aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 1/1999
Imaginationstherapien in der Naturheilpraxis
Einsatz von Katathymem Bilderleben nicht nur bei psychischen Erkrankungen und Störungen.
Erfreulicherweise ist
immer öfters zu beobachten, wie sich Erkenntnisse der
Psychotherapie auch in anderen Lebensbereichen durchsetzen und
ihre Anwendung finden. So ist es heute keine Ausnahme mehr, daß
auch körperlich kranke Menschen eine psychotherapeutische
Behandlung erfahren, um den Krankheitsprozeß zu stoppen,
drohenden Verschlimmerungen vorzubeugen, oder gar zu heilen.
Schwere psychische und
somatische Erkrankungen gehören selbstverständlich
– primär – in die Hände von besonders geschulten
Fachfrauen und -männern. Naturheilkundige Heilpraktiker und
Ärzte können keine Psychotherapeuten ersetzen, und
wollen dies i.d.R. auch gar nicht. Aber viele psychologische
Erkenntnisse und Techniken könnten verstärkt in die
allgemeine naturheilkundliche Praxis einfließen, um sie
qualitativ noch hochwertiger und effektiver zu gestalten. Und da
bieten sich im Bereich der Psychotherapie besonders die
Imaginationstherapien an, die wegen ihrer Effektivität und
Flexibilität sehr gut handhabbar sind und sich exzellent im
naturheilkundlichen Wertegebäude integrieren lassen.
Autogenes Training
gehört mittlerweile zu den Regelangeboten der
Volkshochschulen und Krankenkassen, und auch die gelenkten
Phantasiereisen – die zu den Imaginationstherapien gehört –
sind immer öfters anzutreffen, wenn es um natürliche
Geburt, Gesundheitsprophylaxe und Rehabilitation geht. Bei den
sog. "aus-therapierten" Krankheiten, des Krebses und
den chronischen "psychosomatischen Erkrankungen", kommt
mittlerweile das "mentale Imaginieren" bzw. Training zu
Einsatz, um das Immunsystem zu stärken und/oder neu zu
konditionieren. Aber leider meist erst dann, wenn alle anderen
schulmedizinischen und naturheilkundlichen Versuche gescheitert
sind. Das "mentale (imaginative) Training" ist aber
eher den zielorientierten Verfahren der Imaginationstherapien
zuzuordnen, zu denen auch NLP gehört. Diese Verfahren oder
Techniken sind primär zum Coachen (Trainieren) von Verhalten
und zum Verändern von Einstellungs- und Wertesystemen
entwickelt worden und sind auch dazu hervorragend geeignet. Um
aber ein neues seelisches und körperliches Gleichgewicht zu
entwickeln, braucht es andere Veränderungsstrategien als die
der Zielorientiertheit. Hypnose erscheint vielen Therapeuten zu
suspekt, weil es durch die "Showhypnose" einen sehr
schlechten Ruf (zu unrecht) bekommen hat, und dieser nur sehr
schwer bei den Patienten abzubauen ist.
Als Ausweg erscheint dann oft
nur noch der Weg der Selbsthypnose, die aber
relativ schwer zu erlernen ist.
In dieser Zwickmühle
stecken oft die engagierten Heilpraktiker, Naturheilärzte,
Psychologen und psychologischen Berater, für die es aber
eine elegante Lösung gibt! Neben den Phantasiereisen, dem
mentalen imaginativen Training, der Hypnose, der Meditation und
dem des NLP, gehört das "Katathyme Bilderleben"
(KB) zu den mächtigsten imaginativen Techniken, um im Rahmen
des Möglichen sinnvolle seelische Veränderungs- und
Reifungsschritte, die sich dann auch im körperlichen Bereich
auswirken können, mit relativ geringem Aufwand einleiten,
halten und unterstützen zu können.
Das Katathyme
Bilderleben wurde von dem Psychoanalytiker Hanscarl
Leuner entwickelt. Leuner machte in seiner klinischen
therapeutischen Praxis die Erfahrung, daß nicht alle
Menschen in den Genuß der Psychoanalyse kommen konnten,
weil die zeitlichen, finanziellen und intellektuellen
Aufwendungen, die für eine gelungene psychoanalytische
Therapie unabdingbar sind, nicht immer bereitgestellt werden
konnten. Und so entwickelte Leuner, aus der – von Freud –
erarbeiteten Technik der Traumdeutung ein Imaginationsverfahren,
das er "Katathymes Bilderleben" (KB) nannte. KB wurde
anfangs als Ersatz für die Psychoanalyse entwickelt und
eingesetzt. Doch bald zeigten sich die Vorteile der neuen
Tagtraumtechnik, die in den Bereichen ihre Wirkung zeigte, wo die
alte Psychoanalyse versagte. Leuner fand heraus, daß über
80% aller seiner Klienten zu Imaginationen fähig waren, was
weit über der Einsatzfähigkeit der Psychoanalyse lag.
Anfangs benutzte Leuner die produzierten Bilder und Gefühle
im KB dazu, diese zu deuten, und diese Deutung dem Klienten
anzubieten. Doch stellte sich schnell heraus, das schon
die Wirkung des Erlebens der emotional besetzten Bilder im KB
meßbare psychische Veränderungen bewirkte. Das
Erleben, bzw. Erfahren der von den Klienten selbst
hervorgerufenen "inneren Bilder" und Emotionen und
deren Bewältigung genügte für sich alleine schon,
um eine anhaltende psychische Veränderung zu bewirken.
