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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 3/2023

Phytotherapie in der Tierheilkunde

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Die Heilkräfte der Natur nutzen

Bereits vor Jahrtausenden wurden Menschen und deren Nutztiere mit Pflanzen und Kräutern behandelt. Damals dienten die Tiere dem Menschen vorwiegend zur Arbeit und als Nahrung. Daher hatten sie einen hohen Wert, der bewahrt werden musste, denn die Tiere sicherten den Menschen das Überleben. Man verließ sich zwangsläufig viel mehr auf die Kraft der Natur als heute; und trotz fehlender Kenntnisse von Inhaltsstoffen und Wirkmechanismen war vielerorts ein tieferes Wissen über die heilenden, nährenden und auch gesundheitsgefährdenden Kräfte von Pflanzen verbreitet. Später schrieben bekannte Heiler wie Hippokrates, Hildegard von Bingen und auch Paracelsus ihr Wissen über Heilpflanzen auf und gaben so ihre Erfahrungen an nachfolgende Generationen weiter.

Mit fortschreitender Entwicklung von Medizin und Pharmazie geriet die traditionelle Pflanzenheilkunde immer mehr in den Hintergrund. Die Arzneien der Natur wichen nach und nach synthetischen Medikamenten. Die moderne Medizin kennt Heilkräuter meist nur noch in Form von Fertigarzneimitteln. Jedoch besinnen sich zusehends mehr Menschen auf die Anwendung von Heilpflanzen, auch wenn es um ihre Haustiere geht.

Rechtliche Aspekte der Phytotherapie am Tier

Da die Anwendung von Pflanzen und Kräutern nicht völlig nebenwirkungsfrei ist, unterliegt die Phytotherapie rechtlich dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Die Kommission E prüft jede Pflanze und erstellt für sie eine Monographie. Daher ist vor der Anwendung einer Heilpflanze am Tier zunächst zu prüfen, welche Inhaltsstoffe, Wirkweisen und eventuelle Kontraindikationen bestehen.

Natürlich sollte jeder Therapeut nicht nur die Wirkung und die mögliche Anwendung der Pflanzen kennen, bevor er sie dem Tier verordnet, sondern auch das Tierarzneimittelgesetz beachten. Dies untersagt z.B. Tierheilpraktiker und Tierhalter die Anwendung eines für den Menschen zugelassenen apothekenpflichtigen oder verschreibungspflichtigen phytotherapeutischen Fertigarzneimittels oder Monopräparats am Tier. Darunter fallen nicht Stoffe bzw. Zubereitungen aus Stoffen, die ausschließlich zur Reinigung und Pflege, als Nahrungsergänzungs- oder Futtermittel dienen. Die Phytotherapie am Tier ist also zulässig, wenn Kräuter als Futtermittelergänzungen zur Unterstützung der Gesundheit verabreicht werden.

Pflanzenteile und ihre Funktionen

Nicht jede phytotherapeutische Arznei setzt sich aus gleichen Pflanzenteilen zusammen. Bei einigen Kräutern steckt die heilsame Kraft in den Wurzeln, bei anderen in der Rinde, in Samen oder Blättern. In der pharmazeutischen Begriffslehre bezeichnet man getrocknete Pflanzenteile als Drogen. Dabei unterscheidet man diese in Blatt-, Wurzel-, Rinden- oder Samendrogen. Möchte man sie erfolgreich am Tier einsetzen, ist es wichtig, ihre Wirkstoffe und Wirkweise zu kennen.

Ein Beispiel hierfür ist die Große Klette. Jeder kennt sie, denn sie wächst heimisch gerne an Feld- und Wegrändern. Ihre Wurzel enthält viele Gerb- und Bitterstoffe, weswegen sie als Therapeutikum bei Leber- und Gallenfunktionsstörungen verwendet werden kann. Da die Leber einen großen Bezug zur Haut hat, ist die Klettenwurzel auch bei Hautleiden besonders wertvoll. In manchen Ländern werden die jungen Blätter als Wildgemüse verzehrt.

