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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 1/2017

Zähne und Körper in Harmonie

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2017 01 Zahn1Seit über 20 Jahren arbeite ich als Zahnarzt. Bereits während meiner Assistenzzeit kam ich in Kontakt mit der ganzheitlichen Zahnmedizin. Ich erhielt Einblick in die Austestung der Verträglichkeit von zahnärztlichen Materialien mittels Elektroakupunktur. Zu diesem Zeitpunkt bildete das Gros der Patientennachfrage noch die Amalgamsanierung und -ausleitung sowie die Suche nach dentalen Störfeldern. Meine entscheidende therapeutische Prägung ergab sich durch den Besuch eines Fortbildungsseminars über Applied Kinesiology (AK), heute Funktionelle Myodiagnostik (FMD) genannt. Dieser unmittelbare Kontakt mit dem Patienten, dieses Gefühl, wenn sich die Muskelkraft schlagartig ändert, z.B. nach dem Auflegen eines homöopathischen Mittels oder nach Korrektur eines Schädel- oder Beckenfehler, hat mich damals unglaublich begeistert, und tut es noch heute.

Ich wollte diese Untersuchungsmethode ausführlich erlernen, zugleich ergab sich dabei auch die Chance, einen großen Überblick über viele bewährte naturheilkundliche Therapiemethoden zu erhalten: Osteopathie, Homöopathie, Phytotherapie, Akupunktur etc.

Heute wende ich all dieses Wissen täglich mit Freude an!

Bei unserer Behandlung kommen wir immer wieder an Grenzen, wo unsere schuldmedizinische Ausbildung keine befriedigende Antwort gibt und dementsprechend unsere Therapie zu einem Trial-and-Error-Vorgehen drängt. Anhand einiger Fallbeschreibungen möchte ich aufzeigen, wie wir durch eine ganzheitliche Diagnostik unsere therapeutische Reichweite vergrößern und unsere Erfolge verbessern können.

Eine 74-jährige Patientin, die von mir schon über viele Jahre betreut wurde, erschien in meiner Praxis mit der Sorge: „All meine Zähne sind locker und wackeln“. Die klinische Untersuchung bestätigte den generellen Lockerungsgrad II-III, entzündeter Zahnhalteapparat (Parodontitis), mit Blutung, Zahnfleischtaschenbildung (erhöhter Sondierungstiefe mit Zahnfleischsonde). Das Bild war vereinbar mit einer generalisierten Parodontitis. Doch mir kam das Ganze merkwürdig vor: zu plötzlich, zu umfangreich, zu wenig sichtbarer Belag …

Eine genauere Befragung, „ob sich denn in letzter Zeit etwas Besonderes zugetragen habe“, lieferte schließlich den entscheidenden Hinweis. Der Patientin war vor 6 Monaten ein neues Hüftgelenk eingesetzt worden. Dabei wurde laut ihrer Aussage eine Überkorrektur vorgenommen. Bei dieser Patientin hatte sich leider kein Ausgleich eingestellt. Die Beine legten eine tatsächliche Beinlängendifferenz nahe, das Becken war gekippt. In der Folgekette versuchte sich der ganze Körper an diese neue Situation zu adaptieren. Die Patientin begann unwillkürlich zu pressen und zu knirschen, sie versuchte, damit ihren bestehenden Biss für die neue Körperstatik „einzuschleifen“. Die Zähne waren mit dieser enormen Fehlbelastung überfordert und lockerten sich. Dabei handelt es sich um ein Phänomen, das wir relativ häufig in der Praxis antreffen. Je nach individueller Ausgangslage lockern sich entweder die Zähne, oder sie bleiben fest und die Patienten knirschen sich die Zahnsubstanz weg.

Eine Überweisung zum Orthopäden bestätigte in diesem Fall den Verdacht der tatsächlichen Beinlängendifferenz. Durch eine einseitige Schuherhöhung wurde sie ausgeglichen, der Beckenschiefstand behoben. Die zahnärztliche Untersuchung nach 8 Wochen zeigte eine vollständige Festigung sämtlicher Zähne. Ohne eine ganzheitliche Untersuchung wäre diese Patientin im Sinne einer Parodontitiserkrankung behandelt worden: Zahnhygienemotivation, professionelle Zahnreinigung, Wurzelreinigung und -glättung, evtl. eine Erreger-DNS-Bestimmung mit möglicher kombinierter Antibiosetherapie, erneute Hygienemotivation etc.

Die tatsächliche Diagnose in diesem Fall: Eine craniomandibuläre Dysfunktion CMD, mit aufsteigender Ursache, die das Bild einer generalisierten Parodontitis hervorgerufen hat.

Durch die enge Zusammenarbeit mit Osteopathen, Heilpraktikern und Physiotherapeuten treffe ich in meiner täglichen Arbeit besonders häufig auf Patienten, die unter einer craniomandibulären Dysfunktion leiden. Das Symptombild ist sehr vielschichtig und eine erfolgreiche Therapie verlangt die entschlossene Zusammenarbeit mehrerer Berufsgruppen. Überraschungen bleiben nicht aus, manchmal führt der Weg in eine ganz andere Richtung. So auch im nächsten Fallbeispiel.

