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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 1/2018

Naturextrakte gegen Gelenkschmerzen

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© voren1 I fotolia.com Nichts beeinträchtigt die Lebensqualität so stark wie schmerzhafte Zustände, v.a. Gelenk- und Bewegungsschmerzen. Analgetisch wirksame Arzneimittel stehen bei den ärztlichen Verordnungen, aber auch bei der Selbstmedikation an erster Stelle. Hier herrscht eine erstaunliche Sorglosigkeit – angesichts der möglichen, heftigen Nebenwirkungen. In der Naturheilpraxis sind gut verträgliche Alternativen gefragt. Hier kann auf bestimmte schwefelhaltige Naturstoffe und diverse Pflanzenextrakte verwiesen werden. Allerdings sollten bei der praktischen Anwendung die Dosierung und Wirksynergismen mit anderen Naturstoffen berücksichtigt werden, um die in Studien ausgelobten Wirkungen zu erzielen, was in der Praxis häufig missachtet wird.

Mehr Schmerzmittel denn je – eine riskante Entwicklung

Die Rezeptierung von Analgetika ist in den vergangenen 10 Jahren sprunghaft um 50% angestiegen. Das zeigen Daten, die vom Deutschen Arzneiprüfungsinstitut (DAPI) veröffentlicht wurden. Alle Schmerzmittel, auch frei verkäufliche, können problematische Nebenwirkungen entfalten (s. Tab. 1). Am meisten gefürchtet sind bei der Anwendung der leichten Medikamente (nichtsteroidale Antirheumatika, NSAR) Komplikationen im Magen-Darm-Bereich. Durch diese Arzneimittel werden Prostaglandine blockiert, die entscheidend an der Schmerzund Entzündungsentstehung mitbeteiligt sind, aber gleichzeitig wichtig für den Schutz der Magenschleimhaut sind. Eine intensive Langzeittherapie mit Medikamenten aus der Reihe der NSAR führt bei 70% der Patienten zu Magenulzera. Vorsicht ist v.a. bei älteren Menschen geboten. Das Risiko für derartige Nebenwirkungen steigt jenseits des 60. Lebensjahrs um den Faktor 7 an. Ebenso sind die möglichen Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten (Wirkungsverstärkung/ -abschwächung) zu beachten. Nicht selten kommt es zu einer Erweiterung der Blutgefäße und damit zu einem Blutdruckabfall. Weiter sind Übelkeit, Erbrechen und Hautveränderungen mit Juckreiz möglich. Die Anwendung ist für Personen mit Atemwegserkrankungen (z.B. Asthma) problematisch, denn die Wirkstoffe dämpfen die Atmung.

Naturstoffe als effizienter und gut verträglicher Therapieansatz

© Jan Herodes I fotolia.comIm Fall von Gelenkschmerzen kann es als unzureichend betrachtet werden, lediglich Schmerzzustände bekämpfen zu wollen. Das Gelenk ist ein komplexes Gebilde, das aus Knochen, Knorpel, Bindegewebe und Muskeln besteht. Es ist sinnvoll, den im Alter ansteigenden Nährstoffbedarf aller Komponenten, die an der Bewegung mitbeteiligt sind, sicherzustellen. In vielen Fällen ist eine unzureichende Versorgung maßgeblich an der Degeneration von Gelenken, an Schmerzzuständen und Bewegungseinschränkungen mitbeteiligt.

Das Netzwerk des Knorpels besteht aus den Knorpelstoffen Glucosamin(salz), Chondroitin(salz) und Hyaluronsäure. Glucosaminhydrochlorid ist das Salz des natürlich vorkommenden Glucosamins, das im Knorpel Bestandteil der Gykosaminoglykane (Polysaccharidketten) ist. Zu den biologischen Effekten des Glucosaminsalzes zählen die Verbesserung von Aufbauprozessen, die Hemmung degenerativer Prozesse im Gelenkbereich, Schmerzstillung und Entzündungshemmung (s. Tab. 2).

Chondroitinsulfat wirkt als Flüssigkeitsmagnet: Es sorgt dafür, dass genügend Wasser in den Knorpel eingelagert wird und dieser seine schwammartigen Stoßdämpfereigenschaften nicht verliert. Durch das Einschwemmen von Flüssigkeit in das Proteoglykannetz werden wichtige Biostoffe für den Knorpel mit angezogen und damit dessen Nährstoffversorgung verbessert. Darüber hinaus bekämpft Chondroitinsulfat Enzyme, welche die Zufuhr von Nährstoffen blockieren und den Knorpel damit „aushungern“. Beide Substanzen bilden zusammen ein gutes Team, das dem Gelenkverschleiß entgegenwirkt, Schmerzen lindern und die Entzündungsbereitschaft arthrotischer Gelenke mindern kann.

