aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 5/2017
Atmungstherapie in der Naturheilkunde
Atemwegserkrankungen können ganzheitlich und nebenwirkungsfrei behandelt werden
Schon am Anfang des Lebens wird das Bewusstsein des Neugeborenen in Bezug auf die Atmung beeinflusst: Natürlicherweise würde die Nabelschnur, die Verbindung zum Mutterleib und Lebenserhaltungssystem während der Schwangerschaft, noch 10-30 Minuten lang pulsieren. Dem Säugling könnte so ein sanfter Übergang zum selbstständigen Atmen ermöglicht werden. Doch wird diese Übergangszeit nach der Entbindung verkürzt und die Nabelschnur sofort durchtrennt. So betrachtet ist es kein Wunder, wenn Menschen später das Gefühl haben, nicht genug Zeit (oder Luft) zu haben. Ständig müssen sie sich beeilen, hetzen, kommen außer Atem. Das bedeutet, dass uns die Weise, wie wir geboren werden, vermittelt, wie wir unsere eigenen Rhythmen achten oder ignorieren.
Später in unserer schnelllebigen Zeit wird dem Kind beigebracht, dass es immer früher immer mehr lernen soll. Leistungsdruck entsteht. Beobachtungen haben gezeigt, dass diese Kinder häufig dazu neigen, hauptsächlich in den oberen Teil der Lunge zu atmen. Bei der Inspiration wölbt sich der Bauch nicht mehr nach außen, sondern zieht sich nach innen. Ein paradoxes Atemmuster, das die unteren Atemräume wenig einbezieht. Ilse Middendorf, Atemtherapeutin und Begründerin der Atemlehre „Der Erfahrbare Atem“, bezeichnet diese Menschen als „Hochatmer“. Bei Menschen mit Asthma bronchiale können wir diese Atembewegung häufig beobachten: „Aufgeblasen sein“. Druck verursacht Stress, und dieser schwächt das Immunsystem. Dadurch entsteht auch auf der psychischen Ebene die Grundlage für Atemwegserkrankungen.
Unser Atmungssystem
Wir haben in unserer Lunge ca. 300 Millionen Alveolen, die uns eine Gasaustauschfläche von ca. 140 m2 bieten. Das entspricht der Größe eines Tennisplatzes.
Ein gesunder Erwachsener atmet in Ruhe etwa 6 Liter Luft pro Minute, 400 Liter pro Stunde und 10000 Liter am Tag. In einem Jahr kommt er somit auf 3,5 Millionen Liter Atemvolumen.
Nicht jeder Mensch mit Luftnot benötigt Sauerstoff. Ist der Grund einer Atemnot z.B. die Erschöpfung der Atemmuskulatur, sog. Atempumpversagen, werden technische Hilfsmittel zur Therapie benötigt. Dabei kann die Sauerstoffsättigung im Blut anfangs noch normal sein. Erst später und ohne geeignete Therapie würde sie sinken. Diese Komplikation kann bei Patienten mit schweren Obstruktionen vorkommen. Ebenso besteht auch bei einer schweren Pneumonie die Gefahr des Atempumpversagens. Hier sehe ich die Grenzen der Behandlungsmöglichkeit in der Naturheilkunde.
Ein grundsätzlich wichtiger Aspekt sind zu trockene Atemwege. Richtig atmen heißt: Atmen durch die Nase. Die Nase reinigt nicht nur die Luft durch das Flimmerepithel, sie sorgt auch für Befeuchtung und Erwärmung. Sind die Luftwege zu trocken, führt dies zu Nasenbluten, das Sekret wird zäh, verklebt die Bronchien und kann nur schwer und unzureichend abgehustet werden. Dieses Problem wird häufig unterschätzt. Bei schweren Erkrankungen werden folglich einzelne Lungensegmente nicht mehr ausreichend belüftet. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal an die Gasaustauschfläche von der Größe eines Tennisplatzes erinnern, die wir benötigen, um unsere Körperzellen mit ausreichend Sauerstoff zu sättigen.
Dass Rauchen schädlich ist, ist allgemein bekannt. Und es lohnt sich tatsächlich immer, damit aufzuhören. Unabhängig davon, wie lange und wie viel jemand geraucht hat, wie alt der Raucher ist oder ob schon eine Lungenschädigung vorliegt: Im weiteren Verlauf gelangen die Menschen, die dann rauchfrei leben, zu deutlich mehr Lebensqualität und drastischer Minderung von gesundheitlichen Risiken als diejenigen, die weitermachen. Was sich allerdings nicht mehr komplett erholt, ist das Lungenparenchym (Gewebe). Bei Rauchern, die in einem Zeitraum von zehn Jahren eine Packung Zigaretten am Tag konsumiert haben, lässt sich dauerhaft eine Diffusionsstörung diagnostizieren. Und: Den Konsum reduzieren ist zu wenig. Nikotin-Abhängige müssen konsequent auf den blauen Dunst verzichten.