Eine 39-jährige Patientin wurde mir vom Osteopathen überwiesen mit dem Hinweis: „Irgendwie stimmt hier überhaupt nichts“ und der Bitte um Abklärung, ob möglicherweise der Biss verantwortlich sei. Neben zahlreichen osteopathischen Befunden traten bei der Patientin seit einigen Monaten sehr heftige Herzrhythmusstörungen auf. Die nähere Befragung, ob sie im zeitlichen Zusammenhang ein Ereignis oder eine Änderung nennen könne, ergab zunächst keinen Hinweis. Erst bei der zahnärztlichen Untersuchung und der Frage, „wann denn die Keramikinlays eingesetzt worden waren“, deutete sich ein Zusammenhang an. Nach 5 Minuten Untersuchung mit funktioneller Myodiagnostik ergab sich der Verdacht auf Materialunverträglichkeit auf einen Kleberbestandteil, der zum Eingliedern der Keramikinlays verwendet worden war. Zur Absicherung der Diagnose wurde der Patientin Blut abgenommen, ein Basophilen-Degenerationstest (BDT) sowie ein Lymphozytentransformationstest (LTT) durchgeführt. Letzterer bestätigte den Verdacht und führte zur Diagnose: „Zelluläre Immunisierung im Sinne einer Typ IV-Immunreaktion gegenüber TEG-DMA“, einem Bestandteil des verwendeten Kunststoffklebers zum Einsetzen der Keramikinlays. Um sich ein Bild davon zu machen, wie sehr der Mensch unter einer solchen Belastung leidet, bietet sich ein guter Vergleich an, diesen habe ich bei meiner Ausbildung zum Umweltzahnmediziner gelernt: „Stellen Sie sich bitte vor, Sie haben 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr Grippe!“

Für meine tägliche Arbeit als ganzheitlich tätiger Zahnarzt ist die Beherrschung eines bioenergetischen Untersuchungsverfahrens unerlässlich. Die Applied Kinesiology bzw. funktionelle Myodiagnostik hat sich bei mir erfolgreich bewährt, gerade weil alles mit allem zusammenhängt und ich differenzieren muss: „Wo finde ich einen therapeutischen Zugang?“ Bei einer „Krake“, wie im Fall der craniomandibulären Dysfunktion, reicht es nicht, dem Patienten einfach zu sagen: „Sie benötigen eine Aufbiss-Schiene“. Hier würde man die Ursache für die bestehenden Symptome alleine auf einen nicht zum übrigen Körper passenden maximalen Schlussbiss reduzieren. Vielleicht besteht ja ein aufsteigendes Problem wie im oben beschriebenen Fall und die Patientin benötigt überhaupt keine Schienentherapie. Und genau hier ist der entscheidende Vorteil, wenn man neben den schulmedizinischen Mitteln eine bioenergetische Untersuchungsmethode beherrscht, die alle drei Seiten der Triad-of- Health berücksichtigt: Struktur, Chemie und Psyche. In wenigen Minuten ist eine Abklärung der Ursachen möglich.

Habe ich ein Zahnstörfeld, das meine gesamte Körperstatik beeinflusst und bei jedem Aufbiss zusätzlich aktiviert wird? In der Praxis zeigt sich hier eine funktionelle Beckenkippung, die aufhebbar ist durch Auflegen einer homöopathischen Nosode, hergestellt aus entzündetem Kieferknochen. Hier wäre eine chirurgische Störfeldsanierung angezeigt.

Besteht eine unerkannte Fehlsichtigkeit? Hier wäre z.B. der Optometrist gefragt. In der Praxis finden wir z.B. verspannte Kau-, Kauhilfs- und Nackenmuskulatur.

Hat der Patient ein aufsteigendes Statikproblem, benötigt er z.B. propriozeptive Schuheinlagen. Es ist in der Praxis immer wieder anzutreffen: Ein Patient hat plötzlich Nackenverspannungen, Kiefergelenksschmerzen, sogar Kiefergelenksknacken, und auf Nachfrage gibt er an, neue Schuheinlagen zu tragen.

Sind Narben von Operationen oder Verletzungen vorhanden, die als Störfeld wirken, den Meridianfluss stören, einen Faszienzug verursachen etc.?

Besteht eine psychische Belastung, ein seelischer Konflikt?

Ist ein verstecktes Trauma vorhanden? Hier wäre die Injury-Recall-Technik ein hervorragendes Instrument.

Hat der Patient Nährstoffdefizite, die z.B. die Aktivierung von Triggerpunkten in der Kaumuskulatur induzieren? Hier wäre eine temporäre Unterstützung durch Vitamine, Mineralien, Spurenelemente etc. zu empfehlen oder eine Überweisung zum Heilpraktiker zur Darmsanierung, Ernährungslenkung etc.

Materialunverträglichkeit: Nicht selten erscheinen Patienten mit einer Schiene in unserer Praxis und fragen, ob diese Schiene gut für sie sei, und in der Untersuchung stellt sich heraus, dass das Schienenmaterial nicht vertragen wird.

Diese Liste lässt sich noch verlängern, doch man erkennt, dass viele Punkte abgeklärt sein müssen, bevor wir eine Therapie der CMD durch einen Aufbissbehelf empfehlen. Gleichzeitig zeigt sich hier auch die Schnittstelle zu anderen Therapeuten: Heilpraktikern, Osteopathen und ganzheitlich arbeitenden Ärzten.

Klaus MoßhammerKlaus Moßhammer
Zahnarzt mit eigener Praxis für ganzheitliche Zahnmedizin in Inning am Ammersee

www.praxis-mosshammer.de

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