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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 6/2018

Unsere Heilpflanze – Saat-Hafer – Avena sativa

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Auch bekannt als: Fahnenhafer, Gemeiner Hafer, Rispenhafer, Biven/Biwen, Evena/Evina, Flöder, Habaro/Haberr/Habir, Habbern/Haberen/Hafern/Haffern, Haber, Haffer, Haowr‘r, Havern, Hawer/Hawerkorn, Heberin/Hebrein Brod, Huever, Hyllmann, Koorn, Avena cinera, A. dispermis, A. flava, A. orientalis, Echter Hafer, Mittelmeerhafer

Saat-Hafer bzw. Echter Hafer (Avena sativa) gehört zur Gattung Hafer (Avena) innerhalb der Familie der Süßgräser (Poaceae) und wird als Getreide verwendet. Die Wildform (Avena fatua, Flughafer) stammt ursprünglich aus den Mittelmeergebieten, Nordafrika und Äthiopien und war eher ein unerwünschter Begleiter anderer Getreidearten (Weizen, Gerste).

Die frühesten Funde machte man in bronzezeitlichen Pfahlbauten im Gebiet der heutigen Schweiz. Die ersten Belege für eine Nutzung in Mitteleuropa stammen aus der Zeit um 2400 v. Chr. Dass die Kulturform von den Germanen sehr geschätzt wurde, kam auch darin zum Ausdruck, dass er in deutschen Familiennamen vorkommt (z.B. Haferkamp). Hafer hatte einen hohen Stellenwert, der erst durch die Einführung der Kartoffel verloren ging. Immerhin war er bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts nach Roggen die wichtigste Getreideart. Der heute noch angebaute Hafer geht zum überwiegenden Teil in die Tierfütterung. Allerdings steigt seine Bedeutung für die menschliche Ernährung durch veränderte Konsumgewohnheiten stark (Haferflocken). Interessant ist, dass viele Getreideschädlinge sich in ihm nicht vermehren können, was dazu führte, dass er auch als „Gesundungsfrucht“ bezeichnet wird.

Über die Herkunft des Namens existieren nur Mutmaßungen. Nach den Gebrüdern Grimm (Deutsches Wörterbuch) soll er etwas mit Böcken oder Schafen zu tun haben.

Aufgrund der vielfältigen Anwendungen und Wirkungen wurde der Saat-Hafer von einer Arbeitsgruppe der Universität Würzburg zur Arzneipflanze des Jahres 2017 gewählt.

Woran erkennt man Saat-Hafer?

Saat-Hafer ist eine einjährige krautige Pflanze, die zwischen 0,6 und 1,5 m hoch wird. Es handelt sich um ein Rispengras mit einer 15-30 cm langen, allseits wendigen Rispe, die z.T. wieder verzweigte und sich nach unten neigende Rispen trägt. An der Spitze der Ährchen befinden sich 2-3 Blüten, von denen meist nur 2 fruchtbar sind. Die Pflanze gehört zu den Selbstbestäubern. Die Blüten öffnen sich erst nachmittags, bei zu geringer Feuchtigkeit sogar erst nach 18 Uhr.

Hafer ist eine Sommerfrucht und stellt geringe Ansprüche an den Boden, jedoch benötigt er ausreichend Niederschläge. Wie alle Getreidearten richten sich Halme, die aufgrund von Sturm usw. darniederliegen, aufgrund ihres unterseits stärkeren Wachstums wieder auf.

Wie wirkt Saat-Hafer?

In der Therapie von Diabetes ist ein verzögerter Anstieg des Blutzuckerspiegels von Bedeutung, weil dann die Insulinausschüttung wesentlich geringer ist. Daher sollten kohlenhydrathaltige Lebensmittel mit einem niedrigen glykämischen Index und v.a. Vollkornprodukte, wie z.B. Haferflocken oder Haferspeisekleie, verwendet werden. In der Diabetes-Ernährungstherapie werden z.T. „Hafertage“ zwischengeschaltet. Während dieser 2-3 Tage wird eine haferbetonte Kost eingehalten. Eine einfache Methode zur Senkung der Blutzuckerwerte, Verringerung der Insulinresistenz und somit Erhöhung der Insulinsensitivität. Wissenschaftliche Studien und Erfahrungen aus der Praxis bestätigen die Verringerung der Insulinzufuhr nach diesen „Hafertagen“.

