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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 1/2017

Haarausfall bei Frauen

Cover

© Meile WirselBehandlungsziel: Lebensqualität zurückgewinnen

Eine Frau mit vollem Haar strahlt Attraktivität, Selbstbewusstsein, Jugendlichkeit und Vitalität aus, eine individuelle Frisur ist wesentlich fürs weibliche Styling und Selbstverständnis. Entsprechend stark leiden Frauen, wenn die Haare lichter werden oder gar ausfallen. Dies umso mehr, da Haarausfall bei einer Frau weniger normal erscheint als beim Mann. Weiblicher Haarausfall ist aber weiter verbreitet als man denkt, da Frauen so ziemlich alles tun, um ihn zu kaschieren. Tatsächlich sind ca. 40% aller Frauen im Laufe ihres Lebens davon betroffen.

Aber warum gehen Haare überhaupt verloren? Ein Mensch verliert um die 100 Haare pro Tag, das ist ganz normal und, bedingt durch die physiologische Lebensdauer eines Haares, sogar notwendig, denn so wird Platz für Neuwachstum geschaffen. Für jedes Verlorene wächst auch eines nach. Aber wenn mehr Haare ausfallen, als es normal und natürlich ist, kann frau aktiv werden. Nicht alle Kopfhaare befinden sich gleichzeitig im Wachstum, denn jedes Haar durchläuft nacheinander verschiedene Phasen (Abb. 2).

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Haarausfall – keine Bagatelle

Was jedoch, wenn die Ausfallphase überhandnimmt? Verliert eine Frau dauerhaft eine übermäßige Anzahl von Haaren, sprechen wir von Haarausfall. Anders als bei Männern, bei denen sich der Haarverlust an fest umrissenen Stellen zeigt, wird Frauenhaar meist generell lichter und fällt diffus aus, häufig im Areal des Mittelscheitels. Die Haarlinie bleibt meist erhalten. Gerade für Frauen bedeutet dies oft eine enorme Einschränkung der Lebensqualität. Die Haare – als Zeichen von Weiblichkeit und Gesundheit – fallen aus, das äußere Erscheinungsbild ist sichtlich verändert und wird erschreckend oft mit einer Krankheit assoziiert. Das nagt am Selbstbewusstsein und führt nicht selten zu sozialer Isolation (Quelle: R. M. Trüeb: Haare – Praxis der Trichologie, Springer Verlag, 2003). Das Ziel jeglicher Behandlungs- und Therapieansätze sollte es also sein, frühzeitig alles zu tun, um die Lebensqualität zurückzugewinnen und langfristig zu verbessern. Dazu ist es wichtig, zunächst die Ursache des Haarausfalls zu untersuchen.

Ursachenerforschung

Wenn ein augenscheinlicher Haarausfall vorhanden ist, können die Gründe dafür sehr vielseitig sein: Krankheit, Medikamente, Stress und vieles anderes. In den meisten Fällen ist Haarausfall erblich bedingt. Medizinisch unterscheiden wir zwischen drei Arten des Haarausfalls:

  • erblich bedingter Haarausfall (androgenetische Alopezie)
  • kreisrunder Haarausfall (Alopezia areata)
  • diffuser Haarausfall (diffuse Alopezie)

Weiterhin können mechanische Einwirkungen Ursache eines dauerhaften Haarverlustes sein: Ein durchgängig streng nach hinten gezogener Zopf z.B. belastet die Haarwurzel durch den extremen Zug. Sie wird traumatisiert und stirbt regelrecht ab – die Folge zeigt einen sehr unnatürlich hohen Haaransatz am Vorderkopf (Traction Alopecia, Abb. 3).

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Die Ursache des erblich bedingten Haarausfalls ist bei Frauen weniger klar als bei Männern, aber ebenfalls hormonell bedingt: Bei Männern spielt das Hormon Dihydrotestosteron (DHT) eine Rolle, die Empfindlichkeit bestimmter Haarwurzeln auf dieses Hormon wird vererbt. Bei Frauen spielt DHT nur eine indirekte Rolle, wenn überhaupt. Sicher ist: Die Wachstumsphase der Haare verkürzt sich, sie fallen früher aus und werden von Zyklus zu Zyklus dünner, bis sie mitsamt der Haarwurzel absterben. Ort des krankhaften Geschehens sind also die Haarwurzeln selbst.

Einteilung des erblich bedingten Haarausfalls bei Frauen

Die unterschiedlichen Typen des Haarausfalls bei Frauen werden in Fachkreisen mithilfe der Ludwig- Skala (Abb. 3) beschrieben. Meistens bleibt die Haarlinie erhalten und der Haarausfall beginnt am Mittelscheitel.

Ludwig I: Im frühen Stadium dünnt das Haar schleichend aus − das Volumen nimmt ab, noch gelingt es den Betroffenen, das Haarproblem durch geschicktes Frisieren zu kaschieren.

Ludwig II: Der Haarausfall zeigt sich deutlich entlang des Scheitels. Auch eine verringerte Haardichte ist ein Symptom für diesen fortgeschrittenen Typ.

Ludwig III: Die Kopfhaut scheint gänzlich oder teilweise durch. Auch komplett kahle Stellen am Oberkopf sind möglich.

Die Ursachen für den kreisrunden Haarausfall (Aloplecia areata, Abb. 3) sind bis heute unklar. Innerhalb weniger Wochen bilden sich runde, kahle Stellen am Kopf oder an den Augenbrauen. Es wird vermutet, dass eine Fehlsteuerung des Immunsystems ein Auslöser für diese Form des Haarverlusts sein könnte. Er tritt bei Frauen (2%) häufiger auf als bei Männern. In der Regel wachsen die Haare innerhalb eines Jahres wieder nach, aber manchmal auch nicht.

