Anmelden als
Naturheilkunde
Lesezeit: 5 Minuten

Berufsrecht: Haftungsfallen vermeiden

© beermedia.de - fotolia.comVerweis an Facharzt zur schulmedizinischen Behandlung und Übernahmeverschulden

Vor dem Amtsgericht Ansbach machte ein Patient gegen die behandelnde Heilpraktikerin Schadensersatzansprüche geltend. Der klagende Patient behauptete, während der Behandlung habe sich sein Gesundheitszustand für die Heilpraktikerin erkennbar rapide verschlechtert, und sie hätte ihm deswegen zu einer erneuten schulmedizinischen Behandlung raten müssen, was ihm erhebliche Wochen andauernder Leiden erspart hätte. Mit Urteil vom 02.06.2015 (Az.: 2 C 1377/14) weist der Richter die Patientenklage als unbegründet ab. Es sei keine Pflicht der Heilpraktikerin gewesen, den Kläger auf die Schulmedizin zu verweisen. Grundsätzlich dürfe ein Heilpraktiker davon ausgehen, dass ein Patient, der ohne gewünschten Erfolg in schulmedizinischer Behandlung war und sich nun an ihn wendet, sich bewusst von den anerkannten Methoden der Schulmedizin ab- und zur alternativen Behandlung hin wendet. Das Amtsgericht verweist dabei auf Urteile des Oberlandesgerichtes (OLG) München. Etwas anderes kann nach Ansicht des Gerichtes nur gelten, wenn sich der Patient in einem – für den Heilpraktiker erkennbaren – akuten Zustand einer erheblichen Gesundheitsgefährdung befindet, der eine umgehende schulmedizinische Behandlung erforderlich macht.

Auf die Umstände des Behandlungsfalles kommt es an

Die Aufforderung (Verweis, dringende Empfehlung, eindeutiger medizinischer Rat), einen Facharzt für Allgemeinmedizin oder einen Facharzt anderer Fachrichtung zur Weiterbehandlung aufzusuchen, war im vom Amtsgericht zu entscheidenden Urteil nicht erforderlich. Der Richter stellt aber eindeutig fest, es könne Umstände geben, die diesen Verweis erforderlich machen. Unterlässt der Heilpraktiker in dem Fall den Verweis, wäre von einer Sorgfaltspflichtverletzung und Haftung auszugehen. Liegen Umstände vor, nach denen der Heilpraktiker zweifelt, ob seine Kenntnisse und Fähigkeiten für die Weiterbehandlung ausreichen, sollte zur Weiterbehandlung an einen Facharzt eindeutig und dringlich verwiesen werden.

Die Dokumentation hat eine besondere Bedeutung

Macht ein Patient Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend, muss er grundsätzlich alle Voraussetzungen darlegen und beweisen. Bei einem groben Behandlungsfehler erfolgt nach § 630h Abs. 5 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) eine Beweislastumkehr. Über diese gesetzliche Bestimmung hinaus sind vom Bundesgerichtshof (BGH) auch noch weitere Fallgruppen der Beweislastumkehr entwickelt worden, wozu eine nicht ordnungsgemäße Dokumentation gehören kann. § 630h Abs. 3 BGB stellt fest, es wird vermutet, was nicht in der Patientenakte aufgezeichnet ist, hat nicht stattgefunden. In einem Fall wie dem des Amtsgerichtes Ansbach sollte der behandelnde Heilpraktiker zu seiner eigenen Sicherheit an einen Facharzt verweisen und zumindest diese Aufklärung gut dokumentieren. Zusätzlich ist zumindest in problematischen Fällen die schriftliche Bestätigung der erfolgten Aufklärung mit Unterschrift des Patienten ratsam.

Zwar reicht der mündliche Rat zur Weiterbehandlung aus, sofern er in der Patientenakte eindeutig dokumentiert wird (OLG Koblenz, Urteil vom 18.06.2015, Az.: 5 U 66/15). Aus Beweisgründen sollte es für Heilpraktiker aber obligatorisch sein, sich die erfolgte Aufklärung schriftlich bestätigen zu lassen. Wenn nämlich eine schulmedizinische Behandlung durch einen Heilpraktiker empfohlen werden muss, liegen bereits Umstände vor, die zu einer haftungsrechtlichen Komplikation führen können. Dann kann eine schriftliche Aufklärungsbestätigung in einem Prozess der entscheidende Vorteil des Heilpraktikers sein.

Verweis an Facharzt zur schulmedizinischen Behandlung, notfalls Behandlungsabbruch und Übernahmeverschulden

Erkennt der Heilpraktiker nach Erhebung der Anamnese und Untersuchung, dass er die Behandlung nach seiner Ausbildung und Erfahrung (möglicherweise) nicht ordnungsgemäß durchführen kann,besteht die Notwendigkeit des Abbruches der Behandlung. Das ist stets dann zu erwägen, wenn die therapeutischen Erfordernisse des Behandlungsfalles nicht mehr im voll beherrschbaren Bereich des Heilpraktikers liegen. Spätestens dann muss er überlegen, beim Patienten darauf hinzuwirken, dass die weitere Behandlung allein durch einen Facharzt erfolgen soll. Der Patient ist darüber aufzuklären, und es ist ihm auch mitzuteilen, dass die Behandlung abgebrochen werden muss. Zur persönlichen Absicherung sollte der Heilpraktiker sich die erfolgte Aufklärung und den Behandlungsabbruch vom Patienten schriftlich bestätigen lassen. Für die bisherigen Leistungen besteht auch bei Behandlungsabbruch nach wie vor ein Honoraranspruch des Heilpraktikers.