Wichtige Pflanzeninhaltsstoffe

Art und Menge der Inhaltsstoffe einer Pflanze bestimmen ihre Bezeichnung und Wirkweise. Zu den primären Inhaltsstoffen zählen jene, die dem Wachstum und der Ernährung der Pflanzen dienen: Kohlenhydrate, Eiweiße und Fette. Sekundäre Pflanzenstoffe, wie z.B. ätherische Öle, Bitter- und Farbstoffe (u.a. Terpene, Alkaloide, Flavonoide, Polyphenole), kommen in geringen Mengen in einer Pflanze vor, sind aber enorm wichtig, z.B. für die Abwehr von Fressfeinden oder den Schutz vor UV-Strahlung. Diese Substanzen machen Pflanzen für die Therapie wertvoll, denn sie bestimmen maßgeblich deren Wirkung. In jedem Fall sollte man vor der Anwendung einer Heilpflanze die Effekte ihrer Inhaltsstoffe kennen. So wirken z.B. ätherische Öle desinfizierend, harmonisierend und krampflösend, können aber ebenfalls die Haut reizen und Allergien auslösen.

Darreichungsformen

Heilkräuter können Tieren sowohl frisch als auch getrocknet verabreicht werden. Um eine erwünschte medizinische Wirkung zu erzielen, müssen oft größere Mengen frischer Drogen verfüttert werden. Dies wird nicht immer vom Tier toleriert, weshalb man gerne auf getrocknete Drogen zurückgreift.

Zur Anwendung kommen auch Wasser- oder Alkoholauszüge. Diese sind konzentriert, d.h. die benötigten Mengen sind geringer, und sie sind auch leichter zu verabreichen.

Der Heißwasseraufguss, den wir als Tee oder Infusum kennen, eignet sich besonders gut für Pflanzen mit wasserlöslichen Inhaltsstoffen, wie z.B. Flavonoiden oder Bitterstoffen.

Der Kaltwasserauszug (Mazerat) wird bei Pflanzen mit hohem Schleimstoffgehalt, z.B. der Malve, angewandt.

Auch Frischpflanzenpresssäfte eignen sich zur Anwendung am Tier, weil beim Pressen der Pflanzen die wertvollen Inhaltsstoffe weitgehend erhalten bleiben.

Aus Kräutern mit vielen lipophilen Inhaltsstoffen, u.a. ätherischen Ölen, stellt man Ölauszüge her, die z.B. für die Produktion von Salben genutzt werden.

Sollen mehrere Kräuter gleichzeitig gegeben werden, so lassen sich z.B. zur Parasitenprophylaxe getrocknete pulverisierte Kräuter auch mit Honig, schleimgebenden Substanzen und Mehl (Leinsamen, Ulmenrinde, Kokos- oder Buchweizenmehl) zu Kugeln oder Pillen formen. Solche Kräuterpillen können als Leckerlis oder mit dem Futter gegeben werden. Pulverisierte Kräuter kann man in Leerkapseln abfüllen und sie so dem Tier verabreichen.

Einflussfaktoren auf die Wirksamkeit

Für die optimale Wirksamkeit einer pflanzlichen Medizin sind Form, Dosis und Applikationsart entscheidend. Die jeweilige Aufnahme bestimmt die Schnelligkeit der Wirkung.

Eine orale Aufnahme ist nicht immer mit der schnellsten Wirkung verbunden, jedoch ist sie am einfachsten beim Haustier anzuwenden, z.B. über die Verabreichung mit dem Futter.

Durch Inhalationen gelangen Pflanzenwirkstoffe schnell und effektiv in den Organismus. Diese sind hilfreich bei akuten oder chronischen Atemwegserkrankungen.

Äußerliche Anwendungen in Form von Umschlägen, Wickeln oder Kompressen aus den genannten Darreichungen sind am Tier ebenfalls möglich.

Sonderfall Katze

Bestimmte Pflanzenstoffe sowie alkoholische Tinkturen sind für Katzen aufgrund ihrer Glukuronidierungsschwäche ungeeignet. Es mangelt ihnen am Leberenzym UDP-Glucuronyltransferase, wodurch die Verstoffwechselung verschiedener Substanzen beeinträchtigt ist. Hierzu zählen sekundäre Pflanzenstoffe wie Polyphenole, Gerbstoffe, ätherische Öle sowie Alkohole. Diese müssen glucuronidiert werden, um ausgeschieden werden zu können. Funktioniert dies nicht ausreichend, kommt es zu einer Kumulation (Toxizität) und verursacht Leber- und Nierenschäden. Je mehr Phenole eine Pflanze enthält, desto gefährlicher ist sie für die Katze. Besonders alkaloid-phenolhaltige Pflanzen können bei Katzen zu einer Vergiftung führen. Dazu zählen z.B. Gewürzkräuter (Basilikum, Dost, Rosmarin, Salbei, Thymian, Majoran). Auch Pflanzen mit Gallotanninen, wie sie in Brombeerblättern oder Gänsefingerkraut zu finden sind, sind ungeeignet, da sie nach der Umwandlung Phenole freisetzen. Dazu gehören auch Pflanzenfarbstoffe (Anthocyane), denen die Blüten eine Rot-, Blau- oder Violettfärbung verdanken. Daher sollten derart gefärbte Blüten oder Beeren nicht an Katzen verfüttert werden.

