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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 2/2023

Vergiftung bei Ziegen erkennen und behandeln

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Oje, was ist denn nun los? Gerade war noch alles gut bei den Ziegen, und nun? Speicheln, Erbrechen, Durchfall, Zittern, Stöhnen. Was denn noch alles? Plötzlich auftretende Krankheitsanzeichen und Verhaltensänderungen können auf eine akute Vergiftung hindeuten. Nun ist zügiges Handeln gefragt, denn Intoxikationen können schnell tödlich enden. Auch wenn Vergiftungen bei den kleinen Wiederkäuern eher selten vorkommen, ist es ratsam, zu wissen, wie sie sich zeigen können. Denn Zeit ist im Fall der Fälle Ihr größter Feind.

Intoxikation

Gifte gelangen nicht nur über das verfügbare Fressen in den Körper, sie können auch eingeatmet oder über die Haut/Schleimhäute aufgenommen werden. Nicht zuletzt entstehen sie im Rahmen des (patho-)physiologischen Stoffwechsels.

Das körpereigene Entgiftungssystem mit der Leber als Hauptzentrale ist in der Lage, ein gewisses Maß an Schadstoffen abzubauen und so umzuwandeln, dass sie schnell ausgeschieden werden können. Ein weiterer Teil kann in Organen und Geweben festgesetzt und „zwischengelagert“ werden. Erst wenn zu viele oder stark toxisch wirkende Giftstoffe vorhanden sind und der Organismus bereits in seiner Stoffwechselleistung geschwächt ist, werden diese zum Gesundheitsrisiko.

Über den Verdauungstrakt aufgenommene oder dort entstandene Toxine schädigen im ersten Schritt die Darmschleimhaut mitsamt Darmflora. Es kommt zu Gärungs- und Fäulnisprozessen im Darm, eine Vermehrung gesundheitsschädlicher Bakterien und weitere Toxine sind die Folge. Giftstoffe und Mikroorganismen können aufgrund der geschädigten Darmschleimhaut leichter in den Blutkreislauf gelangen. Bleibt die Vergiftung unerkannt oder unbehandelt, werden im weiteren Verlauf Organe und Immunsystem stark beeinträchtigt, mit teils schwerwiegenden Folgen.

Einflussfaktoren

Jedes Tier reagiert individuell sehr unterschiedlich auf Toxine. Daneben sind Gesundheitszustand und Alter als Risikofaktoren entscheidend. Jungtiere sowie ältere und geschwächte Tiere verkraften Giftstoffe weniger gut als gesunde und kräftige Tiere. Lämmer sind besonders gefährdet, da sie giftige Substanzen auch über die Muttermilch aufnehmen. Konzentrationen, die ihre Mütter ohne größere Nebenwirkungen vertragen, können die Zicklein bereits enorm schädigen.

Natürlich hat auch die in den Körper gelangte Menge eines Giftstoffes großen Einfluss auf den Verlauf. Je nach Toxizität der Substanz reichen mitunter schon winzige Mengen aus, um Vergiftungserscheinungen hervorzurufen (Paracelsus: „Die Dosis macht das Gift“).

Schließlich ist das Entwicklungsstadium gefressener Pflanzen ausschlaggebend. Deren einzelne Teile können unterschiedliche Mengen giftiger Wirkstoffe beinhalten, sodass die Gefahr von Vergiftungen auch abhängig von der Jahreszeit sein kann.

Gefahrenquellen im Außenbereich

Bei ausreichendem Futterangebot und guter Mineralstoffversorgung meiden die Tiere normalerweise giftige Pflanzen – schon allein deshalb, weil die meisten aufgrund ihrer Inhaltstoffe einen scharfen oder bitteren Geschmack haben und somit ungern gefressen werden. Allerdings fehlt gerade unerfahrenen Jungtieren dieses natürliche Verhalten, weswegen sie häufig Gefahr laufen, sich zu vergiften. Vor allem im Herbst und Winter, wenn das Nahrungsangebot auf den Weideflächen magerer wird, erscheinen immergrüne Pflanzen (z.B. Rhododendren, Kirschlorbeer) allgemein sehr verlockend.