Übernahmeverschulden

In § 630h Abs. 4 BGB ist eine Beweislastumkehr aus anderem Grund angeordnet: „War ein Behandelnder für die von ihm vorgenommene Behandlung nicht befähigt, wird vermutet, dass die mangelnde Befähigung für den Eintritt der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit ursächlich war.“ Die Folge: Der Patient muss die behauptete Sorgfaltspflichtverletzung nicht beweisen, sondern der Heilpraktiker muss glaubhaft darlegen, dass er zu der erfolgten Behandlung befähigt war und keine Fehler machte. Dies wird in vielen Fällen nicht gelingen, weshalb das sog. Übernahmeverschulden von Heilpraktikern ernst genommen werden sollte. Zahlreiche therapeutische Fehler gehen auf ein Übernahmeverschulden zurück aufgrund mangelnder Fachkenntnisse des behandelnden Therapeuten oder unzureichender sachlicher und räumlicher Ausstattung der Praxis (Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 4. Auflage, Köln, 2014, B 106). Ein Heilpraktiker muss in der Anwendung einer invasiven Behandlungsmethode für den Facharztstandard eines Allgemeinmediziners einstehen (BGH NJW 1991, 1535, 1537). Bereits bei Behandlungsbeginn hat der Heilpraktiker deshalb seine Kenntnisse und Fähigkeiten kritisch zu bedenken. Die juristischen Anforderungen an die Übernahme der Behandlung beurteilt sich unter Berücksichtigung des genannten Facharztstandards nach dem, was von einem sorgfältigen Heilpraktiker mit durchschnittlichen Kenntnissen unter Beachtung des Berufsbildes und insbesondere seiner Grenzen erwartet werden kann. Wie bereits festgestellt, gewährt die Rechtsprechung keinen „Heilpraktikerrabatt“. Für Heilpraktiker wird der Facharztstandard der Allgemeinmedizin verlangt und als Prüfungsmaßstab angewendet. Für Heilpraktiker für Psychotherapie gilt der Standard der Psychologischen Psychotherapeuten, sofern deren Methoden angewendet werden, oder der Facharztstandard Allgemeinmedizin oder Psychotherapeutische Medizin. Da Heilpraktikern für Psychotherapie eine große Bandbreite an Diagnostik und Therapie bis hin zum Einsatz psychotrop wirkender homöopathischer Arzneimittel zur Verfügung steht, kommt es bei der haftungsrechtlichen Beurteilung darauf an, was konkret angewandt worden ist. Danach richtet sich, welcher Beurteilungsmaßstab (Standard) gilt.

Dr. jur. Frank A. StebnerDr. jur. Frank A. Stebner
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht und Gesundheitsberufe

www.drstebner.de 

Weitere Artikel aus dieser Ausgabe

  1. 1
    Beauty Experten-Tipp

    Erfahren Sie, wie Sie in sieben einfachen Schritten zu gesundem, glänzendem Haar gelangen - von der richtigen Bürsttechnik über die passende Pflege bis zum schonenden Trocknen.

    Beauty und Wellness
  2. 2
    News

    Yoga kann bei psychischen Störungen ergänzend zur Psychotherapie eingesetzt werden und zeigt in Studien vielversprechende Ergebnisse, besonders in nicht-akuten Phasen.

    Psychotherapie
  3. 3
    Meine Paracelsus Schule & ich

    Marie-Luise Schyra beschreibt ihren Werdegang zur Schulleiterin der Paracelsus Schule Essen und ihre Begeisterung für Naturheilkunde und Weiterbildung.

    Naturheilkunde
  4. 4
    Paracelsus – die Heilpraktikerschulen

    Paracelsus-Heilpraktikerschulen bieten spezialisierte Ausbildungen an, von Pferdeosteopathie in Dresden über Homöopathie in Münster bis zu Tierheilkunde in Köln.

    Tierheilkunde
  5. 5
    Therapeutenportrait

    Doris Elisabeth Schmidt, Heilpraktikerin, teilt ihren Weg zur Gesundheit und spirituellen Weiterentwicklung. Ihre Schwerpunkte: Bioresonanztherapie, Ohrakupunktur und Energiearbeit.

    Naturheilkunde
  6. 6
    Für Sie gelesen & gehört

    Ein Mischung aus informativen und unterhaltsamen Büchern, die Themen von kindlicher Psyche bis zur Burnout-Bewältigung und der Wirkung von Heilpflanzen umfassen.

