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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 1/2011

Fallstudie aus der psychotherapeutischen Praxis: Depression mit Angstsstörung

Cover

Patientin: 41-jährige selbstständige Grafikerin

Anamnese

© sk_design - Fotolia.comDie Patientin kommt mit der Diagnose Angst und depressive Störung (ICD- 10 F41.2) in meine Praxis. Seit 5 Jahren ist sie in Gesprächspsychotherapie, seit einem halben Jahr fühle sie sich überfordert und unter Druck, dass sie nicht mehr arbeiten könne. Die aktuellen Angstzustände kenne sie seit ihrer Kindheit. Im Erstgespräch wirkt sie gehemmt, depressiv, in sich gefangen.

Diagnose

Aus tiefenpsychologischer Sicht ist die Depression eine enttäuschte Mutterliebe, die dadurch entstandene Aggression wird gehemmt, um die Mutter nicht vollständig zu verlieren. Aus systemischer Sicht hat ihr Verhalten eine stützende Funktion für ihr Familiensystem. Aus verhaltenstherapeutischer Sicht stellt sich die Frage, inwieweit dieses Verhalten gelernt ist oder auf dysfunktionaler Kognition basiert. Aus traumatherapeutischer Sicht steckt die Klientin in einer defensiven Orientierungsreaktion, bei der Flucht und Kampf als Optionen weggefallen sind und es jetzt einen Übergang zum Totstellen gibt.

Es ist gut, diese verschiedenen Hypothesen der Therapieschulen im Hintergrund zu haben, spiegeln sie doch, wenn auch widersprüchlich, jahrzehntelange Erfahrungen wider. In der körperorientierten Psychotherapie liegt die Aufmerksamkeit auf den 3 Ks: Kontakt, Kontext und VerKörperung. Womit tritt sie in Kontakt, womit nicht? Welche Erfahrungen sucht sie, welche vermeidet sie? Ist das Hier und Jetzt Teil ihres erlebten Kontextes? Was verkörpert sie von Moment zu Moment, und kann sie diese Verkörperung als Handlung wahrnehmen?

Therapie

Die ersten 2 Stunden werden ihrer Lebensgeschichte und dem Beziehungsaufbau gewidmet. Ich ermutige die Klientin, ihren Rückzug und ihre Vermeidung absichtlich herbeizuführen und zu verstärken (bewusste Verkörperung). Ihr wird bewusst, wie sie damit den Kontakt zu ihrem Gegenüber beeinflusst, unnahbar wirkt, kein Durchdringen mehr möglich ist und dem Gesprächspartner somit ein Ohnmachtsgefühl vermittelt. Gleichzeitig merkt sie, dass dies nicht wirklich dem Hier-und-Jetzt-Kontext entspricht, sondern eine alte und oft wiederholte Geschichte ist. In der Familienskulptur-Arbeit wird deutlich, dass sie sich nicht familienzugehörig fühlt und sich ausschließt. Sie erlebt, dass dieses Muster ein Ausdruck des Überlebenswunsches ist. Ihr Körper will leben, er atmet ganz still, er schützt sich, ist zusammengezogen, klein, damit sie überleben kann. Was soll überleben? Diese Frage verfolgen wir dann mehrere Stunden. In ihrem Alltag entdeckt sie mehr und mehr kleine Dinge, die ihr wichtig sind und sie beleben. Gleichzeitig erfährt sie in der Therapie, dass ihre Sehnsucht, lebendig zu sein, selbst in dem vertrauensvoll erlebten Rahmen der Sitzung leicht zu stören ist.

An dieser Stelle gehen wir über zur Arbeit mit Bewegung, Raum und Atmung. Dabei fängt sie an, die Welt der Möglichkeiten zu erkennen und genau zu beobachten, welche Zeichen ihre alten Muster aktivieren und dass sie entscheiden kann, diese Muster zu nutzen oder Alternativen zu finden. Sie wird mutiger, kreativer, und nach 10 wöchentlichen Sitzungen wechseln wir zum monatlichen Coaching, das sie dazu nutzt, hartnäckige Fallen zu verstehen und zu verändern. Wir arbeiten sowohl kognitiv verhaltenstherapeutisch an der Bewusstwerdung des ungelösten Konflikts als auch systemisch. Nicht die Einsicht in ihre Muster, sondern das veränderte Erleben ihres Selbst und ihre bewusste Verkörperung führen zur Gesundung.

Wolfgang Brandt
Wolfgang Brandt
Heilpraktiker für Psychotherapie, langjährig tätig als klinischer Körpertherapeut mit Schwerpunkt Traumatherapie
Wolkenbrandt@web.de

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