Neben Pflanzen und Pilzen können auch Gase, Aerosole, Chemikalien, Schwermetalle und Medikamente toxisch wirken. In diesem Zusammenhang stellt die Behandlung der Weideflächen mit Dünge- oder Pflanzenschutzmitteln eine enorme Risikoquelle dar. Ebenso können Mittel zur Bekämpfung von Ektoparasiten oder blutsaugenden Insekten bei unsachgemäßer Anwendung/Aufnahme größerer Mengen toxisch wirken. Selbst lebensnotwendige Mineralien und Spurenelemente wie Kupfer, Zink und Natriumchlorid können fehldosiert zu Vergiftungen führen. Schließlich sind viele für den menschlichen Verzehr geeignete Lebensmittel für Tiere giftig (z.B. Zitrusfrüchte oder Schokolade). Insofern ist auch das gut gemeinte Füttern der Ziegen durch Spaziergänger gefährlich, wenn diese nicht wissen, was sie füttern dürfen und was nicht.

Gefahrenquellen im Stall

Risiken lauern auch im Stall. Im Heu enthaltene Giftpflanzen sind für die Tiere meist nur schwer zu identifizieren und zu selektieren. Zwar werden einige Inhaltsstoffe, z.B. Glykoside und Gerbstoffe, durch die Trocknung der Pflanzen häufig abgebaut, dies gilt aber nicht für Alkaloide. Weiter kann eine falsche Lagerung der Futtermittel Gesundheitsschäden nach sich ziehen, sofern die Möglichkeit der Kontamination durch Pilze, Nager, Insekten oder Vögel gegeben ist.

Vor allem sekundäre Stoffwechselprodukte von Pilzen (Mykotoxine) sind gefährlich. Sie können Grünfutter und Getreide sowohl bereits während der Ernte als auch später bei der Trocknung, beim Transport oder bei der Lagerung verunreinigen. Diesbezüglich ist es wichtig, zu wissen, dass Ziegen aufgrund ihrer anders zusammengesetzten Pansenmikrobiotika sehr empfindlich gegenüber Pilzvergiftungen (Mykotoxikose) sind. Da weniger Mykotoxine abgebaut werden, gelangt eine weitaus höhere Menge davon in den Dünndarm der Tiere, wo sie massiven Schaden anrichten. Teilweise sind die entstandenen Abbauprodukte (Metabolite) sogar noch toxischer als der ursprüngliche Giftstoff selbst.

Eine unzureichende Stallhygiene kann ebenfalls zum Gesundheitsrisiko werden, da der im Urin der Tiere enthaltene Ammoniak giftig ist. Wird das Gas über einen längeren Zeitraum eingeatmet, schädigt es die Atemwege und kann im Extremfall zu Bewusstlosigkeit führen. Eine Ammoniakexposition ist ebenso über mit Urin verunreinigtes Futter möglich.

Selbst bei der Einrichtung des Stalls ist Vorsicht geboten. Vor allem Ziegen knabbern oder lecken an den im Stall befindlichen Gegenständen, weswegen auf eine ungiftige Oberflächenbehandlung geachtet werden muss. Eine Schwermetallvergiftung kann durch bleihaltige Wasserleitungen oder Wassertröge aus Zink hervorgerufen werden. Schwermetalle führen meist zu chronischen Vergiftungen mit zum Teil hochakuten Phasen, da sie nur langsam oder gar nicht vom Körper ausgeschieden werden können und daher im Organismus akkumulieren.

Symptomvielfalt

Die durch Vergiftungen hervorgerufenen Symptome sind so vielfältig wie die Vielzahl giftiger Substanzen selbst. Mal gibt es nur wenige oder gar keine Anzeichen, mal häufen sich die Beschwerden, sodass man bei der Behandlung abwägen muss, welches Hauptsymptom man zuerst angeht. Zu den häufigsten und sichtbarsten Symptomen gehören Speichelfluss (Salivation), Zähneknirschen (Bruxismus), Erbrechen (Vomitus), Durchfall (Diarrhoe), Krampfanfälle, Atemnot (Dyspnoe) und schlechtes Allgemeinbefinden bis hin zur Teilnahmslosigkeit (Apathie). In manchen Fällen jedoch ist Detektivarbeit gefragt, um eine Vergiftung als solche zu erkennen; jemandem, der die Tiere gut kennt und diese womöglich täglich umsorgt, fallen Kleinigkeiten frühzeitig auf.

