Präparat.

Mario Schischegg u. Franz Thews Und wie sieht das bei der E-Akupunktur aus?
Thews: Sie ist mit Sicherheit nicht so wirkungsvoll, wie sie dargestellt wird. Man mißt schon einmal nicht Akupunturpunkte aus, sondern bedient sich der Hautwiderstandsmessung. Ein AP-Punkt ist ja, das wissen die Leser des Paracelsus Report inzwischen, in einer gewissen Gewebetiefe gelagert, die Elektroakupunktur orientiert sich vor allem an den Terminalpunkten.

Verlassen wir nun den Akupunkturmeister Franz Thews und wenden wir uns dem Phytotherapeuten zu, als der Sie ja auch Ihre Meriten haben. Die Fama berichtet ja, daß Sie uns in den nächsten Heften eine Berichtserie über Ihre Pflanzenexkursionen im Engadin und Ihre Prüfungsergebnisse der dort gesammelten Heilkräuter zur Verfügung stellen werden. Ist das richtig?
Thews: Das ist richtig. Zunächst möchte ich mich bedanken, daß Sie mich als Akupunkturmeister bezeichnet haben, den Titel möchte ich für mich noch nicht in Anspruch nehmen …

“Meister der Akupunktur” vielleicht …?
Thews: … aber ich bin auf dem Wege, obschon meine Kenntnisse eher bescheiden sind im Vergleich zum Wissen meiner chinesischen Lehrer.

Und nun zum Dozenten Franz Thews: Als Lehrer an den Paracelsus Schulen gelten Sie als sehr beliebt, Ihr pädagogischer Eros scheint auf fruchtbaren Boden zu fallen … Was macht eigentlich den Unterricht so attraktiv?
Thews: Das haben mich andere auch schon gefragt. Ich bilde den Nachwuchs ehrlich für die Praxis aus und mache niemandem ein X für ein U vor. Ich versuche, das Wissen in der kurzen Zeit möglichst kompetent auf verschiedenen Ebenen rhetorisch/organisatorisch zu vermitteln. Das schätzen meine Schüler und setzen dieses Wissen dann auch sehr engagiert in praktische Arbeit um. Ich möchte dezidiert darauf hinweisen, daß ich nur Dinge unterrichte, hinter denen ich persönlich stehe. Für andere Disziplinen, die ich nicht beurteilen kann und bei denen ich selbst keinen logischen Zugang habe, übernehme ich keine Lehraufträge.

Sie haben es bereits kurz angesprochen: Wie beurteilen Sie die Neigung vieler Kollegen (auch Studierender), so exotische Nischen zu besetzen wie die Licht- und Farbtherapie, Edelstein- und Dufttherapie und was weiß ich was alles … Finden Sie nicht auch, daß es unabdingbar ist, eine gründliche Ausbildung in den klassischen Naturheilverfahren durchzuziehen, wie ein späterer Facharzt ja auch die allgemeinmedizinische Ausbildung hinter sich bringen muß, mag er später machen was er will?
Thews: Es geht nur um eine fundierte schulmedizinische und naturheilkundliche Ausbildung. Alles andere wird sich früher oder später von selbst erledigen.

Da stimme ich Ihnen voll und ganz zu! Raten Sie Ihren Schülern, wie sie ihre Praxis aufbauen, gestalten, ausstatten u.s.w. sollen – oder sind Sie ausschließlich für den Ausbildungsteil zuständig?
Thews: Nein, ich werde selbstverständlich immer wieder Schülern als Mentor zur Verfügung stehen, als Ideenträger, der die Probleme, die eine Praxisgründung mit sich bringt, mit zu lösen versucht. Es kommt natürlich immer auf die individuellen Neigungen, Stärken des Einzelnen an, oft auch auf regionale Gegebenheiten, ob und wie der Betreffende seinen Weg machen wird. Wenn eine Schülerin oder ein Schüler vor einer Praxiseröffnung steht und von mir eine ehrliche Meinung einholen möchte, bin ich jederzeit dazu bereit.

Wie sehen Sie Ihre eigene Zukunft? Wird es die Lehre sein oder werden Sie sich vielleicht doch wieder mehr in den Praxisalltag, sozusagen “auf die freie Wildbahn” begeben, mit ihren Erfolgen (und unvermeidbaren Mißerfolgen), die man dann ja auch wieder an den Nachwuchs weitergeben kann? Reizt Sie nicht das unbekannte Land, das Sie mit jedem neuen Patienten betreten?
Thews: Wissen Sie, das “unbekannte Land” ist ja auch jeder neue Schüler. Um Ihre Frage aber auf den Nenner zu bringen: Ich werde wahrscheinlich in der Lehre meine Aufgabe finden, denn es gibt zu wenige Heilpraktiker, insbesondere ältere Kollegen, die ihr Wissen weitergeben wollen oder können.

Zukunftsängste für unseren Berufsstand plagen Sie nicht?
Thews: Nein, keinerlei Zukunftsängste! Wenn wir unsere Kompetenzen beachten und ausschöpfen, uns nicht mit durchschnittlichen Leistungen zufrieden geben, nicht nach der “schnellen Mark” schielen und im Beruf nur einen” Job” sehen, bei dem man um 17 Uhr den Mantel ausziehen – und sich ins Privatleben zurückziehen kann.
Ich selbst beschäftige mich jeden Abend 12 Stunden mit Fachliteratur oder gehe einzelne Praxisfälle noch einmal durch, um sicher zu sein, das Richtige empfohlen oder verordnet zu haben. Zukunftsängste, nein!

Auch für den Paracelsus Report keine “Zukunftsängste”?
Thews: (lacht) Nein, keine Zukunftsängste! Sie wissen ja, daß ich viel unterwegs bin und viele Meinungen höre. Es wird Sie als Chefredakteur sicher freuen, wenn ich Ihnen sage, daß viele Leser dem Report einen hohen Stellenwert einräumen. Die Zeitschrift hat sich von einer Schülerzeitung zu einem beachtlichen Fachmagazin gemausert – das muß man auch mal sagen. Vor allem die disziplinäre Ausweitung der Fachartikel findet ein großes Maß an Anerkennung.

Das hört man natürlich gerne.
Herr Kollege Thews, ich danke Ihnen für das aufschlußreiche Gespräch!

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