Daneben sind in allen Getreidearten, auch im Saat-Hafer, Beta-Glucane enthalten (z.B. Zellulose und Lichenin). Diese Stoffe stellen ernährungsphysiologische Schlüsselsubstanzen dar, kommen aber nur in den äußeren Schichten des Korns vor. Immerhin machen die Beta-Glucane über die Hälfte des Ballaststoffgehalts des Hafers aus: Von 5,6 in 100 g Haferflocken sind 4,5 g Beta-Glucane. Sie haben eine Reihe von physiologischen Wirkungen auf den Verdauungstrakt und den Stoffwechsel. Hier ist nicht nur die Senkung des Blutzuckerspiegels zu nennen, auch die Bindung von Gallensäuren ist wichtig. Diese werden ausgeschieden und müssen vom Organismus neu hergestellt werden, was zur Senkung des Cholesterinspiegels führt. Wissenschaftliche Studien kommen zu dem Schluss, dass ein hoher Verzehr an Ballaststoffen u.a. das Risiko für Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen und koronare Herzkrankheit verringern kann.

Im Verdauungstrakt kann die viskose Substanz aus löslichen Ballaststoffen (Haferschleim) einen empfindlichen Magen beruhigen und die Darmwand schützen. Nicht zuletzt ist Hafer ein beliebtes Lebensmittel für die Ernährung von Säuglingen und Kleinkindern, da er leicht bekömmlich ist und seine Fette und Proteine gut verdaulich sind. Nicht umsonst wird Hafer neben Hirse als das Getreide mit dem höchsten ernährungsphysiologischen Wert angesehen.

In der Naturheilkunde werden noch das grüne Haferkraut und Haferstroh verwendet. Haferstrohbäder sollen bei Hautverletzungen helfen und Juckreiz stillen. Aus dem Haferkraut wird ein Tee bereitet, der bei Einschlafstörungen, Harngrieß und rheumatischen Erkrankungen angewendet wird. Etliche Medikamente gegen nervöse Unruhe enthalten u.a. Haferextrakte.

Anwendungsgebiete

  • Nervöse Erschöpfung, Nervenschwäche
  • Durchspültherapie
  • Rheuma, Gicht
  • Entzündliche, juckende, seborrhoische Hauterkrankungen (Haferstroh)
  • Schlafstörungen
  • Frostbeulen
  • Augenleiden
  • Unterleibsschwäche bei Frauen
  • Blasenleiden
  • Stoffwechselerkrankungen

Welche Wirkstoffe sind im Saat-Hafer enthalten?

Phytosterine, Alkaloide, Avenanthramide (sekundäre Pflanzenstoffe), Steroidsaponine (Avenacoside A und B), Kieselsäure und Linolsäure. Von allen üblichen Getreidearten hat er den höchsten Mineralstoff- und Fettgehalt. Der hohe Eisengehalt ist zwar vergleichbar mit vielen Fleischsorten, der Verwertungsgrad liegt aber nur bei 3-8% (bei Fleisch sind es bis zu 35%).

Lichenin (Flechtenstärke, Moosstärke)

Lichenin ist ein wasserlöslicher Ballaststoff und ergibt beim Aufkochen in Wasser eine kolloidale Lösung, weshalb man Lichenin zu den Schleimstoffen zählt.

 

Welche Teile der Pflanze werden medizinisch verwendet?

  • die kurz vor der Vollblüte geernteten, grünen und schnell getrockneten oberirdischen Teile des Hafers (Haferkraut, Avenae herba)
  • das Haferstroh (Avenae stramentum, getrocknete, gedroschene Laubblätter und Stängel von Avenae sativa)
  • die reifen, getrockneten Haferfrüchte (Avenae fructus)

Anwendungen

Haferkraut wird in Form von Tee oder anderen Zubereitungsformen angewendet. Im Handel ist Grüner Hafertee z.B. in einer Mischung mit Brennnesselkraut, Himbeerblättern und Frauenmantelkraut erhältlich.

Für reinen Hafertee verwendet man etwa 3 g fein geschnittenes Haferkraut, das mit einer Tasse kochendem Wasser übergossen wird. Nach dem Erkalten abseihen.

Haferstroh wird meist in Form von Badezusätzen genutzt. Dazu werden etwa 100 g auf ein Vollbad gegeben.

Dr. rer. nat. Frank HerfurthDr. rer. nat. Frank Herfurth
Heilpraktiker, Lebensmittelchemiker, Dozent an den Paracelsus Schulen

fh@herfurth.org

Fotos: © LFRabanedo / fotolia.com, © womue / fotolia.com

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