  7. 7
    Fallstudien aus der tierheilkundlichen Praxis: Epilepsie beim Hund

    Erfahren Sie mehr über den chihuahua Nino und seine erfolgreiche alternative Behandlung von Epilepsie sowie die Rolle der homöopathischen Mittel und der Dorn-Therapie.

    Tierheilkunde
  8. 8
    Fallstudie aus der psychotherapeutischen Praxis: Impulsives, aggressives Verhalten im sozialen Kontext

    Eine Fallstudie über aggressives Verhalten bei Kindern im sozialen Kontext, den Einfluss familiärer Hintergründe und die therapeutischen Interventionen zur Veränderung.

    Psychotherapie
  9. 9
    Fallstudie aus der naturheilkundlichen Praxis: Borreliose

    Einblick in die naturheilkundliche Behandlung von Borreliose nach einem Zeckenbiss. Erfahren Sie mehr über Diagnosemethoden und begleitende Therapien zur Verbesserung der Lebensqualität.

    Naturheilkunde
  10. 10
    VDT Akademie GUT ROSENBRAKEN

    Erfahren Sie mehr über die spannenden Praktika für Tierheilpraktiker am VDT-Lehrhof Gut Rosenbraken, wo klassische und moderne Therapiemethoden intensiv gelehrt werden.

    Tierheilkunde
  11. 12
    Manuelle Therapie

    Die manuelle Therapie befasst sich mit der Diagnose und Behandlung reversible Funktionsstörungen am Bewegungsapparat. Erfahren Sie mehr über Techniken und Anwendungsbereiche.

    Naturheilkunde
  12. 13
    Glosse: Glutenfrei, Zuckerfrei und Spaß dabei

    In einer von Ernährungstrends dominierten Welt hinterfragt die Autorin die Vor- und Nachteile von gluten- und zuckerfreier Ernährung und plädiert für bewussten Genuss.

    Psychotherapie
  13. 14
    THP-Kongress in Lindau

    Tierheilpraktiker aus Deutschland, Österreich und der Schweiz trafen sich in Lindau zum 24. THP-Kongress des Verbands Deutscher Tierheilpraktiker. Ein vielfältiges Programm bot spannende Einblicke in die Tierheilkunde.

    Tierheilkunde
  14. 15
    Faszien-Yoga

    Faszien-Yoga kombiniert traditionelle Yogapraktiken mit neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen über das Bindegewebe. Diese integrale Methode verbindet Hatha-Yoga mit modernen Techniken, um Beweglichkeit und Wohlbefinden zu fördern.

    Beauty und Wellness
  15. 16
    Chinesische Kräutermedizin in der Tierheilkunde

    Die chinesische Kräutermedizin spielt in der Tierheilkunde eine wichtige Rolle, indem sie traditionelle Rezepturen mit modernen Ansätzen kombiniert. Diese Praxis erfordert jedoch eine gründliche Überprüfung der Herkunft und Qualität der Kräuter.

    Tierheilkunde
  16. 17
    Herzenssache

    Zhineng Qigong ist ein effektives Mittel zur Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen durch die Förderung des Energieflusses im Körper.

    Energetik und Spiritualität
  17. 18
    40 Jahre Paracelsus Heilpraktikerschulen

    Seit 40 Jahren prägen die Paracelsus Heilpraktikerschulen die Aus- und Weiterbildung in Natur- und Alternativmedizin. Einblick in Geschichte, Entwicklung und Angebote dieser Institution.

    Naturheilkunde
  18. 19
    Die Renaissance uralter Heilmittel: Stuten- und Ziegenmilch

    Die Verbindung aus Stuten- und Ziegenmilch vereint wertvolle Inhaltsstoffe beider und stärkt das Immunsystem auf natürliche Weise. Das "weiße Gold" überzeugt mit positiven Effekten bei verschiedenen Beschwerden.

    Naturheilkunde
  19. 20
    HEUSCHNUPFEN – Prophylaxe und Akuttherapie

    Heuschnupfen kann durch Eigenbluttherapie prophylaktisch und durch Akupunktur sowie homöopathische Medikamente akut behandelt werden. Erfahren Sie mehr über alternative Therapieansätze.

    Naturheilkunde
  20. 21
    Ist Krebs eine Stoffwechsel- Erkrankung?

    Krebs wird oft als genetische Krankheit angesehen, doch gibt es auch Theorien, die ihn als Stoffwechselerkrankung betrachten. Diese Sichtweise eröffnet alternative Therapieansätze.

    Naturheilkunde
  21. 22
    Im Fokus: Moringa oleifera

    Moringa oleifera, bekannt als "Wunderbaum", wird sowohl als Nahrungsergänzungsmittel als auch in der Heilkunde geschätzt. Doch ist der Hype um diese Pflanze gerechtfertigt?

    Naturheilkunde
  22. 23
    Hypnose mit Kindern – geht das?

    Hypnotherapie bei Kindern ist trotz Sprach- und Aufmerksamkeitshürden möglich. Der Artikel untersucht empirische Ansätze, wie Hypnose bei sehr jungen Patienten effektiv eingesetzt werden kann.

    Psychotherapie