Und diese Veränderungen
zeigten sich sowohl als verbesserte Grundstimmung, als auch im
Verhalten des Betroffenen. Leuner gliederte das Erlernen von
Katathymem Bilderleben in Grund-, Mittel- und Oberstufe, und wies
jeweils bestimmte Bilder zu. Diese vorgegebenen Bilder wurden
anfangs noch eindringlich den Klienten abgefordert, was sich aber
später änderte. So werden die Bilder der Grundstufe,
also Wiese, Bach, Haus, Berg und Waldrand auch nur noch als
Anregung dem Klienten angeboten, die er aber nicht mehr
produzieren muß. Vielmehr wird die Autonomie und
Persönlichkeit des Klienten und dessen Fähigkeit zur
Bewältigung (mit Hilfe des KB-Therapeuten) von konfliktuösen
imaginierten Situationen mehr Beachtung geschenkt, als dem
Einhalten von vorgegeben Strukturen.
Neben seiner anhaltenden
Veränderungskraft auf den Ebenen des Verhaltens, der
Wahrnehmung und des Erlebens wirkt KB besonders hervorragend auf
der psychosomatischen und psychischen beeinflußbaren Ebene
des Menschen, was unter klinischen, wissenschaftlichen
Bedingungen nachhaltig bewiesen wurde. Das Buch "Das
Katathyme Bilderleben in der Psychosomatischen Medizin"
von Eberhard Wilke & Hanscarl Leuner, das im Verlag Hans
Huber erschienen ist, zeugt von der Wirkkraft des KB auch in den
körperlichen Bereichen der menschlichen Existenz.
Diese Wirkungen, für sich
alleine genommen, machen das Katathyme Bilderleben zu einem
mächtigen Werkzeug, welches auch Ergebnissen, die durch den
Einsatz von Hypnose gewonnen wurden, um nichts nachsteht.
Besonders die Wirkung von KB im psychosomatisch und psychisch
beeinflußbaren Bereich des Menschen machen es nicht nur
interessant für den Einsatz bei Schwangeren, sondern auch
bei somatischen Erkrankungen, wo eine psychische Komponente
vorhanden ist. Und diese ist i.d.R. bei allen chronischen
Erkrankungen existent.
Wenn Hanscarl Leuner nicht ein
solch schweres Hindernis aufgebaut hätte, um
"Nichtprofessionelle" von KB abzuhalten, so hätte
es sicherlich schon längst seinen Einzug in die
Schwangerschaftsbetreuung und in die naturheilkundlichen
Behandlungen gefunden. Leuner machte zum Erlernen von KB zur
Bedingung, daß der Lernende eine psychoanalytische
Ausbildung genossen hatte. Nur so sah er die Sicherheit
derjenigen gewährleistet, die sich der Tagtraumtechnik
unterzogen. Nur Psychoanalytiker hatten nach Leuners Auffassung
die Qualifikationen, um sich in der unbewußten Bilder- und
Gefühlswelt (den Archetypen) ihrer Klienten zu orientieren,
und diese bei ihrer inneren Arbeit zu unterstützen.
Aber die Psychotherapie hat
seit Leuner gewaltige Fortschritte gemacht, und diese
insbesondere bei den Imaginationstechniken, wie z.B. die des NLP.
Der Einsatz von sog. Sicherheitstechniken des "Ankerns"
und der Einpackstrategie des NLP machen KB in seiner
Handhabbarkeit – auch für den Patienten – so sicher, daß
es auch Menschen ohne vorgegebene psychologische oder
psychoanalytische Schulbildung anwenden können. Zudem sind
in der Zwischenzeit Imaginationstechniken entwickelt worden, die
auch Menschen, die keine "inneren Bilder" haben, den
Zugang zu KB ermöglichen. (Dadurch ist vom Prinzip her
JEDE/R fähig, KB zu erleben!)
In der praktischen Arbeit hat
sich das Katathyme Bilderleben bei der Behandlung von
psychosomatischen Erkrankungen als hervorragendes und
praktikables Mittel herausgestellt, das allen Anforderungen
gerecht wird. So können nur wenige Sitzungen bei
psychosomatisch Erkrankten den Krankheitsprozeß abbremsen,
stoppen oder gar zu Genesung führen. KB ist gut lernbar,
weil es greifbare Bilder und Strukturen schon am Anfang der
Ausbildung vermittelt, mit denen dann – unter den Schutz der
"Sicherheitsstrategien" – experimentiert werden kann,
was sich dann als erfahrbares Wissen einprägt und dadurch
die Angstschwelle der Therapeuten gesenkt werden kann. Gut
ausgereifte und praktikable Techniken sind vorhanden und es liegt
nun an den Heilpraktikern und den anderen Naturheilkundlern
selbst, sich dieses Wissen anzueignen und – zu ihrem Nutzen und
dem der Patienten – einzusetzen.
Peter Paul
Markfort
Weitere wichtige Bücher die H. Leuner
geschrieben hat, sind unter folgenden Titeln im Huber Verlag
erschienen: "Lehrbuch der Katathym-imaginativen
Psychotherapie" sowie "Psychotherapie mit dem
Tagtraum".