Fallbeispiel
Der 2-jährige Sascha, ein zierliches und ruhiges Kind, war eine Frühgeburt. Die Mutter kam mit ihm zu mir, weil er im Jahr zuvor an rezidivierenden Lungenentzündungen gelitten hatte. Diese waren vom Kinderarzt antibiotisch behandelt worden. Nach einer Impfung hatte er mit einer heftigen Infektion im Mund- und Rachenraum reagiert und musste daraufhin stationär behandelt werden, weil er wegen der Schmerzen im Mund Essen und Trinken verweigerte. Zusätzlich wurde bei ihm eine leichte Form der Glasknochen-Krankheit festgestellt: Zweimal schon war es zu einer Spontanfraktur des Oberschenkels gekommen. Eine familiäre Disposition in Bezug auf eine Lungenschwäche wurde vermutet, da Saschas ältere Schwester Asthma bronchiale hat.
Der Auftrag der Mutter: Vermeidung von weiteren Lungenentzündungen.
Wir begannen mit der Behandlung im Herbst. Sascha war zu dem Zeitpunkt frei von Infekten. Zur Stabilisierung seiner Konstitution und als Einleitung der weiteren Therapie verabreichte ich Silicea C200 als einmalige Gabe. Die Frühgeburt, sein körperliches Erscheinungsbild und die Zerbrechlichkeit seiner Knochen waren dafür eindeutige Hinweise. Zur Kräftigung der Lunge bekam er Solunat Nr. 15 (Pulmonik), für sein geschwächtes Immunsystem Solunat Nr. 3 (Azinat). Beide Mittel nahm er in niedriger Dosierung mit einem Stück Würfelzucker ein. Tagsüber erhielt er mehrfach etwas Cajeput-Öl vorne auf den Brustbereich seines Shirts, nachts wurde es auf das Kopfkissen gegeben. Dies half ihm dabei, gut durchatmen zu können. Die Therapie wurde über einen Zeitraum von sechs Wochen durchgeführt. Die Rückmeldung der Mutter im Frühjahr: Die ganze Familie hat im Winter gehustet. Nur Sascha war die ganze Zeit über gesund!
Häufig verwende ich zusätzlich zu den homöopathischen und spagyrischen Heilmitteln pflanzliche Urtinkturen, um die Wirkung zu verstärken. Die Wirkstoffe der Pflanzen Plantago lanceolate (Spitzwegerich), Hedera helix (Efeu), Sambucus nigra (Holunder), Thymus vulgaris (Thymian), Echinacea purpurea (Sonnenhut) und Glechoma hederacea (Gundelrebe) sind wirksame Heilmittel für die Atemwege. Auch an die Basistherapien Ausleitung, Darmsanierung, Aufbau und Rhythmisierung muss gedacht werden, je nach Beschwerdebild und vorhandener Lebensenergie.
Stelle ich bei der körperlichen Untersuchung Wirbelsäulenprobleme oder Bewegungseinschränkungen im Brustbereich (steifer Thorax) fest, arbeite ich mit Wärmeanwendungen und unterschiedlichen manuellen Therapien. Auch Einreibungen und Inhalationen mit aus der Aromatherapie bekannten ätherischen Ölen sind sehr wirksam und wohltuend. Ätherische Öle wirken unterschiedlich stark gegen Bakterien, Viren und Pilze. Einige der Öle können sogar bei resistenten Keimen effektiv eingesetzt werden. Je nachdem, um welchen Keim es sich handelt, reagiert dieser sensibel auf die Wirkstoffe, die u.a. in Thymian, Eukalyptus und Teebaum-Öl enthalten sind. Bei sehr hartnäckigen Infektionen lohnt es sich auf jeden Fall, eine zusätzliche Aromatherapie in Erwägung zu ziehen und die Wirksamkeit der Öle auf das jeweilige Keimspektrum zu testen.
Der Atem vermag nicht nur alle Körperzellen mit Sauerstoff zu versorgen und verbrauchte Luft in Form von Kohlendioxid abzugeben, er unterstützt uns ebenso auf anderen Ebenen. Einige bewusste Atemzüge können helfen, uns im Hier und Jetzt wahrzunehmen. Sie bringen uns in die tiefe Entspannung der Meditation oder unterstützen dabei, uns zu zentrieren. Durch den Atem fließt uns zu jeder Zeit eine wunderbare und kraftvolle Lebensenergie zu!
Carolina Spitzer
Heilpraktikerin, Praxis für Naturheilkunde in Bad Aibling
naturheilkunde.c.spitzer@gmx.de
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