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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 6/2018

Epigenetik

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Warum die Gene nicht unser Schicksal sind

Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und weitere chronisch-degenerative Leiden werden durch eine Reihe von Lebensstilfaktoren mitbestimmt. Hier kommt die Epigenetik ins Spiel, die für die Genregulation verantwortlich ist. So ist speziell der nutritive Einfluss von zentraler Bedeutung für das An- und Abschalten von Genen. Bioaktive Pflanzeninhaltsstoffe, die in Wechselwirkung mit der DNA treten und zudem antiinflammatorisch und antioxidativ wirken, sind daher von besonderem Interesse. Für den Praxisalltag gilt es hinsichtlich der Dosierung und Kombination in der Anwendung einiges zu beachten.

Die Krebsinzidenz wird ansteigen

Der Mensch ist, was er aus sich bzw. die Umwelt aus ihm macht – so könnte man den Konsens der Epigenetik beschreiben, jener Wissenschaft, die sich mit (flexiblen) Veränderungen unseres Erbgutes durch äußere Einflüsse befasst. Während man noch vor wenigen Jahren davon ausging, dass unsere Gene durch Mutter und Vater „festgeschrieben“ seien, zeigt uns die molekularbiologische Forschung, dass die Abschriften der vorgegebenen Erbinhalte durch Ernährung, psychische Belastungen, Gifte und Stress stark beeinflusst werden. Diese Genregulation erfolgt durch bestimmte „Schalter“ am Erbgut, die unsere Gene aktiv oder stumm schalten. Grundlegend sind von den etwa 23000 Genen, die in jeder unserer Körperzellen sitzen, nur etwa 10% aktiv. Die durch äußere Faktoren bedingten epigenetischen Schalter spielen eine große Rolle für Gesundheit und Krankheit. Durch geeignete Maßnahmen kann man Einfluss auf die Aktivierung „guter“ Gene und die Stilllegung „schlechter“ Gene nehmen.

Krebserkrankungen werden in den nächsten Jahrzehnten deutlich zunehmen und zur Todesursache Nummer 1 werden, so der jüngste Bericht der WHO. Diesbezüglich sind die Erkenntnisse der Epigenetik, besonders hinsichtlich Ernährung, von besonderer Bedeutung. Aus molekularbiologischen Forschungen ist bekannt, dass Ernährungs-Stimuli einen wesentlichen Einfluss auf das An- und Abschalten von Gensequenzen haben können, indem sie die Regulation der DNA- und Histonmodifikationen beeinflussen. So ist die Ernährung über diese epigenetischen Mechanismen in entscheidendem Maß z.B. an der Reaktivierung von Tumorsuppressorgenen, der Apoptose von Tumorzellen sowie der Suppression von Onkogenen mitbeteiligt. Der Ernährung kommt somit erneut ein hoher Stellenwert zu, der von erheblicher Bedeutung in Bezug auf die Genexpression und die Krankheitsprävention sein kann.

Nutrigenomics – Unsere Nahrung „spricht“ mit den Genen

Schätzungen zufolge sind mindestens 40% aller Krebserkrankungen ernährungsbedingt. Hierbei sind epigenetisch bedingte Veränderungen, z.B. das Anfügen von funktionellen Gruppen (v.a. Methylgruppen), relevant. Durch das Anhängen solcher Strukturen an die DNA können wichtige Gensequenzen nicht mehr abgelesen werden. In Folge werden die entsprechenden Proteine nicht hergestellt. Davon können u.a. Immunbotenstoffe, Signalstoffe ebenso wie Tumorsuppressorgene betroffen sein, die im Rahmen der Tumorüberwachung sehr wichtig sind.

Die zugeführte Nahrung kann z.B. grundlegend dazu beitragen, die an der DNA platzierten funktionellen Gruppen zu entfernen und dadurch die Ablesbarkeit des zuvor verschlossenen Gens zu ermöglichen. Werden dadurch die Informationen von Onkogenen frei, steigt das Risiko, an Krebs zu erkranken, an. Insofern findet diese Fehlmethylierung gerade bei Krebserkrankungen in der Forschung zunehmend Beachtung, wobei man bei Krebserkrankungen weitaus häufiger von einer Hypermethylierung ausgeht.

