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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 1/2010

Welt im Grauschleier

Cover

Das Wesen der Depression ist vielgestaltig, sie kann als passageres Symptom auftreten oder in das voll ausgebildete Krankheitsbild münden. Ihre Manifestation kann auf allen Ebenen stattfinden, körperlich, emotional, geistig. Die hieraus resultierenden Wesensveränderungen können charakterliche Gegebenheiten verstärken oder unterdrücken, für verminderten oder verstärkten Antrieb sorgen, die emotionale „Schwingfähigkeit“ erweitern oder einengen.

Fotos: © Sebastian Kaulitzki - Fotolia.com, © Eric Simard - Fotolia.comIn der postindustriellen Gesellschaft werden individuelle Krisensituationen gerne eigenverantwortlich gewertet: Im sozialdarwinistischen Sinne liegt das Problem im einzelnen Menschen oder seinem äußeren Werk. Das ist meines Erachtens eine gefährlich reduzierte Sicht, denn die Elemente der familiären Prägung, Konfliktfähigkeit, Interaktion, Gruppendynamik, des verbalen Ausdrucksvermögens, der notwendigen Sinn-Findung oder Neuausrichtung werden nicht ausreichend Wichtigkeit zugemessen. Viel eher vertritt ein solches Weltbild eine nivellierte Gesellschaft, die Abweichungen als pathologisch oder irregulär abwertet.

Heute ändert sich erfreulicherweise die Sicht auf Depressionen – auch in Richtung einer (unbewusst) angewandten Konfliktstrategie: Welche Konfliktkonstellationen erfahren durch die Depression Erleichterung? Welche grundlegenden Entscheidungen werden vermieden oder verschoben? Welche äußeren oder inneren Gründe können für reales oder eingebildetes Scheitern verantwortlich gemacht wer den (Sündenbock)? Werden familiär erlebte Konfliktunfähigkeit oder Muster übernommen (vs. Genetik)? Welcher sekundäre Krankheitsgewinn wird erzielt?

Durch diese „offenen“ Systeme können wir unsere Problem-Muster erkennen. Ein angeblich unumkehrbarer Prozess („Damit müssen Sie leben und nehmen Sie Ihre Medikamente.“) wird wieder zurück in die Hände des Patienten gegeben, der wieder in die Position des Lenkers und Entscheiders gelangt und krisenfeste Verhaltensstrategien erlernen kann. Echte Ziele sind hierbei als Motivation und Orientierung sehr wichtig.

Guten Morgen, liebe Sorgen, seid ihr auch schon wieder da?

Ein Suhlen in Selbstmitleid gleicht einer Aufreihung von Topfpflanzen, jede Sorge und Angst in separatem Topf. Täglich wird nachgesehen, nachgegossen und wehe, einer fehlt: Sicherheit durch Gewohnheit. Gewohnheit als Sicherheit. Ein alleiniges Erfragen und Interpretieren dieser „Gründe“ verstärkt sie möglicherweise noch Therapien, die sich auf einen maximalen Seelenstriptease beschränken, fehlt die konstruktive Komponente: Hier müssen die eben genannten Ziele und Motivationen ins Spiel kommen, denn Bewusstsein und Unterbewusstsein können nicht aufhören, so und so zu sein, Vermeidung schärft eher die Sicht auf diese Schwachpunkte.

Unlängst fragte mich eine amerikanische Patientin, wie sie zu sich selbst und ihren Zielen finden könne. Ich sagte ihr, sie möge es mit den erklärten Grundrechten der Unabhängigkeitserklärung von 1776 halten: „Das Leben, die Freiheit und das Streben nach Glück.“ Moderner Ausgedrückt: Lebe und gebe der Freude Freiheit. Die Depression ist das Gegenteil davon. Aber sie kann auch notwendig sein, um Aufmerksamkeit auf Missstände zu lenken.

Das Vollbild einer Depression macht den Eindruck eines circulus vitiosus: Kraft, Antrieb und Motivation zur Veränderung fehlen. Spätestens an diesem Punkt sollte durch biochemische Regulation unterstützt werden, ggf. auch parallel zu Antidepressiva. Wie immer gilt: Schwere, instabile oder fremd-/selbstgefährdende Zustände sollten, schon aus rechtlichen Gründen, von einer entsprechenden ärztlichen Therapie stabilisiert werden. Darauf kann eine adjuvante Therapie angeboten werden.

Hier einige Beispiele zur ganzheitlichen Behandlung der Depression.

• Serotonin-Modell

Eine der Entstehungstheorien der Depressionen basiert auf Mangel an Serotonin. Bspw. durch Substitution von L-Tryptophan als Precursor soll die Konzentration im präsynaptischen Spalt erhöht werden. Auf homöopathischem Wege wird dies durch Hochpotenzen gemacht. Serotonin hat viele Aufgaben im Körper. 90 % des Serotonins wird im Darm produziert – Darmaktivität und -vitalität haben also Einfluss auf den Serotonin-Spiegel. Zwar wird eingewendet, Serotonin passiert nicht die Blut-Hirn-Schranke; andererseits zeigen Sie mir bitte einen Patienten, der nicht zumindest anteilige Durchlässigkeiten zeigt (siehe elektromagnetische Strahlung, Schwermetalle, Glutamat, u.a.). Eine Beobachtung nach Colon-Hydro-Therapien des Dickdarmes stützt diesen Ansatz. Nach erfolgter Sitzung berichten viele Patienten, dass für sie ein Licht aufginge, Leichtigkeit und Fröhlichkeit seien schlagartig da. Bemerkenswert.