Oft werden im Handel spezielle Kräutermischungen für Katzen vertrieben, jedoch liegen hier meist keine offiziellen Daten zu Dosierung, Verträglichkeit und Sicherheit vor. Diese sollten immer kritisch beleuchtet werden und nur nach strenger Indikation zum Einsatz kommen.

Katzen sind evolutionsbedingt neophob: Sie haben Angst vor Neuem, wodurch es ihnen schwerfällt, Veränderungen im Futter zu akzeptieren. Man beginnt bei Katzen am besten mit einer Messerspitze einer phytotherapeutischen Arznei und steigert langsam auf die errechnete Dosierung.

Zur inneren Anwendung geeignet sind Pflanzen mit kondensierten Gerbstoffen, da diese vom Körper kaum resorbiert werden und nicht die Leber belasten, z.B. Eichenrinde, Floh- oder Leinsamen. Für die äußerliche Anwendung können Kamillenblüten, Ringelblume, Eichenrinde und Lavendel als Wundspülungen oder Pfotenbäder genutzt werden. Zur Inhalation eignen sich Kamillenblüten. Salben sind aufgrund des Abschleckens für Katzen eher ungeeignet.

Dosierungen

Die meisten Dosierangaben für Phytotherapeutika bei Tieren stammen aus tierärztlicher Literatur. Sie richten sich nach Körpergewicht, Tierart und gewählter Arznei. Die bei Hunden und Katzen am häufigsten gewählten Darreichungsformen sind getrocknete, pulverisierte Kräuter oder Tinkturen. Frische Kräuter werden eher als Futterergänzung gegeben. Daher beziehen sich die meisten Angaben auf getrocknete Kräuter, diese werden in Gramm (g) oder Löffel dosiert. Hierfür dient die folgende Mengenangabe: 1 Teelöffel = 5 g, 1 Esslöffel = 12 g.

Bei traditionellen Heilpflanzen, für die keine Angaben bei Hunden vorliegen, kann die Dosierung vom Menschen auf das metabolische Körpergewicht des Tieres umgerechnet werden. Hierfür verwendet man die Formel:

Metabolisches Körpergewicht = Körpergewicht 0,75 (Taschenrechner-Taste xy)

Per Definition wird für die Umrechnung von Humandosierungen ein Körpergewicht von 65 kg als Ausgangswert angenommen. Das metabolische Körpergewicht eines Menschen mit diesem Gewicht beträgt folglich 22,9 kg. Der Umrechnungsfaktor beträgt 2,84. Nun kann die Dosierung für den Hund ermittelt werden.

Die Dosierung für Katzen kann aufgrund der eingeschränkten Möglichkeit zur Glucuronidierung so nicht übernommen werden. Da keine wissenschaftlichen Studien, sondern nur Erfahrungswerte zur Verfügung stehen, sollte man bei Katzen hinsichtlich Dosierungen grundsätzlich zurückhaltend sein.

Fallstudie

Die 10-jährige Airedale-Hündin Ayana zeigt bei einem jährlich durchgeführten Bluttest erhöhte Nierenwerte: SDMA 19 (0-14 ug/l), Kreatinin 1,6 (0,5-1,5 mg/dl), Harnstoff 26 (9-29 mg/ dl). Eine daraufhin durchgeführte Urinuntersuchung ergibt einen Protein/Kreatinin-Quotienten (UPC) von 0,1. Bei dieser Testmethode wird gemessen, wie viel Protein bereits über die Nieren mit dem Urin verloren geht. Je e höher das UPC-Verhältnis, desto schlechter die Prognose. Sie dient ebenso wie die Blutuntersuchung der Überwachung einer Nierentherapie. Nach Auswertung der Ergebnisse liegt laut Tierärztin bei Ayana eine beginnende Niereninsuffizienz vor. Sie verordnet eine Kur mit homöopathischen Komplexmitteln der Fa. Heel (SUC-Therapie). Die Tierhalterin wünscht begleitend eine naturheilkundlich-phytotherapeutische Behandlung.