Die Enzyme, die für die Anheftung der Methylgruppen an die DNA zuständig sind, heißen DNA-Methyltransferasen (DNMT). Insofern sind Naturstoffe von Interesse, die zu einer Hemmung der DNMT und einer Normalisierung der DNA-Strukturveränderungen beitragen können.

Ein weiterer „Schalter“, der im Rahmen der Epigenetik eine Rolle spielt, ist die Modifizierung der Histone. Diese Eiweiße sind ebenfalls ein wichtiger Teil unseres Erbgutes. Auch dort können chemische Gruppen (z.B. Acetylgruppen) andocken. In diesem Fall sorgen diese dafür, dass Gene aktiv bleiben und nicht abgeschaltet werden. Bei Krebszellen sind die Acetylgruppen an den Histonen häufig dezimiert, wodurch das Risiko für das Aktivschalten von „Schadgenen“ ansteigt.

Die Enzyme, welche die Gruppen von der DNA entfernen, heißen Histondeacetylasen (HDAC). In der Forschung konzentriert man sich auf Naturstoffe, welche die HDAC hemmen, um der Ablesbarkeit von Genen mit negativer Information (z.B. Onkogene) entgegenwirken zu können. In diesem Zusammenhang kommt den sekundären Pflanzeninhaltsstoffen aus bestimmten Früchten (Superfoods), Gemüsesorten und Gewürzpflanzen eine wesentliche Bedeutung zu. Hierbei sind v.a. bioaktive Pflanzeninhaltsstoffe, wie Polyphenole, interessant, die gleichzeitig antioxidativ und antiinflammatorisch wirken. Aber auch Glucosinolate und Diallylsulfide können hier eine krebspräventive Wirkung entfalten.

Lebensmittel mit potenzieller Schutzwirkung auf die Gene sind u.a.:

  • Polyphenole (Phenolsäuren und Flavonoide)
  • Gingerole (Ingwer), Kurkumin (Gelbwurz), Resveratrol (Rebstock), Beerenfrüchte (v.a. Acai- und Gojibeeren), Flavonoide (z.B. Papaya)
  • Glucosinolate:
    Kohl, Brokkoli, Kohlrabi, Kresse
  • Diallylsulfide:
    Knoblauch, Zwiebeln, Schnittlauch
  • Terpene:
    Heidelbeeren, Zitrusfrüchte, Weintrauben

Obst und Gemüse sind nicht gleich Obst und Gemüse

„Du bist, was Du isst“ – diese Aussage des deutschen Philosophen Ludwig Feuerbach (1804-1872) hat durch die neuen Erkenntnisse der ernährungsmedizinischen Forschung Bestätigung erfahren. In der Tat gibt es Hinweise auf direkte Einflüsse von Lebensmitteln bzw. Lebensmittelinhaltsstoffen, die für die DNA- und Histonmodifikationen i.S. einer krebspräventiven Wirkung relevant sein können. Hier sind v.a. bestimmte Polyphenolstrukturen angesprochen, die in sehr hoher Konzentration in bestimmten Beerenfrüchten (wie Acai-/Gojibeeren) oder in Gewürzpflanzen (wie Ingwer, Gelbwurz) vorkommen. Die Gojibeere z.B. verfügt über 4000% mehr Polyphenole als dieselbe Menge Orangen.

Das Polyphenol Resveratrol kann sowohl aus dem Rebstock als auch aus dem Chinesischen Knöterich gewonnen werden. Es nimmt Einfluss auf die Aktivität der Sirtuine, die ihrerseits den Zellzyklus und die Reparaturfähigkeit der DNA positiv beeinflussen. Weiterhin spielen im Zuge von Krebserkrankungen Entzündungsvorgänge eine erhebliche Rolle. Diese werden u.a. durch Transkriptionsfaktoren wie NF-kappa B oder STAT-3 getriggert. Die Aktivität dieser Proteine hat Einfluss auf die Apoptose und die Angiogenese von Tumorzellen. Derzeit werden Resveratrol, aber auch Kurkumin und OPC intensiv auf ihre potenziell antikanzerogenen Eigenschaften hin erforscht. Die Anti-Krebs-Mechanismen der Polyphenole, insb. die Hemmung der tumorinduzierten Neovaskularisation, werden inzwischen auch in Humanstudien untersucht.

