Übersicht dieser Ausgabe    Alle Paracelsus Magazine

aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 6/2018

Recht in der Praxis

Cover

Eigenbluttherapie im Spannungsfeld des Transfusionsgesetzes

Viele Heilpraktiker arbeiten, teilweise schon Jahrzehnte lang, erfolgreich mit Eigenbluttherapie in ihrer Praxis. Bisher galt: Wer die Eigenbluttherapie anwenden wollte, musste das zuvor laut §67 AMG lediglich der zuständigen Gewerbeaufsicht („Arzneimittelüberwachung“) anzeigen und befand sich damit im rechtlich sicheren Bereich. Nun aber wurden in den vergangenen Monaten verschiedene Kollegen plötzlich mit dem „Transfusionsgesetz“ konfrontiert.

Manch einer mag sich nun fragen: „Was hat das ‚Transfusionsgesetz‘ (TFG) mit der Eigenbluttherapie in Heilpraktikerpraxen zu tun?“ Im Grunde genommen gar nichts. Bis Anfang letzten Jahres. Dann erklärte die AG AATB (Arbeitsgruppe Arzneimittel-, Apotheken-, Transfusions- und Betäubungsmittelwesen) ihre Zuständigkeit, nahm eine neue Auslegung des Transfusionsgesetzes (TFG) vor und stellte damit die Herstellung von Eigenblutprodukten unter Arztvorbehalt.

Der eigentliche Zweck des Transfusionsgesetzes

Das 1998 erlassene „Gesetz zur Regelung des Transfusionswesens“ sollte dem Blutspende -und Transfusionswesen eine gesetzliche Grundlage geben und den Umgang mit Blutspenden, insb. Fremdblutspenden, sicherer machen. Hintergrund der damals hitzigen politischen Debatte waren weltweit auftretende Infektionen durch HIV-kontaminierte Blutprodukte.

Der ursprüngliche Zweck des Gesetzes lautet:

§1 Zweck des Gesetzes

ist es, nach Maßgabe der nachfolgenden Vorschriften zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen von Menschen und zur Anwendung von Blutprodukten für eine sichere Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und für eine gesicherte und sichere Versorgung der Bevölkerung mit Blutprodukten zu sorgen und deshalb die Selbstversorgung* mit Blut und Plasma zu fördern.

Erklärtes Ziel der damaligen Bundesregierung war es, eine „größtmögliche Sicherheit für die Versorgung der Bevölkerung mit Blutprodukten zu erreichen“. Vor allen Dingen der Umgang mit Blutspenden in „Spendeneinrichtungen“, wie denen des Deutschen Roten Kreuzes, sollte einen sicheren Rahmen erhalten, um die potenziellen Gefahren, die von Fremdblutspenden ausgingen und ausgehen, abzuwehren.

Der Fokus des Gesetzes war und ist ein ganz anderer und zielte nicht darauf ab, die Eigenbluttherapie in Heilpraktikerpraxen (bei der lediglich geringe Mengen Blut entnommen und wieder reinjiziert werden) zu regeln.

Was gilt als Blutspende?

Im Sinne dieses Gesetzes „ist Spende, die einem Menschen entnommene Menge an Blut oder Blutbestandteilen, die Arzneimittel ist oder zur Herstellung von Arzneimitteln bestimmt ist“.

Damals wurde noch konkretisiert: „Zur Vereinfachung im Sprachgebrauch ist der Begriff Spende definiert. Gemeint ist das ‚Produkt‘, nicht der Entnahmevorgang. Die Definition der Spende umfasst die Vollblut-, Plasma- und Blutzellenspende. Sie erfasst außerdem auch Eigenblut. Der Umfang der zu entnehmenden Menge richtet sich nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft (vgl. Richtlinien der Bundesärztekammer). Die Spende muss entweder bereits Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes oder für die Herstellung von Arzneimitteln bestimmt sein. Blut z.B. zur Blutuntersuchung in der Arztpraxis oder zur Feststellung der Abstammung fällt nicht unter den Begriff ‚Spende‘. Als Blutbestandteile sind die Bestandteile des Blutes anzusehen, die für originäre Funktionen des Blutes bedeutsam sind, wie z.B. Blutzellen, Gerinnungsfaktoren, Albumin, Immunglobuline.“

„Sie erfasst auch Eigenblut“

Dies ist der Casus knacksus unseres Problems. Mit Eigenblut im Sinne des Gesetzes meinte der Gesetzgeber die „autologe Hämotherapie“ („auto“ griech. = „selbst“), bei welcher der Patient im Rahmen operativer Eingriffe seine eigenen Blutprodukte zurückerhält.

Unter dem Begriff „autologe Hämotherapie“ werden im Blutspende- und Transfusionswesen im Wesentlichen 3 Verfahren zusammengefasst:

  • die präoperative Eigenblutspende (EBS),
  • die unmittelbar präoperative normovolämische Hämodilution sowie
  • die intra- und postoperative Rückgewinnung autologen Blutes.

Ziel dieser Verfahren ist – festgelegt durch verschiedene Richtlinien – das Einsparen von Fremdbluttransfusionen und damit die Reduktion von Infektions- und Immunisierungsrisiken.