Heilpflanzen für die Niere

Bei Nieren- sowie Harnwegserkrankungen können Heilpflanzen eingesetzt werden, die die Nierentätigkeit unterstützen, ohne in den Elektrolythaushalt einzugreifen. Solche Drogen werden als Aquaretika bezeichnet, da sie eine harntreibende Wirkung haben. Pflanzliche Urologika, also Arzneien, die auf den Harntrakt wirken, stärken die Ausscheidungsfunktionen und sind im Gegensatz zu synthetischen Therapeutika nicht nierentoxisch. Generell ist bei der Anwendung von Aquaretika auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr zu achten. Besonders geeignete Kräuter bei chronischer Niereninsuffizienz sind Brennnessel und Birke. Birkenblätter wirken harntreibend und blutreinigend, Brennnesselsamen senken nachweislich den Kreatiningehalt im Blut und fördern die Harnsäure-Ausscheidung.

Behandlung

Nach ausführlicher Anamnese verordne ich Brennnesselsamen. Die empfohlene Dosierung liegt hier bei 1-2 g/5 kg Körpergewicht verteilt auf zwei Gaben täglich. Ayana wiegt 24 kg und bekommt somit täglich morgens und abends 5 g getrocknete Brennnesselsamen verteilt auf ihr Futter, das entspricht einer Einstiegdosierung von 1 g/5 kg Körpergewicht.

Zusätzlich verordne ich den Vitalpilz Cordyceps sinensis, eine chinesische Arznei zur Behandlung chronischer Nierenerkrankungen. Er trägt dazu bei, den Kreatinin-Spiegel im Blut zu reduzieren und kann den Grad der tubulären Schäden deutlich verringern. Ich wähle als sanften Einstieg Cordyceps-Pulver und beginne mit je 1 Kapsel morgens und abends zu den Mahlzeiten. Beide Arzneien können Ayana mit dem Futter verabreicht werden.

Von den bereits erwähnten Birkenblättern lasse ich die Tierhalterin einen Tee (Infusum) bereiten. Hierfür sollen 2 TL fein geschnittene Droge mit 150 ml heißem Wasser überbrüht und für 15 Minuten zugedeckt ziehen gelassen werden. Der abgeseihte Aufguss wird dem Tier in erkalteter Form über den Tag in kleinen Mengen verabreicht.

Brennnesselsamen und Cordyceps sollen bis zur nächsten Blutkontrolle 3 Monate später durchgehend gegeben werden. Der Birkenblättertee soll 4 Wochen lang begleitend verabreicht werden.

Verlauf und Ausblick

Bei der nächsten Blutuntersuchung ergeben sich folgende Nierenparameter: SDMA 15 vs. 19 (0-14 ug/l), Kreatinin 1,4 vs. 1,6 (0,5-1,5 mg/dl), Harnstoff 24 vs. 26 (9-29 mg/dl). Aufgrund der positiven Wirkung wird die Gabe der Brennnesselsamen in der genannten Dosierung weitergeführt. Diese sollten bei einer CNI dauerhaft verabreicht werden. Der Cordyceps wird für 4 Wochen ausgesetzt und dann erneut für 3 Monate verabreicht. Danach ist zu prüfen, wie es dem Hund geht, denn eine Dauergabe des Cordyceps kann auch eine auszehrende Wirkung haben. Ayanas Blutwerte werden in regelmäßigen Abständen (alle 3-4 Monate) überprüft, um das Stadium der Niereninsuffizienz zu kontrollieren. Entsprechend erfolgt eine Anpassung der Behandlung.

Fazit

Die Phytotherapie ist ein wichtiger Grundpfeiler der naturheilkundlichen Praxis, auch in der Tierheilkunde. Da aber auch sie nicht ohne Nebenwirkungen ist, sollte man sein Wissen über diese Heilmethode fachmännisch erlernen. Jedes Tier ist individuell und braucht nicht immer die gleiche Arznei wie andere mit ähnlichem Leiden, daher ist eine individuelle, ausführliche Anamnese unverzichtbar. Bei richtiger Anwendung ist die Phytotherapie in der Lage, eine deutliche gesundheitliche Verbesserung herbeizuführen. Sie eignet sich bei akuten sowie bei chronischen Erkrankungen.

Sabrina Lingrün
Tierheilpraktikerin und Tierernährungsberaterin mit Schwerpunkten Klassische Homöopathie, TCM und Phytotherapie, Dozentin an den Paracelsus Schulen
tierheilpraxis-woerth@gmx.de

Foto: © Sinfebeth I adobe.stock.com

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