Sofortmaßnahmen bei Vergiftungen

Da für fast alle Vergiftungsarten entsprechende Gegenmittel (Antidote) fehlen, lassen sich oft nur die Symptome behandeln. Dabei gilt: Je schneller man reagiert, umso besser sind die Erfolgschancen. Daher ist es sinnvoll, immer eine kleine Notfallapotheke griffbereit zu haben.

Als Sofortmaßnahme gilt, ausgemachte Giftquellen unverzüglich zu entfernen und jeglichen weiteren Zugang zu verwehren. Die betroffene Ziege sollte anschließend möglichst separiert werden, um in Ruhe gegen die Vergiftung ankämpfen zu können. Auch sollte man selbst Ruhe bewahren, denn Stress ist ein Faktor, der sich beim Tier negativ auf den Verlauf auswirkt.

Erbrechen und Durchfall sind natürliche Abwehrreaktionen des Körpers, um Giftstoffe schnellstmöglich aus dem Organismus zu entfernen. Dabei kommt es jedoch zu erhöhtem Flüssigkeitsverlust und zur Ausscheidung lebenswichtiger Elektrolyte. Deshalb muss unbedingt ausreichend Wasser zur Verfügung gestellt werden. Je mehr die Ziege trinkt, umso schneller können wasserlösliche Toxine ausgeleitet werden. Dabei muss der Elektrolythaushalt im Auge behalten werden.

Therapieempfehlungen

Aktivkohle
Die Ausscheidung giftiger Substanzen kann mittels Aktivkohle begünstigt werden. Für einige Tierarten, darunter auch Ziegen, gibt es spezielle Futterkohle, die zu 100% natürlich wirkt und keine Wartezeit hat. Pflanzliche Kohle bindet die im Verdauungstrakt vorhandenen Giftstoffe und verhindert so, dass diese über die Schleimhäute resorbiert werden. Aktivkohle lindert zudem die mit einer Intoxikation verbundenen Symptome (z.B. Durchfall) und stärkt das Darmmilieu. Achtung: Aktivkohle ist nur dann indiziert, wenn eine durch Vergiftung ausgelöste Diarrhoe vorliegt! Bei infektiös bedingtem Durchfall können Bakterien unter Anwendung von Aktivkohle länger im Darm verweilen, sodass die Genesung erschwert wird.

Homöopathie
Um den Organismus bei der Bekämpfung der Vergiftung zu unterstützen, stehen einige homöopathische Mittel zur Verfügung. Ein für Ziegen zugelassenes Mittel ist Okoubaka, das auch bei Vergiftungen mit Chemikalien verwendet werden kann. Echinacea stärkt das Immunsystem, Nux vomica kann hilfreich bei krampfartigen Zuständen sein. Mit Flor de piedra regt man den Leberstoffwechsel und damit die Ausscheidung von Giftstoffen an. Arsenicum album ist ein weiteres Mittel bei Vergiftungen mit Pflanzen.

Phytotherapie
Die gerbstoffhaltige Eichenrinde wirkt mit ihren zusammenziehenden und entzündungshemmenden Eigenschaften bei Durchfall. Für Leber und Galle kann Mariendistel verabreicht werden; sie entfaltet nicht nur schützende, sondern auch regenerationsfördernde Kräfte. Mit Brennnesseln und Birkenblättern wird außerdem die Nierentätigkeit unterstützt, sodass die Ausscheidung von Giftstoffen über den Urin gefördert wird. Löwenzahn (Blätter und Wurzeln) wirkt blut- und nierenreinigend, stimuliert Leber- und Gallenfunktion.

Rekonvaleszenz
Nach überstandener Intoxikation sollte man den angegriffenen Verdauungstrakt durch die Gabe von Probiotika aufpäppeln. Die in den Zubereitungen enthaltenen Mikroorganismen bringen die Darmflora wieder ins Gleichgewicht und stabilisieren sie. Erhältlich sind auch spezielle Probiotika für Ziegen, die mit Vitaminen oder Kolostrum, der Erstmilch von Säugetieren, angereichert sind.

Eine nachträgliche Entgiftungskur empfiehlt sich, um das gesamte Körpersystem wieder zu stabilisieren. Dies kann z.B. mit Vitalpilzen geschehen. Sie beinhalten viele wichtige sekundäre Pflanzenstoffe, die schützend und antioxidativ wirken. Des Weiteren versorgen sie den Organismus mit Mineralien, Aminosäuren und Vitaminen. Die Vitalpilze Reishi, Shiitake und Maitake haben positiven Einfluss auf die Leber.

