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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 3/2010

Bandscheibenleiden!

Cover

Heilpraktiker André M. Alves berichtet über Ursachen, Therapie und Prävention beim Bandscheibenvorfall.

Anatomie der Bandscheibe

Foto: ©Robert Kneschke - Fotolia.comDie Bandscheibe besteht aus einem äußeren, harten Faserring und einem inneren, gallertartigen Kern. Der Faserring enthält in erster Linie kollagene Fasern, die ihm seine Festigkeit verleihen, der Kern hingegen hauptsächlich Glykosaminglykane, die ein hohes Wasserbindungsvermögen besitzen und so seine gelartige Struktur ermöglichen. Reißt der äußere Ring ein, quillt die Gallerte (der Kern) nach außen – Diagnose: Bandscheibenvorfall.

Der Bandscheibenvorfall im 21. Jahrhundert

Sobald es vornehmlich im unteren Rücken schmerzt bzw. die schmerzfreien Intervalle sich zunehmend verkürzen, wächst die Sorge, dass etwas mit den Bandscheiben nicht in Ordnung sein könnte. Dabei sei hier eines deutlich erwähnt: Die Bandscheibe selber kann nicht schmerzen, da sie keine Nervenrezeptoren besitzt! Inwieweit Schmerzen durch eine Komprimierung eines Spinalnervs verursacht werden, ist ein anderes Thema.

Wie auch immer, eine Operation an den Bandscheiben ist weltweit der häufigste neurochirurgische Eingriff. Allein in Deutschland werden jährlich über 30.000 Patienten an der Wirbelsäule operiert – Tendenz steigend! Jedoch mittel- bis langfristig gesehen, so sind sich erfahrene Operateure auf diesem Gebiet einig, spiele es keine Rolle, ob ein Bandscheibenpatient operiert wurde oder nicht – das Ergebnis bezogen auf die Schmerzsymptomatik sei dasselbe. Grundsätzlich ist eine Bandscheiben-OP indiziert, wenn schwere nervale Ausfallerscheinungen oder akute Blasen-Mastdarm-Störungen vorliegen. Schmerz allein sollte kein OP-Grund sein!

Die Realität sieht in diesem Zusammenhang jedoch häufig anders aus. Therapieresistente Schmerzzustände, die auf degenerative Veränderungen der Wirbelsäule zurückgeführt werden, werden in vielen Fällen früher oder später chirurgisch versorgt. Berücksichtigt man die Tatsache, dass ca. 70 % der Deutschen mindestens einmal jährlich unter Rückenschmerzen leiden und die Zunahme der wiederkehrenden Rückschmerzen seit 1998 um mehr als 30 % zugenommen hat, stellt sich berechtigterweise die Frage, welche Möglichkeiten es gibt, Schmerzen des Bewegungsapparates zu regulieren.

Um alternative Behandlungsmethoden besser beurteilen zu können, ist es zunächst von entscheidender Bedeutung, festzustellen, wie die jeweiligen Schmerzen ursächlich beeinflusst werden können, denn nur die ursächliche Behandlung berechtigt zur Hoffnung auf nachhaltige Gesundung.

Diagnose und deren Beurteilung

Foto: ©Robert Kneschke - Fotolia.comSchmerzzustände an Gelenken und im Besonderen an der Wirbelsäule werden standardmäßig mit MRT-, CT- oder Röntgenbildern untersucht. Dem spricht nichts entgegen, im Gegenteil: Diese diagnostischen Verfahren helfen, die momentane Gelenksituation besser beurteilen zu können. Die Diagnose sollte allerdings nicht auf das schmerzende Gelenk (z.B. die Lendenwirbelsäule) begrenzt sein. Es sollte sich im Folgenden gefragt werden, wodurch die möglicherweise radiologisch diagnostizierte, strukturelle Veränderung verursacht worden ist! Die Stabilität eines jeden Gelenkes wird wesentlich von der Aktivität der gelenknahen Muskulatur bestimmt, die wiederum von den jeweiligen Spielern (Agonisten) und Gegenspielern (Antagonisten) entlang ihrer gesamten Funktionskette innerhalb einer Bewegung beeinflusst wird. Kontrahiert ein Agonist, um eine bestimmte Bewegung auszuführen, hat der Antagonist flexibel nachzugeben. Genauso hat ein sich kontrahierender Agonist sich wieder zu entspannen.