Eine ganze Reihe von Untersuchungen, die in den USA, Südostasien und Europa durchgeführt wurden, hat gezeigt, dass die beiden Knorpelstoffe Schmerzen und Beschwerden wirkungsvoll hemmen und die Gelenkfunktion verbessern können – bei guter bis sehr guter Verträglichkeit. Die Substanzen werden, aufgrund der positiven Studienergebnisse, zu den strukturmodifizierenden Wirkstoffen gerechnet. Man kann davon ausgehen, dass der Knorpelstoff in den pathologischen Prozess der Arthrose eingreift und das Voranschreiten der Erkrankung bremsen kann. Gemäß der vorliegenden Studien kann eine Dosierungsempfehlung von mindestens 1500 mg/Tag Glucosamin- und 1200 mg/Tag Chondroitinsalz gelten. Bislang stand Glucosaminhydrochlorid nur aus tierischer Quelle (z.B. aus Krustentieren) zur Verfügung. Viele vegetarisch oder vegan lebende Gelenkpatienten haben in der Vergangenheit auf die Anwendung des Knorpelstoffs verzichtet. Inzwischen liegen Präparate vor, die das Glucosaminsalz aus pflanzlicher Quelle anbieten (z.B. arthrophil®, Apotheke). Dies gilt nicht für das Chondroitinsulfat, das bislang ausschließlich aus tierischer Herkunft (z.B. in arthrophil plus®, Apotheke) verfügbar ist.

Das dritte Glykosaminoglykan im Bunde ist die Hyaluronsäure. Diese ist der wichtigste Bestandteil der Synovia und für die Gleitbewegungen der Gelenke unabdingbar. Hyaluronsäure ist in der Lage, große Mengen an Wasser zu binden, wodurch ihre strukturviskosen Eigenschaften erklärt werden können. Die parenterale Anwendung von Hyaluronsäure birgt – wie alle Injektionen – grundlegend die Gefahr einer Infektion. Als Oralia haben sich Gaben von 60-80 mg/Tag bewährt. Bei allen genannten Knorpelstoffen ist die Dosierung von extremer Bedeutung. Unterdosierte Anwendungen können nicht zum gewünschten Erfolg führen.

 

MSM – Schwefel hat eine lange Tradition bei Gelenkbeschwerden

MSM (Methylsulfonylmethan) kann, in Kombination mit den bereits erwähnten Knorpel- und Vitalstoffen, bei Gelenkschmerzen äußerst hilfreich sein. Es liegen Daten aus klinischen Studien vor, die darauf hinweisen, dass durch die Anwendung von MSM klassische Schmerzmittel und Antiphlogistika eingespart werden. MSM wirkt schmerzstillend, entzündungshemmend, entkrampfend und abschwellend auf die betroffenen Gelenke. MSM macht die Zellmembranen durchlässiger und verbessert den Blutfluss. Damit gelangen wichtige körpereigene wundheilungsfördernde Stoffe schneller an den Ort der Verletzung bzw. Entzündung, was sich ebenfalls positiv auf den Heilungsprozess auswirkt.

Ein weiterer Aspekt, der zum Tragen kommt, betrifft die Tatsache, dass MSM biologischen Schwefel liefert. Interessanterweise sind nämlich die Schwefelkonzentrationen im arthrotischen Gelenk häufig stark erniedrigt, was auf einen Mangel an strukturgebenden schwefelhaltigen Aminosäuren schließen lässt. Zahlreiche Erfahrungsberichte von Ärzten aus den USA, die MSM bei Gelenkschmerz-Patienten anwandten, zeigen, dass die Einnahme der Substanz bereits nach wenigen Wochen zu einem deutlichen Rückgang der Schmerzen und zu einer besseren Beweglichkeit führt.

In einer kontrollierten Doppelblindstudie mit Frauen und Männern, die unter schmerzhafter Kniearthrose litten, wurde im Verlauf einer dreimonatigen Anwendungsdauer die Wirkung von MSM auf die Steifheit des Kniegelenks, die Beweglichkeit und die Schmerzintensität beobachtet. Dabei wurden offiziell anerkannte Beobachtungskriterien (z.B. Messung der Schmerzintensität auf einer Skala, Funktionsscores, schmerzfreie Gehstrecke, Treppensteigen etc.) zugrunde gelegt. Im Vergleich zur Placebogruppe verbesserte sich die physiologische Funktionsfähigkeit des betroffenen Kniegelenks um ein Vielfaches. Die Schmerzen und die Steifigkeit des Knies konnten reduziert und die Beweglichkeit allgemein deutlich verbessert werden. Dieses Ergebnis deckt sich mit jenen aus anderen wissenschaftlichen Untersuchungen. Man kann davon ausgehen, dass durch MSM eine deutliche Funktionsverbesserung der von Arthrose betroffenen Gelenke erreicht werden kann.

