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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 1/2010

Die weltliche Trauerrede aus psychologischer Sicht

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Wenn ein lieber Mensch stirbt, reagieren die Hinterbliebenen sehr individuell. Manche sind wie gelähmt, betäubt, ohnmächtig und reagieren nur verzögert, es kann zu unkontrollierten emotionalen Ausbrüchen kommen, andere brechen psychisch und/oder körperlich völlig zusammen.

© fransuess - Fotolia.comDer Tod bedeutet aber nicht nur den physischen Verlust einer Person (Stimme, Nähe, Berührungen), sondern auch Abschied von gemeinsamen Visionen, Sehnsüchten und Gewohnheiten, von komplementären Werten und Idealen, den Verlust der emotionalen, mentalen und sozialen Heimat. Trauer umfasst den Menschen ganzheitlich in seiner komplexen Individualität und berührt Körper, Seele, Geist und alle Lebensbereiche.

Der ritualisierte Abschied ohne Kirche

Auf Trauerrituale und ritualisierte Trauerreden haben die christlichen oder auch alle nicht-christlichen Kirchen eine Art Monopolstellung entwickelt, und selbst bei vielen Menschen, die keinerlei Bindung zur Religion und Kirche gelebt haben, bemühen die Familien für die letzte Abschiedsstunde diese bewährten Dienste.

Wo jedoch ein konfessionsfreier Mensch stirbt, der sich mit der Institution Kirche nicht identifizieren konnte und ausdrücklich auf kirchliche Dienste – auch für sein Begräbnis – verzichten wollte, werde ich, die freie Trauerrednerin gerufen. Im Wesentlichen unterscheidet sich die weltliche zur kirchlichen Rede vor allem darin, dass hier nicht nach dem Sinn des Todes gefragt wird. Im Vordergrund steht nicht die Frage von Schuld und Sühne, nicht die Zukunft der Seele, sondern der Verstorbene, wie er immer noch gegenwärtig und vertraut ist. Das, was ihn als Individuum ausmachte, wofür er geliebt wurde, seine Stärken, Leistungen, Sehnsüchte und auch Schwächen. Ich lasse ihn in meiner Trauerrede noch einmal lebendig werden.

Während einer sensiblen Rede empfinden die Trauernden ein starkes Wir-Gefühl, erleben sich als Teil einer Gemeinschaft.

Durch dieses Zugehörigkeitsgefühl können Gefühle und Empfindungen, die sie mit dem Verstorbenen verbinden, aufleben, viele innere Bilder und Geschehnisse werden in Erinnerung gerufen und bewusst erlebt. Meine Trauerrede erfüllt wichtige psychologische Notwendigkeiten der ersten Trauerbewältigung, reduziert Schmerz und das Verlustsyndrom, gibt Hoffnung, spendet Kraft und Unterstützung.

Die freie Trauerrede bringt dem Toten Achtung und Wertschätzung entgegen, hebt das Vergangene in lebendige Erinnerung, führt zur Besinnung auf das eigene Leben und ist die Würdigung des Lebens eines Verstorbenen in seiner Einzigartigkeit.

Liane ProbstLiane Probst
Diplomierte Trauerrednerin, Psychologische Beraterin, systemischer Coach, Sterbe- und Trauerbegleiterin.
Kontakt: lprobst@t-online.de

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