Bei Resveratrol sind Pharmakologie und Dosisfindung von zentraler Bedeutung. Es wird im menschlichen Organismus rasch metabolisiert und in Sulfat- und Glucuronidkonjugate überführt. Dahingehend geprüft wurden Dosierungen zwischen 0,5 und 5,0 mg/Tag, die als probat bei mehrwöchiger bzw. längerfristiger Anwendung gelten. Höhere Dosen von 25 mg (oder mehr) werden in aktuellen Fachpublikationen seitens der Forschungsgruppen allenfalls als Einmalgabe, keinesfalls zur längerfristigen Anwendung empfohlen. Unter hochdosierten Einzelgaben sind mögliche negative Effekte (z.B. prooxidative Wirkung) nicht auszuschließen.

Daher ist auch die Anwendung von Resveratrol im natürlichen Verband mit anderen antioxidanzienreichen Pflanzenextrakten (z.B. Beeren- und Gemüseextrakte, wie in „plantazym“, Apotheke kombiniert vorhanden) zu bevorzugen. Hochdosierte Nahrungsergänzungsmittel mit reinem Resveratrol (Monosubstanz) beinhalten meistens das preiswertere Knöterich-Resveratrol. Hier ist zu beachten, dass Resveratrol, das aus dem Chinesischen Knöterich gewonnen wird, leberbelastende Begleitsubstanzen enthalten kann. Der aus dem Rebstock gewonnene Wirkstoff ist zwar teurer, gilt aber als hochwertiger und besser verträglich.

Im Rahmen subklinischer Inflammationen, die bei Krebserkrankungen auch immer beteiligt sind, sind nicht zuletzt pflanzliche Enzyme, wie z.B. Bromelain oder Papain, von Interesse, da diese die Selbstheilungskräfte des Organismus unterstützen können. Empfehlenswert ist es, einen Aktivkomplex anzuwenden (z.B. „plantazym“, Apotheke), der aus den genannten Beerenfruchtextrakten, Resveratrol aus dem Rebstock, Kurkumin (starker Wirksynergismus), Gemüseextrakten und pflanzlichen Enzymen besteht.

Fazit

Einer Kost, die reich an bioaktiven Pflanzeninhaltsstoffen ist, wird ein hohes krebspräventives und antientzündliches Potenzial eingeräumt. Die Vielfalt besitzt hier Priorität vor der verzehrten Menge. Beeren- und andere Früchte, die diesbezüglich vorrangig i.S. von „Superfood“ (v.a. Goji- und Acaibeeren) zu nennen wären, sind hierzulande kaum verfügbar, sodass die Zufuhr über geeignete Nahrungsergänzungsmittel in Erwägung zu ziehen ist. Diese sollten allerdings polyphenolhaltige Gemüsesorten(-extrakte) sowie Gewürzpolyphenole (z.B. Kurkumin aus Gelbwurz, Gingerole aus Ingwer) enthalten. Hier ist nicht nur von einer synergistischen Wirkung der bioaktiven Pflanzeninhaltsstoffe auszugehen, sondern auch von einer optimalen antioxidativen Wirkung unter weitgehender Vermeidung prooxidativer Effekte.

Prof. Dr. rer. nat. Michaela DöllProf. Dr. rer. nat. Michaela Döll
Dipl.-Biologin mit mehrjähriger Forschungserfahrung, Expertin für Lebensmittelchemie und Ernährungsmedizin, Buchautorin
mail@prof.drmdoell.de

Buch-Tipp
Prof. Dr. Michaela Döll:
Gute Gene sind kein Zufall. Mit Epigentik das eigene Erbgut otimieren.
Südwest Verlag

Fotos: © vchalup / fotolia.com, nadisja / fotolia.com

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