Tatsächlich: Schokolade enthält Serotonin. Aber wesentlich gehaltvoller sind bspw. Walnüsse, die nur zu schön unserer Hirnform ähneln.

• Lithium, der kleine Bruder des Natrium

© david harding - Fotolia.comLithium wird auf Grund seiner empirischen Wirkung therapeutisch gegen Depressionen und Manien eingesetzt. Zu beachten ist hier bei das schmale therapeutische Fenster. Die homöopathisierte Form steht ebenso zur Verfügung. Der bekannte Immunologe Dr. Erwin Walraph hat in Routine-Laboranalysen der letzten Jahre sinkende Lithium-Spiegel in der Bevölkerung festgestellt, oftmals assoziiert mit Nahrungsmittelunverträglichkeiten. An einer stimmigen Erklärung sind wir beide noch am Rätseln. Vielleicht sehen wir den Effekt einer kompetitiven Verdrängung durch übermäßigen Salzkonsum oder anderer Natriumhaltiger Additiva. Interessanterweise sinkt bei einer Lithium-Therapie die Wahrscheinlichkeit, an Alzheimer zu erkranken. Hier ist noch viel Klärungsbedarf.

• Johanniskraut

Johanniskraut (Hypericum perforatum) wird häufig bei leicht- bis mittelgradigen Depressionen verordnet. Eine zusammenfassende Arbeit kam zu den Schlüssen: 1. Hypericum-Extrakt ist wirksamer als Placebo, 2. unter scheidet sich nicht in der Wirksamkeit von Standardantidepressiva, 3. hat weniger Nebenwirkungen als Standardantidepressiva (Linde 2008). Johanniskraut ändert die Galenik anderer Pharmazeutika durch Induktion der Enzyme des Cytochrom-P450-Systems, wodurch schnellerer Abbau stattfinden kann. Im Falle der Anti-Baby-Pille z.B. gilt es sorgsam abzuwägen.

• Omega-3-Fettsäuren

Fettsäuren aus der Omega-3-Gruppe scheinen über ihren Gehalt an Eicosapentaensäure (EPA) und anderen Fraktionen eine Wirkung bei Depressionen, Angsterkrankungen und Schizophrenien zu haben. Zur Supplementierung ist anzumerken, das EPA oft aus Fischnebenprodukten hergestellt wird, die wiederum toxisch belastet sein können. Eine sehr hochwertige Quelle für Omega-3, Omega-6 und Omega-9-Fettsäuren ist hierzulande nahezu unbekannt: Emu-Öl. Der Australische Emu hat auf dem Rücken einen Fettpanzer, der beim (traditionellen) Verzehr übrig bleibt. Die Inhaltsstoffe sind sehr hochwertig und sinnvoll gegen Entzündungen und Fettstoffwechsel-Entgleisungen, extrem hilfreich als topische Anwendung (Öl-Flasche) bei Neurodermitis und Psoriasis.

• Es werde Licht

Anregung der Epiphyse, der Vitamin-D-Produktion und des allgemeinen Wohlbefindens durch (Sonnen-)Licht erscheint trivial, wird aber gerne vergessen. Bewegung (muss nicht Sport sein!) und Licht in der Natur genießen, ein Labsal für die Seele.

Ein Rudel Flöhe:
Somatisierte Depressionen

Weitaus häufiger als vermutet bleiben Depressionen unerkannt, wenn sie sich körperlich manifestieren („larvierte Depressionen“). Körperliche Symptomatiken ohne erkennbares Muster, die in manchen Fällen zum „Doktor-Shopping“ (häufigen Behandlerwechsel) führen, sehr bunte Anamnesen können hier Hinweise liefern. Einige Patienten sind Therapeuten gegenüber so fordernd, mitunter penetrant, dass sie leider schnell abgetan und nicht ernst genommen werden. Ein mitunter täglich neues Befinden oder neue Symptome, man weiß heute nicht, ob man morgen Geplantes durchführen kann. Begriffe wie „launisch“, „wehleidig“, „hysterisch“ mögen zwar zutreffen, sind aber nicht hilfreich, eher hinderlich. In diesen Fällen gilt es, das Vorliegen einer „larvierten Depression“ zu erwägen.

Ruf nach Ganzheitlicher Therapie

Aus allen genannten Fakten ergibt sich die klare Notwendigkeit, depressive Symptome und die voll ausgeprägte Depression begleitend erfahrungsheilkundlich zu behandeln. Regulative Elemente, Ausleitung, orthomolekulare Medizin, Kinesiologische Behandlung, Systemtherapie, Gesprächstherapie u.v.a.m. können viel zur Besserung beitragen.

Der Heilpraktiker für Psychotherapie arbeitet psychotherapeutisch, darf aber im Rahmen psychischer Störungen mit organischen Komponenten skandalöser Weise GAR NICHT therapieren, wie z.B. beim Vollbild der Depression, der Schizophrenie etc. Die primär psychiatrisch-neurologische Behandlung macht hier wegen der Instabilität sicherlich grundsätzlich Sinn, aber eine adjuvante Therapie durch Heilpraktiker für Psychotherapie oder Betreuung und Unterstützung durch den Psychologischen Berater ist sehr zu wünschen.

Marcus StantonMarcus Stanton
Arzt, Dozent und Autor für ganzheitliche Medizin.
Kontakt: info@docstanton.info

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