Besonders interessant sind in diesem Zusammenhang die Erfahrungen des Arztes und Leiters der Portland Klinik, USA, Professor Dr. Stanley W. Jacob, der auch ein Buch über die Wirksamkeit des MSM bei Schmerzzuständen aller Art publiziert hat: „Tausenden von Menschen, jung und alt, mit verschiedenen chronischen Schmerzzuständen, die oft mit letzter Hoffnung, nach vielen vergeblichen medizinischen Behandlungsregimen zu uns in die Portland Klinik kamen, konnte mit MSM geholfen werden“. Bewährt haben sich in der Praxis 500-700 mg/Tag. MSM sollte im Optimalfall in Kombination mit den bereits erwähnten Glykosaminoglykanen („Knorpelnahrung“, z.B. kombiniert in arthrophil®) sowie mit Brennnessel- und Hagebuttenextrakt (Apotheke) verabfolgt werden.

Pflanzenextrakte mit antiinflammatorischer Wirkung

Die Brennnessel ist eine Heilpflanze mit langer Tradition in der Volksheilkunde. Sie wurde wegen ihrer entzündungshemmenden und diuretischen Wirkung geschätzt. Inzwischen sind die wichtigsten Inhaltsstoffe der Ruderalpflanze analytisch erfasst. Das Kraut zeichnet sich durch Flavonoide, Phytosterole, Caffeoylchinasäuren und Mineralsalze (Calcium, Kalium) aus. Aber auch die siliziumhaltige Kieselsäure ist mit einem relativ hohen Gehalt im Brennnesselkraut vertreten. Das Spurenelement unterstützt, zusammen mit Vitamin C, die Kollagensynthese und ist somit auch für den Gelenkknorpel von Bedeutung. Silicium fungiert weiterhin als wichtiges Verbindungselement zwischen den Kollagenfasern und den Glykosaminoglykanen. Die Brennnessel ist in wissenschaftlichen Studien hinsichtlich ihrer durchblutungsfördernden und antiinflammatorischen Wirksamkeit untersucht worden. Es hat sich gezeigt, dass proentzündliche Zytokine, wie z.B. IL-2, NFkappa B und bestimmte Interferone, in ihrer Exprimierung gehemmt werden. In einer invitro-Untersuchung, die mit Chondrozyten durchgeführt wurde, konnte belegt werden, dass bestimmte Inhaltsstoffe der Brennnessel (Oxylipine) der Aktivierung der knorpelzerstörenden Metallomatrixproteasen entgegenwirken. Unter der Anwendung der Brennnessel ließ sich in wissenschaftlichen Untersuchungen eine Reduktion der Analgetikum-Dosis feststellen.

Auch der Hagebuttenextrakt ist im Zusammenhang mit Gelenkentzündungen in den vergangenen Jahren mehrfach wissenschaftlich geprüft worden. Die in ihm enthaltenen Galaktolipide wirken ebenfalls der Aktivierung von Entzündungsmediatoren entgegen. Klinische Studien haben gezeigt, dass die Entzündungsmarker (z.B. CRP) unter Anwendung von Hagebuttenextrakt signifikant gesenkt werden können. Die bioaktiven Pflanzeninhaltsstoffe der Früchte wirken antioxidativ und damit den entzündungsbedingten, radikalinduzierten Gewebeschäden entgegen. Ergänzend sollte hier erwähnt werden, dass die Hagebuttenfrüchte besonders reich an Vitamin C sind, das als CoFaktor für die Kollagensynthese fungiert und damit zur Strukturverbesserung des Knorpels beitragen kann.

Effekte von Brennnessel- und Hagebuttenextrakt

  • antiphlogistisch
  • antioxidativ
  • Senkung von Entzündungsmarkern
  • durchblutungsfördernd
  • Verbesserung der Nährstoffversorgung im Knorpel

Prof. Dr. rer. nat. Michaela DöllProf. Dr. rer. nat. Michaela Döll
Dipl.-Biologin mit mehrjähriger Forschungserfahrung, Expertin für Lebensmittelchemie und Ernährungsmedizin, Buchautorin
mail@prof.drmdoell.de

Buch-Tipp
Michaela Döll:
Arthrose – Endlich
schmerzfrei durch
Bio-Stoffe.
Herbig Verlag

Fotos: © voren1/fotolia.com, © Jan Herodes/fotolia.co

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