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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 6/2015

Qigong im Alter

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Laut Analyse des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung1) liegt der „Altenquotient 65 (über 65-Jährige je 100 Personen von 15 bis 64 Jahren) in Deutschland heute bei 34,1, er wird auf 41 im Jahr 2025 und auf 56 bis 60 im Jahr 2050 ansteigen“. Das liegt zum Teil daran, dass die Lebenserwartung stetig steigt. Verbesserte Hygiene, Ernährung und medizinische Versorgung sollen dazu beigetragen haben.

Die Gesellschaft erlebt einen Wandel. Der Begriff für sich ist eigentlich positiv angehaucht, denn Wandel bedeutet Dynamik. Normalerweise assoziiert man Dynamik mit Entwicklung und esoterisch ausgedrückt mit Energiefluss. Doch gleichzeitig schießen Pflegeheime wie Pilze aus dem Boden, denn von Jahr zu Jahr wächst auch die Anzahl der pflegebedürftigen Menschen. Im Jahr 2013 wurden laut statistischem Bundesamt2) 13030 Pflegeheime registriert. Zum Vergleich: Im Jahr 2005 waren es 10424, also ca. 30% weniger. Die Verteilung der Krankheitsfälle ist bei Männern und Frauen ab 65 unterschiedlich3).

Bei weiblichen Personen sieht die Reihenfolge folgendermaßen aus:

  • Herzinsuffizienz
  • Fraktur des Femurs
  • Hirninfarkt
  • Gonarthrose
  • Angina pectoris

Bei männlichen Personen:

  • Herzinsuffizienz
  • Angina pectoris
  • Chronische ischämische Herzkrankheit
  • Bösartige Neubildung der Bronchien und der Lunge
  • Akuter Myokardinfarkt

Nach Aussagen derselben Quelle sind neben den offensichtlich dominierenden Herz- Kreislauferkrankungen die Probleme des Bewegungsapparates einer der häufigsten Ursachen des Krankenhausaufenthalts. Betrachten wir die Alterungsprozesse aus der Sicht der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM): Die Elementenlehre (bzw. die Lehre der Wandlungsphasen, Abb. 1) ist das Fundament der TCM. Sie stellt eine Beschreibung für einen Lebenszyklus dar. Alle wiederkehrenden Abläufe in der Natur, im menschlichen Körper und Leben unterliegen diesem Wandlungskreislauf.

Das Element Holz symbolisiert den Neuanfang, den Frühling, die Geburt. Bezogen auf die körperlichen Abläufe ist während dieser Zeit die Energie der Leitbahnen Leber-Gallenblase besonders aktiv.

Das Element Feuer ist der Höhepunkt der Entwicklung und entspricht dem Gedeihen, der Fruchtbarkeit, der Fülle der Säfte. Die Energien des Herzens, des Kreislaufs, des Dreifacherwärmers und des Dünndarms entfalten sich besonders stark während dieser Phase.

Das Element Erde ist die Reife. Was gesät wurde, kann geerntet werden. Der Energiefluss erreicht seinen stabilen Zustand. Die Kreisläufe des Magens und der Milz sind die Herrscher dieses Abschnitts.

Das Element Metall ist die Übergangsphase vom Yang- zum Yin-Zustand, von Aktivität zur Ruhe, vom Gedeihen zum Speichern. Die Lungen- und Dickdarmmeridiane entsprechen dieser Wandlungsphase.

Die tiefste Yin-Phase erreicht dieser Kreislauf im Element Wasser. Alles in der Natur lebt auf Sparflamme, stellt sich auf die Aufbewahrung der Ressourcen ein, um später die Grundlage für den Neubeginn zu liefern. Dieses Element ist für das Thema „Altern“ von besonderer Bedeutung.

Das Alter eines betagten Menschen entspricht dieser Wandlungsphase. Die Leitbahnen Niere/ Blase erfordern während dieser Zeit besonders viel Unterstützung, denn die Niere ist der Speicher für die vorgeburtliche Energie (Essenz), die im Verlauf des Lebens aufgebraucht wird. Diese wertvollen Energievorräte können nicht wirklich aufgefüllt werden, jedoch lässt sich der Energieverbrauch durch die TCM-Methoden, Akupunktur, Phytotherapie, Tuina oder Qigong verlangsamen. Hör- und Gedächtnisschwäche, brüchige Knochen, schwache Beine und Haarverlust sind die typischen Erscheinungen, die auf die Erschöpfung der Nieren-Essenz hindeuten4).

© designua - Fotolia.comDie Nieren-Energie beeinflusst viele Körperfunktion. Sie ist an der Blutbildung beteiligt, für die Funktionalität der Geschlechtsorgane verantwortlich und regiert den Wasserhaushalt im Körper. Nicht zuletzt unterstützt sie die Herzfunktion, denn sie ist der Gegenpol für die Feuer- Energie (s. Yin-/Yang-Zuordnung, Abb. 1). Einerseits, wenn diese Energie zu schwach ist, unterstützt sie nicht im benötigten Umfang das Herz-Qi, was eine ihrer Aufgabe ist. Das führt zu Antriebsschwäche und im schlimmsten Fall zu depressiven Zuständen. Anderseits, wenn sie durch den Nieren-Yin-Anteil nicht ausreichend gekühlt wird, nimmt das Feuer-Element überhand und es entstehen die Krankheiten des Herzens und des Perikards.