Ist die Muskulatur dazu nicht (mehr) in der Lage, funktioniert das Zusammenspiel dieser Muskeln nicht ungestört. So verändert sich im Laufe eines Lebens die Zugrichtung einzelner Muskelabteile. Darunter leidet sowohl die individuelle Funktion eines spezifischen Muskels (z.B. der Rückenstrecker), als auch das Zusammenspiel aller Muskeln als Funktionseinheit, und somit die gesamte Bewegung. Dies führt schleichend aber stetig zu einer zunehmenden, unphysiologischen Gelenkbelastung für die betroffenen Gelenke. Bei jeder Bewegung, die das Funktionieren des entsprechenden muskulären Zusammenspiels voraussetzt, steigt nunmehr der schädigende Druck auf die beteiligte(n) Gelenkfläche( n). Zu Beginn liegt dies häufig noch nicht im wahrnehmbaren Bereich. Ist die Funktionalität der Muskulatur erst einmal gestört, verletzt der nicht wahrnehmende Mensch letztendlich mit jeder weiteren belastenden Bewegung (z.B. Hüftbeugung) seinen eigenen Körper unbewusst von innen heraus. Erst wenn das jeweilige Gelenk des Körpers, das der chronischen Belastung ausgesetzt ist, diese nicht länger tolerieren kann, wird ein Schmerz geschaltet, um den schädigenden Reiz (= die pathologisch veränderte Bewegung) zu verhindern.

Sich nicht mehr zu bewegen bzw. die schmerzhafte Bewegung nie mehr auszuführen, ist natürlich keine Lösung! Jede Gelenkfläche, jedes Knorpelgewebe lebt von physiologischen Be- und Entlastungsreizen (d.h. Bewegung), um Schlacken abgeben und Nährstoffe zuführen zu können. Trotz des Schmerzes die auslösende Bewegung durchzuführen wäre wie aus vorangegangener Darstellung ersichtlich ebenfalls ein schlechter Rat. Setzt man jedoch an der pathologisch veränderten Muskulatur an und strukturiert diese (wieder) um, so funktioniert das muskuläre Zusammenspiel wieder. Die jeweilige Bewegung schädigt nun nicht mehr das betroffene Gelenk, der chronische Druck lässt nach. Folglich gibt es keinen Grund mehr, warum die zuvor schmerzhafte Bewegung weiterhin weh tun sollte – sie kann und soll wieder durchgeführt werden. Darüber hinaus sind notwendige Voraussetzungen geschaffen, damit sich das geschädigte Gewebe bestmöglich regenerieren kann.

Die degenerativ veränderte Gelenkstruktur steht also erst am Ende einer langen Ereigniskette. Auf radiologischen Bildern sind nur die Folgen der biomechanisch wirkenden Muskelkräfte auf das geschädigte Gelenk sichtbar, nicht aber die Verursacher – die strukturell und funktional veränderte Muskulatur.

Aus muskulärer Sicht ist die geschädigte Bandscheibe in der LWS beim Prolaps oder der Protusion nicht als Schmerzauslöser, sondern vielmehr als „Opfer“ anzusehen, geschädigt durch die Auswirkungen chronischer Muskelaktivität auf die Wirbelkörper, Bänder und die Bandscheibe. Die funktionsgestörte Bewegung ist in diesem Fall die Hüftbeugung, die physiologisch nicht mehr ausgeführt werden kann. Die Menschen haben der praktisch ausschließlich nach vorne ausgerichteten Lebensweise Rechnung zu tragen. Der aufgebaute Druck auf die Bandscheibe(n) herrscht fortwährend vor, unabhängig von der Lage oder Belastung des Körpers, wobei bestimmte Bewegungen oder Positionen den Druck maximieren.

Ursachenforschung

Warum wird im Laufe der Jahre das Zusammenspiel bestimmter Muskeln gestört? Von wesentlicher Bedeutung ist die fehlende physiologische Bewegung. Wird die Muskulatur nicht mehr verwendet, werden ungenügend oder gar keine Bewegungsreize gesetzt, beginnen sich die kollagenen Fasern des Bindegewebes zusammenzuschließen. Dies geschieht meist erst Mitte bis Ende des zweiten Lebensjahrzehnts, sobald die allgemeine Stoffwechselaktivität nachlässt. Ehemals getrennt vorgesehene Muskelabteile kleben dann zusammen. Dieses Verkleben einzelner Abteile oder ganzer Muskeln verändert im Folgenden die Zugrichtung der jeweiligen Muskulatur und verändert so die jeweilige Bewegung. Dadurch steigt der Druck auf das Gelenk.

Der entscheidende „degenerative“ Prozess spielt sich demnach lange vorher in der Muskulatur und in der sie umgebenden bindegewebigen Struktur ab. Die letztendlich durch radiologische Untersuchung festgestellte Gelenksveränderung ist also eine (logische) Konsequenz des chronisch veränderten Muskelzugs und der dadurch veränderten, nunmehr schädigenden Bewegung. Bezogen auf LWS-Schmerzen ist die entscheidend veränderte Bewegung die Oberschenkel-/ Hüftbeugung.

Noch deutlicher wird es, wenn (noch) keine degenerative Veränderung des schmerzenden Gelenks festgestellt werden kann. Es herrscht häufig Ratlosigkeit über die Schmerzursache, was letztendlich zu einer psychosomatischen Ausschlussdiagnose führen kann. Die Muskulatur als Schmerzauslöser? Genau! Dieser Ansatz ist grundsätzlich auf jeden Schmerzzustand des Bewegungsapparates übertragbar, insbesondere degenerative Gelenksveränderungen (v.a. Wirbelsäulenveränderungen, jegliche Arthrosezustände). Hinzu kommen u.a. Migränezustände sowie verwandte Kopfschmerzen (HWS-Muskulatur).