Der Gesetzgeber verfolgte also nicht die Absicht, die klassische Eigenbluttherapie oder ozonisierte Eigenbluttherapie, wie sie in ärztlichen- oder Heilpraktikerpraxen angewendet wird, zu regeln.

Auch ein Blick in die „Richtlinie zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten“ (Richtlinie Hämotherapie, aufgestellt gemäß §§12a und 18 Transfusionsgesetz) macht sofort deutlich: Die von Heilpraktikern durchgeführte Eigenbluttherapie ist nicht Gegenstand der Richtlinie und soll auch nicht durch diese Richtlinie berührt werden.

Und die AG AATB?

Sie hat, weit entfernt vom ursprünglichen Zweck des TFG, die gesetzlichen Grundlagen des Blutspende- und Transfusionswesens dem Heilpraktikerwesen übergestülpt.

Ergebnis: Mit Ausnahme von homöopathischen Eigenblutprodukten (definiert nach §4 Abs. 26 AMG) sollen Heilpraktiker keine Eigenbluttherapie mehr in ihrer Praxis anwenden.

Und das Transfusionsgesetz soll Anwendung finden auf:

  • homöopathische Arzneimittel, denen Eigenblut hinzugefügt wird
  • unverändert dem Patienten zurückgegebenes Eigenblut
  • mit Sauerstoff oder Ozon angereichertes Eigenblut

Vollendete Tatsachen

Damit ist das Kind erst einmal in den Brunnen gefallen. Sachverständige Heilpraktiker oder Vertreter der Heilpraktiker-Verbände wurden im Vorfeld von der AG AATB nicht zu Rate gezogen und müssen jetzt auf die Fehlauslegung des TFG reagieren.

Während derzeit Heilpraktiker-Verbände Kräfte bündeln und Anwälte Gutachten und Stellungnahmen verfassen, legt die AG AATB mit der „Auslegungshilfe für die Überwachung der erlaubnisfreien Herstellung von sterilen Arzneimitteln, insb. Parenteralia, durch Ärzte oder sonst zur Heilkunde befugte Personen gemäß §13 Abs. 2b Arzneimittelgesetz (AMG) – s. www.heilpraktikerverband.de – noch nach:

Demnach gilt: „Jeder Arzt/Heilpraktiker soll auf der Grundlage einer schriftlichen Risikobewertung unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben die für die individuelle Herstellung einschließlich deren Umgebungsbedingungen angemessenen Bedingungen zur Qualitätssicherung festlegen, anwenden und darüber die erforderlichen Nachweise führen.“

Unter Punkt 3.8.4. des Regelwerks „Verwendung von Blut und Blutprodukten“ betont die AG AATP den vermeintlichen Arztvorbehalt und erkennt den Heilpraktikern die Verwendung von Blut und Blutprodukten ab.

Keine eindeutige Rechtslage: Aktenzeichen: 5 K 579/18

Dann das erste Urteil: Am 17.09.2018 erlässt das Verwaltungsgericht Münster (Der VUH berichtete darüber in seinem Newsletter 11/2018) ein Urteil zu einem Bescheid der Bezirksregierung Münster vom 22.03.2018, mit dem der klagenden Heilpraktikerin die Entnahme von Blut zur Herstellung von nicht homöopathischen Eigenblutprodukten untersagt wurde: „Das Gericht begründet in erster Instanz die Anwendbarkeit des Transfusionsgesetzes-TFG (www.gesetze-im-internet.de) und damit des Arztvorbehaltes in §7 Abs. 2 TFG außerhalb von homöopathischen Eigenblutprodukten (§28 TFG). Ohne sich damit auseinanderzusetzen, geht die Kammer davon aus, dass die Entnahme von Eigenblut in Praxen eine Blutspende sei und damit der Anwendungsbereich des TFG eröffnet ist.“

Konsequenzen & rechtliche Schritte

Das Urteil ist nicht rechtskräftig und wird in Berufung gehen. Wir haben von unserem Fachanwalt Dr. Frank Stebner die Rechtslage einschätzen lassen und stellen Mitgliedern,
die Auseinandersetzungen mit den Behörden haben, eine Stellungnahme zu „Eigenblutbehandlungen von Heilpraktikern außerhalb von homöopathischen Eigenblutprodukten“ zur Verfügung.

Nach dieser Einschätzung ist das Transfusionsgesetz nicht auf die Eigenbluttherapie in Heilpraktikerpraxen anwendbar. Dennoch ist die gegenwärtige Rechtslage schwierig, da unüberlegtes Handeln zu einer Verkomplizierung des gesamten Prozesses führen kann.

Wir möchten Sie bitten, sich bei Auseinandersetzungen unbedingt an unseren Verband zu wenden, damit wir Sie mit Hintergrundwissen und Tatkraft unterstützen können.

* Heute: „die Selbstversorgung mit Blut und Plasma auf der Basis der freiwilligen und unentgeltlichen Blutspende zu fördern“.

Sonja KohnSonja Kohn
Heilpraktikerin, freie Redakteurin, Dozentin an den Paracelsus Schulen

kontakt@naturheilpraxis-kohn.de

Foto: © Oakozhan / fotolia.com

zurück zur Übersicht dieser Ausgabe
Paracelsus SchulenWir beraten Sie gerne
Hier geht's zur Paracelsus Schule Ihrer Wahl.
Menü