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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 5/2012

Der Kiefer- und Zahnbereich und sein Einfluss auf den gesamten Organismus

Cover

© Light Impression - Fotolia.comDer Kiefer unterstützt den Organismus bei vielen Aufgaben, eine Störung in diesem Bereich kann dadurch auch andere Körperbereiche betreffen. Das Kiefergelenk ist u.a. an der Sprachbildung, am Beißen, Kauen und Schlucken beteiligt. Es steht in einem engen funktionalen und energetischen Bezug zum Becken: Durch das Dehnen des Beckens und des Kiefers kommen hierdurch verborgene Gefühle an die Oberfläche.

Durch das Kiefergelenk ziehen so viele Nervenbahnen wie nirgendwo sonst im Körper. Etwa 45% der Neuronen der motorischen Hirnrinde sind für den Mund- und Kieferbereich zuständig. Der Kiefer als neurovegetatives System beeinflusst unser gesamtes Organsystem sowie auch die Statik.

Das Kiefergelenk wird vom Nervus Trigeminus versorgt. Dieser größte Hirnnerv besitzt als einziger Querverbindungen zu allen anderen elf Hirnnerven. Wird er stimuliert, werden alle anderen Hirnnerven ebenfalls informiert. Viele Nozirezeptoren (Schmerzfilter) sitzen im und um das Kiefergelenk herum, ebenso C-Fasern, die direkt ins limbische System (emotionales Gehirn) führen. Dadurch besitzt der Kiefer eine übergeordnete Rolle in der Schmerzwahrnehmung und -verarbeitung.

Gefühle wie Angst, Wut, Zorn, Widerwillen oder sexuelle Triebe unterdrücken wir oft, indem wir die Zähne aufeinanderbeißen. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen dem Kauen und dem Verdauungssystem. Auch der Gallenblasen- und der Dreifacherwärmermeridian befinden sich in unmittelbarer Nähe. Der Dreifacherwärmermeridian ist eine energetische Struktur, die eine enge Verbindung zu unserem Hormonsystem besitzt.

Durch unsere Erziehung haben wir gelernt, den Mund nicht offen zu halten. Das hat zur Folge, dass die Kiefermuskeln ununterbrochen arbeiten müssen. In unserer Gesellschaft wird ein offener Mund häufig mit einer fehlenden Handlungsbereitschaft assoziiert. Dabei kann er auch für Offenheit stehen oder ist ein typischer Ausdruck bei Menschen mit geistiger Behinderung, wobei ich diese Bezeichnung generell als hochgradige Diffamierung empfinde.

Der offene Mund kann folgende Emotionen ausdrücken

  • Überraschung
  • Erstaunen
  • Schrecken
  • Offenheit
  • Bereitwilligkeit
  • Entspannung
  • Abwesenheit
  • Sinnlichkeit

Der geschlossene Mund kann folgende Emotionen ausdrücken

  • Verschlossenheit
  • Verweigerung
  • Angst
  • Zurückhaltung
  • Aggression
  • Anspannung
  • Verspannung
  • Impulskontrolle

Generell möchte ich Ihnen noch folgenden engen Zusammenhang bewusst machen: Alle Muskeln des Gesichtes arbeiten eng zusammen. Dies hat zur Folge, dass Augen- und Mundmuskeln eine quasi symbiotische Verbindung führen. Oftmals sind die Ringmuskeln des Mundes reaktiv zu den Ringmuskeln des Auges. Das bedeutet, dass ein Entspannen der Augen nur möglich ist, wenn die Mundmuskeln entspannt sind. Dieser Zusammenhang ist extrem wichtig bei Patienten mit Fascialisparesen, aber auch bei Kindern mit Lese- Rechtschreib-Schwäche. Sind Kiefermuskeln und das Kiefergelenk in Dysbalance, kann dies mannigfaltige Symptome evozieren: Lernprobleme, Gleichgewichtsstörungen, emotionale Labilität, Erschöpfungssymptome, Gang- und Schrittstörungen und aggressives Verhalten. Das Kiefergelenk ist auch an zahlreichen Becken- und Wirbelsäulenbeschwerden beteiligt und sollte in jeder Behandlung mit einbezogen werden.