Aus ganzheitlicher Sicht sei erwähnt, dass – abgesehen von adäquaten Bewegungsreizen – die Ernährung und die tägliche Sauerstoffzufuhr in Form von frischer (!) Luft weitere wichtige Komponenten sind, an denen anzusetzen ist. Zusätzlich sind die individuellen Lebensbedingungen des Schmerzpatienten zu berücksichtigen.

Wie sieht Prävention aus?

Muskeln einfach nur irgendwie zu bewegen, z.B. durch Joggen, Schwimmen oder Fahrradfahren, ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, jedoch beinhaltet jede Sportart für sich klare Bewegungseinseitigkeiten und Kontraktionsmuster, die sich wiederum nachteilig auf die Funktionalität der gesamten Muskulatur auswirken können. Der maßgebliche Faktor ist der Bewegungsumfang, in dem das jeweilige Gelenk beansprucht wird, sowie die Bewusstheit der Bewegungsansteuerung.

Merke: Wird regelmäßig der maximal mögliche Bewegungsumfang (ROM) eines Gelenks bewusst genutzt, ist die beste Voraussetzung geschaffen, die hierfür verantwortliche Muskulatur gesund zu erhalten und damit auch das entsprechende Gelenk selbst.

Die gesunde Muskulatur besitzt einen ausreichenden Tonus und kann gleichzeitig angemessen auf Bewegungsreize reagieren. So können sich Phasen von Spannung und Entspannung stets abwechseln – bei minimaler (physiologischer) Gelenkbelastung. Darüber hinaus kann das regelmäßig bewusste Ansteuern der einzelnen Muskeln verhindern, dass muskuläre Dauerkontraktionen überhaupt erst aufgebaut werden bzw. dafür sorgen, dass diese zeitnah abgebaut werden können.

Ein Bewegungssystem, das dieser Anforderung vorzüglich nachkommt, indem es ausreichend Bewegungsreize sowohl in qualitativer als auch quantitativer Form setzt, ist die LnB-Motion Bewegungslehre. Kein Wunder, es wurde eigens hierfür entwickelt! Selbstverständlich sind auch andere, die ganzheitliche Funktionalität der Muskulatur verbessernde Methoden entsprechend dienlich.

Ein Behandlungskonzept

Sind Schmerzen (beispielsweise in der Lendenwirbelsäule) bereits vorhanden, mache ich zunächst die primär schmerzverursachende Muskulatur ausfindig, um sie manualtherapeutisch zu behandeln. Das Zusammenspiel der Muskulatur soll dadurch wieder verbessert und der chronische Druck auf die schmerzhafte Struktur reduziert werden. Die Schmerzen können sich so regulieren.

Anschließend ist die betroffene Muskulatur mittels spezifischer Übungen, die der Patient erlernt (und alleine zuhause durchführen kann), von einschränkenden Blockierungen zu befreien und umzuprogrammieren. Ziel ist, eine Kombination kräftiger und flexibler Muskulatur zu erlangen.

Sollte Körperarbeit aufgrund eines schlechten Gewebezustandes nicht ausreichen, wende ich eine phytotherapeutische Individualtherapie an, damit die Stoffwechselaktivität sich normalisieren kann, so dass die notwendigen Umbau- und Reparaturmaßnahmen des Bewegungsapparates möglich werden und der Ruhetonus der Bewegungsmuskulatur sich langfristig reduzieren kann.

Nach Beseitigung des Primärschmerzes biete ich eine freiwillige Nachbehandlung an. Da jede Einschränkung des muskulären Systems eine Schwächung und Behinderung des gesamten Organismus zur Folge hat, empfehle ich grundsätzlich, an einem funktionalen Bewegungstraining (LnB-Motion) teilzunehmen, um eine dauerhafte Normalisierung des gesamten Bewegungsapparates sicher zu stellen. Es geht darum, Inhalte zu erlernen, die anschließend eigenverantwortlich zuhause durchgeführt werden können. Durch die LnBMotion Bewegungslehre wird der gesamte Bewegungsapparat gezielt mit aktiven Dehnund Kräftigungsreizen versorgt, die er benötigt, um physiologisch verschleißarm zu funktionieren. Erst diese Art der Muskelbeanspruchung kann zur vollständigen Wiederherstellung des Gleichgewichts zwischen dem Muskel, der eine Bewegung ausführt, und seinem Gegenspieler (muskeldynamisches Gleichgewicht) führen. Im Zustand des muskeldynamischen Gleichgewichts werden die Gelenke (wieder) – wie vorgesehen – belastet, dem Verschleiß aller Gelenkknorpel wird so erfolgreich entgegengewirkt.

André M. Alves André M. Alves
Heilpraktiker in eigener Praxis. Schwerpunkte: Körperarbeit, Pflanzenheilkunde, LnB-Motion Bewegungslehre
Kontakt: info@Andre-Alves.com

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