aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 5/2017
Editorial
Steine im Glashaus
Liebe Leserin
Lieber Leser
Ich verstehe den Zorn der Kollegen (und unserer Patienten und Klienten) über die dreiste Arroganz eines selbsternannten „Münsteraner Kreises“, der – mit dem Knüppel des kausal nicht bewiesenen „ärztlichen“ Kunstfehlers eines Kollegen im vergangenen Jahr – auf den ganzen Berufsstand eindrischt und die Abschaffung der Heilpraktiker fordert. (Der Begriff „heilpraktischer Kunstfehler“ lässt sich übrigens im enzyklopädischen Wortschatz nicht finden.) Aufmerksame Leser haben entdeckt, dass in dem erlauchten Kreis von „Experten“ kein einziger praktizierender Arzt, kein Heilpraktiker und auch kein Vertreter der angeblich geschädigten Patienten zu finden ist.
Ich habe solche Angriffe schon so oft erlebt, dass ich mich nicht mehr aufrege, vielmehr – frei nach Franz Josef Strauß – entdecke ich die positiven Wirkungen negativer Propaganda. Wär´ viel schlimmer, es würde nicht über unsere Therapieverfahren nachgedacht und geredet. So aber erhalten wir Gelegenheit zur Standortbestimmung aus einem neuen Blickfeld.
Die Steine, die der Münsteraner Kreis nach uns wirft, geben Anlass, uns über die reale Gefährdung der Patienten in Deutschlands Gesundheitswesen zu informieren. Google hülfe auch den Münsteranern rasch zu Besinnung und Bescheidenheit. 190.000 Fälle von Ärztepfusch zählt die AOK in Deutschlands Krankenhäusern, mit 19.000 Toten und zigtausend gesundheitlich schwerst geschädigten Patienten. Dazu 15.000 im total laschen Meldesystem durchgesickerte MRSA-Todesfälle (Dunkelziffer eher 35.000 bis 40.000). Wir erfahren vom notorischen Wegschauen der Gesundheitspolitik und Ärztefunktionäre, wo es durchaus Möglichkeiten beherzten Durchgreifens gäbe, wie das z.B. unsere holländischen Nachbarn tun. Und wir entdecken viele bedrückende und skandalöse Fälle, wo sich im Internet die Opfer des hunderttausendfachen Pfuschs artikulieren, weil sie sich ansonsten nur still in ihr Schicksal fügen können. Jeder weiß doch, wohin es führt, sich gegen ein System zu stemmen, in dem Ärztepfusch durch ärztliche Gutachten weißgewaschen zu werden pflegt.
Es macht mir keine Freude, die Steine aufzuklauben und ins Glashaus zurückzuwerfen, wo wir doch in vielen Jahren Engagement für unseren geliebten Beruf mit der Mehrheit der praktisch tätigen Ärzte zu einem fruchtbaren Miteinander gefunden haben. Es basiert auf gegenseitigem Respekt, der Toleranz gegenüber der unterschiedlichen Aufgabenstellung und Auffassung über die Ursachen und Bedingungen von Krankheit und Heilung. Beide Berufe bemühen sich vorurteilsfrei und häufig gemeinsam um die beste Hilfestellung für die Patienten. Zerstören Sie nicht diese guten Ansätze mit unerträglicher und völlig unangebrachter Ignoranz und Hybris.
Mit freundlichen Grüßen
HP Eckhardt W. Mar tin, Herausgeber
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