Symptome bei einer Dysbalance im Kieferbereich

  • nächtliches Zähneknirschen
  • Seitendifferenz bei Mundöffnung
  • Kiefergelenksknacken
  • Schmerzen im Kiefergelenk
  • Konzentrationsstörungen
  • Gleichgewichtsstörungen
  • Schwindel
  • Verspannungen im Schultergelenk
  • Hüftprobleme
  • Probleme im Lendenwirbelsäulenbereich
  • Migräne

Behandlung

Die Kiefergelenksmuskeln können z.B. mit einer Faszientechnik gelockert und befreit werden. Dies kann schmerzhaft sein, da in diesen Muskelgruppen viel emotionaler Stress abgespeichert sein kann. Deshalb empfiehlt sich dabei das Halten der neurovaskulären Punkte des Magens auf den Stirnbeinhöckern. Diese Unterstützung nimmt dem Schmerz die Spitze und die Behandlung wird für den Patienten angenehmer. Sämtliche Korrekturen werden bei geöffnetem und geschlossenem Mund ausgeführt. Bei der Behandlung des M. temporalis sollten zusätzlich Kaubewegungen während der Behandlung durchgeführt werden.

Weitere wichtige Zusammenhänge zwischen Kiefer und Organismus

• Alle Strukturen, die sich unterhalb des Zwerchfells befinden, werden vom Kiefergelenk beeinflusst. Kiefergelenkblockaden führen zu Schmerzen und Stauungen in der unteren Körperhälfte.

• Ein balanciertes Kiefergelenk fördert die gesunde Atemfunktion und das freie Schwingen des Zwerchfells.

• Schmerzkontrolle über das Zähne zusammenbeißen fördert Zwerchfellblockaden und führt dazu, dass Rücken- und Bauchmuskeln an Spannkraft verlieren.

• Die Schädelknochen besitzen engen Bezug zu den Beckenknochen.

• Kieferstrukturen beeinflussen das Hüftgelenk. Der M. masseter wirkt auf den gegenüberliegenden M. gluteus medius. Der M. temporalis beeinflusst den gegenüberliegenden M. quadratus lumborum. Der M. pterygoideus beeinflusst die M. adductoren der gegenüberliegenden Körperseite.

• Der Mundboden beeinflusst den Beckenboden. Dies indiziert die Behandlung von Inkontinenz zur Stärkung des Beckenbodens über den M. hyloideus.

• Das rechte Kiefergelenk verarbeitet überwiegend Emotionen.

• Das linke Kiefergelenk beeinflusst die Schmerzwahrnehmung.

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Fazit

Die sanften Techniken der Gesichtsreflexzonentherapie ermöglichen eine tief greifende Balance des gesamten Körper-Geist-Seele- Systems. In meiner täglichen Praxis erlebe ich die vielschichtigen Auswirkungen dieser Arbeit. Gerade Patienten mit einem Burnout- Syndrom profitieren von der Behandlung. Festgefahrene Gewohnheiten und Verhaltensmuster können sanft bewusst gemacht und in die Veränderung geführt werden. Auch Patienten mit Wirbelsäulen-, Schulter-Nacken- und Hüftbeschwerden profitieren von einer Entspannung des Kiefergelenks. Durch die während der Behandlung erlebte Tiefenentspannung werden Selbstheilungskräfte mobilisiert und innere Ressourcen aktiviert.

Stephan Heinz Stephan Heinz
Ergotherapeut, Heilpraktiker für Psychotherapie

StephanHeinz@gmx.de

Literaturempfehlungen:

  • Heinz, Stephan: Lehrbuch Gesichtsreflexzonentherapie, BOD Verlag
  • Heinz, Stephan: Kiefergelenksbalance in der Gesichtsreflexzonentherapie, BOD Verlag
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