Fallstudie

Drei privat gehaltene Ziegen leiden urplötzlich an einer Vielzahl von Symptomen. Bemerkt werden Speichelfluss, Erbrechen, Zähneknirschen und Durchfall. Das Allgemeinbefinden der Tiere ist schlecht. Sie stöhnen und zittern, schütteln sich gelegentlich. Im Anamnesegespräch stellt sich schnell heraus, dass die Ziegen am Morgen durch ein nicht richtig verschlossenes Tor von ihrer Weide entkommen sind. In der Nähe befinden sich einige giftige Pflanzen, u.a. ein Rhododendron, an dem Fraßspuren ersichtlich sind. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Ziegen vom Strauch gefressen haben und nun an einer Vergiftung leiden.

Rhododendren zählen zu den enterotoxischen Pflanzen, diese sind v.a. für den Darm gefährlich. Das in ihnen enthaltene Andromedotoxin führt zu Entzündungen im Verdauungstrakt, zentralnervösen Erregungen und Atemlähmungen. Sobald die akute Vergiftungsphase überstanden ist, kann jedoch eine vollständige Genesung eintreten.

Es wird unverzüglich dafür gesorgt, dass die Tiere ausreichend Wasser trinken. In die Tränke wird eine Elektrolytlösung gegeben. Des Weiteren erhalten die Ziegen sofort Futterkohle zur Toxinbindung und das homöopathische Komplexmittel OKOUBAKA-logoplex. Dieselben Mittel werden abends noch einmal für die Nacht verabreicht.

Nun heißt es Abwarten. Der Organismus braucht für den Entgiftungsprozess Zeit und Ruhe. Am nächsten Morgen erhalte ich glücklicherweise die Rückmeldung, dass es den Ziegen schon besser gehe. Die Symptome seien bis auf den Durchfall, der aber auch weniger werde, weitestgehend verschwunden.

Trotzdem erscheinen mir die Tiere noch sehr schlapp. Zwar haben sie wieder angefangen, Heu zu fressen – was grundsätzlich ein gutes Zeichen ist – aber mit deutlich weniger Appetit. Deshalb werden die Tiere noch einmal mit den gleichen Präparaten versorgt.

Der darauffolgende Tag bringt dann endlich Entwarnung: Den Ziegen geht es wesentlich besser. Sie zeigen sich allgemein fitter und fressen wieder normal, ziegentypisch mit Rangordnungskämpfen. Auch der Kotabsatz ist wieder so, wie er sein soll. Das Schlimmste ist überstanden.

Die Präparate werden noch für drei weitere Tage verabreicht, die Futterkohle nun in geringerer Dosis. Im Anschluss daran wird die Darmflora über vier Wochen mit Hilfe eines für Ziegen zugelassenen Probiotikums (Lakto Biotikum, Fa. Inropharm) wieder aufgebaut und gestärkt.

Alle drei Ziegen haben die Vergiftung überlebt und sind genesen. Es hat keine Nachwehen gegeben, und es geht ihnen heute gut.

Fazit

Leider führen Vergiftungen, ob sie nun erkannt werden oder nicht, oft zum Tod des Tieres. Dies liegt zum einen an teilweise fehlenden Gegenmitteln, zum anderen an mitunter sehr raschen Verläufen der Vergiftung (abhängig von der Toxizität des Giftstoffs). So kann der Tod in manchen Fällen bereits innerhalb einer Stunde nach Intoxikation eintreten.

Da der Faktor Zeit deshalb eine enorm große Rolle spielt, ist es unerlässlich, zu wissen, was giftig ist, wie Symptome einer Vergiftung aussehen und welche Sofort- und Gegenmaßnahmen angezeigt sind. Je schneller man reagiert, umso besser sind die Erfolgschancen. In jedem Fall stehen diverse naturheilkundliche Therapieoptionen zur Verfügung, mit denen man den körpereigenen Entgiftungsprozess positiv unterstützen kann.

Nina Kempf
Tierheilpraktikerin mit Schwerpunkten Phytotherapie, Homöopathie, Parasitenbehandlung und Klauenpflege
kontakt@nutztierheilpraktikerin.de

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