Qigong-Übungen werden an erster Stelle zu Präventionszwecken eingesetzt, wie auch bei chronisch-stabilen Zuständen zur Verbesserung der Lebensqualität. Im deutschen Raum wurde das Qigong bereits als begleitende Maßnahme zur konventionellen Therapie bei Krebs und MS genutzt. Auch im Alter stellt Qigong für die Betroffenen eine wertvolle Unterstützung bei vielen Problemen dar. Durch langsame Übungsabläufe ist diese Gymnastikform für ältere Menschen besonders gut geeignet und bewirkt eine Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit, Koordination, Atemvorgänge, Gehirnaktivitäten u.v.m.

Das Thema „Qigong im Alter“ begleitet mich seit dem Beginn meiner Tätigkeit als Qigong- Trainerin. Als unerfahrener Neuling auf diesem Gebiet versuchte ich mit Nachdruck, das Gelernte den Kursteilnehmern zu vermitteln und war hin und wieder frustriert über meine Misserfolge. Denn besonders ältere Menschen konnten einfach nicht die angebotenen Übungen „richtig“ ausführen. Einige hatten Koordinationsprobleme. Also funktionierte es mit den Ansagen „links/rechts“ nicht. Ziemlich viele litten an chronischen Schmerzen, ganz zu schweigen davon, dass das Üben im Stehen und die empfohlene Dauer von 1 bis 1,5 Stunden, was normalerweise bei der Ausbildung gelehrt wird, für betagte Menschen schlicht und einfach zu anstrengend ist.

Jetzt, wo ich einige Jahre lang die Teilnehmer meiner fortlaufenden Kurse betreuen durfte, kann ich zum Thema „Qigong im Alter“ auf Basis meiner praktischen Erfahrung einiges beitragen. Ein kurzes, einfaches und nach Aussagen der Teilnehmer effektives Programm für 30 bis 40 Minuten im Sitzen. Es besteht aus vier Teilen:

  • Einstimmung mit der Bauchatmung
  • Übungen für den Stützapparat mit der Beteiligung möglichst vieler Gelenke
  • Das besondere Augenmerk soll man auf die Erhaltung der Wirbelsäulenbeweglichkeit richten, denn sie ist unser Qi-Hauptversorgungskanal. Beim Üben aufpassen, dass die Übungseinheit nicht zur reinen Fitnessveranstaltung wird, deshalb werden die Übungen im (entspannten) Atemrhythmus durchgeführt
  • Stilles Qigong/Meditation und daoistische Selbstmassagen

Meiner Meinung nach sollte dieser Teil niemals fehlen, denn er ergänzt wunderbar als Yin- Anteil die Yang-Aktivitäten beim bewegten Qigong. Bei der Selbstmassage, wie auch bei der Programmgestaltung selbst, können die Wünsche und die Beschwerden der Teilnehmer berücksichtigt werden. Sie verwenden dann diese kleinen wohltuenden Übungen auch zu Hause.

Abschluss

Eine Übung aus der 8-Brokaten-Form: Energie sammeln, Bauchatmung. Wenn es möglich ist, üben wir diese 3-5 Minuten im Stehen, damit die Beteiligten sich die Qigong- Körperhaltung einprägen und sie in den Alltag integrieren können. Sie verleiht dem Körper Stabilität und hält die Wirbelsäule im entspannten Zustand.

Im Bildmaterial sind einige Übungen aus meiner Sequenz zu sehen, die Sie für Ihre Zwecke übernehmen können. Viel Erfolg und Spaß bei dieser dankbaren Arbeit!

Dr. Svitlana DontsovaDr. Svitlana Dontsova
Qigong-Expertin und -Lehrerin an der Paracelsus Schule Erfurt

svd_kontakt@email.de

2015 06 Qigong3  2015 06 Qigong2

Literatur

1) Lehr, Prof. Dr. Dr. h. c. Ursula: Alterung der Bevölkerung, Online-Handbuch

2) https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Gesundheit/Pflege/Tabellen/PflegeeinrichtungenDeutschland.html

3) Saß, A.-Ch., Wurm, S., Ziese, Th.: Alter = Krankheit? Gesundheitszustand und Gesundheitsentwicklung. Publikation des statistischen Bundesamtes/Gesundheit und Krankheit im Alter

4) Maciocia, G.: Grundlagen der Chinesischen Medizin. Elsevier Verlag, 2008 Sebkova-Thaller, Dr. Z.: Qigong bei Multipler Sklerose. Hernoul-le-Fin, 1999

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