Der diffuse Haarausfall kann eine Vielzahl von Ursachen haben. Schilddrüsenerkrankungen verändern den Stoffwechsel und können zu diffusen Haarveränderungen und -ausfällen führen. Ein Mangel an Ferritin (Speichereisen) oder anderen Mineralien und Nährstoffen, z.B. durch einseitige oder diätetische Ernährung, kann ebenfalls Ursache für diffusen Haarverlust sein, ebenso chronische oder infektiöse Erkrankungen. Auch einige Medikamente können Haarausfall als Nebenwirkung zeigen, so wird dies z.B. bei der langfristigen Einnahme von Cholesterinsenkern oder Mitteln zur Blutverdünnung beobachtet. Es gibt weitere Ursachen, die kurz- oder langfristig weiblichen Haarausfall begünstigen können: hormonelle Schwankungen durch Stress, Schwangerschaft, Stillzeit oder die Wechseljahre (Abfall des Östrogenspiegels).

Hilfe beim Experten und Heilpraktiker

Ein Besuch beim Haarspezialisten ist so frühzeitig wie möglich zu empfehlen, wenn täglich dauerhaft mehr als 100 Haare ausfallen. Hier kann sowohl ein Dermatologe als auch ein erfahrener Heilpraktiker helfen. Der Experte betrachtet in der Diagnostik die Struktur der Haare und die Haardichte. Eine Analyse der Kopfhaut (Trichoscan, Abb. 5+6) kann Informationen zur Anzahl und Gesundheit der einzelnen Haarfollikel geben. Auch die Lokalisation und Form des Haarausfalls wird beurteilt, da diese entscheidend für die Auswahl einer Therapie sind.

© Florian Velten © Florian Velten

In einigen Fällen fangen die Haare wieder normal an zu wachsen, wenn die Ursachen des Ausfalls wegfallen, z.B. nach Ende einer Chemotherapie oder wenn eine Hormonstörung wieder ausgeglichen wird. Ist der Haarverlust hingegen dauerhaft, versuchen sich die Betroffenen mit Tinkturen, Shampoos und Haarwässern zu helfen. Seit 40 Jahren ist das rezeptfreie Minoxidil (ursprünglich ein Medikament zur Blutdrucksenkung) in der Lage, Haarausfall effektiv zu reduzieren. Aber nur, solange die Haarwurzeln noch intakt sind.

© Bruce M. Reith

Bei beginnendem Haarausfall kann außerdem eine bestimmte Art der Mesotherapie/Mesohair (Abb. 4) helfen, den Verlust der Haare aufzuhalten oder diese sogar zum (Neu-) Wachstum anregen. Die Behandlung ist sanft und schmerzfrei und kann von einem Arzt oder Heilpraktiker durchgeführt werden. Mittels einer winzigen Kanüle erfolgt die Injizierung einer individuell zusammengestellten Vitaminlösung, bestehend z.B. aus Dexpanthenol, Biotin oder Coenzym Q10, direkt in die Kopfhaut. Folge ist eine Verbesserung der Mikrozirkulation der Haut, einzelne Haarfollikel revitalisieren sich und werden gestärkt. Fachleute empfehlen aus langjähriger Erfahrung 6 Anwendungen, jeweils im einwöchigen Rhythmus, anschließend bei Bedarf eine monatliche Erhaltungstherapie.

Die Wirksamkeit wurde bereits mehrfach durch Studien nachgewiesen. In rund 80% der Fälle ließ der Haarausfall ab der dritten Behandlung nach. Nach 2 bis 3 Monaten stellten die Probanden ein gesünderes und volleres Haarwachstum fest. Eine Mesotherapie erzielt bei vielen Formen des Haarausfalls erfolgreiche Ergebnisse. Die Behandlung der Alopecia areata und des androgenen Haarausfalls bei der Frau sind bei Privatversicherten erstattungsfähig, da beide Formen als krankhaft angesehen werden.

Eine weitere moderne Behandlungsmethode ist die PRP-Eigenbluttherapie (Platelet-Rich Plasma = plättchenreiches Plasma). Im Bereich der Faltenbehandlung ist diese Technik als „Vampir- Lifting“ bekannt geworden. Hintergrund: Alterungsprozesse entstehen dadurch, dass der Körper absterbende oder kranke Zellen nicht mehr aus eigener Kraft ersetzen kann.

Wunden verheilen langsamer, Haare fallen aus, das Gesicht verliert an Volumen. Diese Alterungsprozesse können durch körpereigene Wachstumsfaktoren positiv beeinflusst werden, indem die Zellen zur Regeneration angeregt werden. Konzentriertes Blutplasma mit körpereigenen Wachstumsfaktoren wird aus entnommenem Eigenblut herausgefiltert, aufbereitet und wieder injiziert. In der Folge reagiert der Körper mit einer starken Regeneration der Zellen, der Haarausfall wird verlangsamt, die Haarqualität verbessert und, sofern die Haarwurzeln noch intakt sind, ein erneutes und anhaltendes Wachstum gefördert (Abb. 7).

© Bruce M. Reith

Temporäre Camouflage − Hilfe vom Friseur

Selbstverständlich sind auch klassisch-dekorative Lösungen ein Thema. Eine gute Frisur kann helfen, kahle Stellen zu verdecken. Haarverdickungen durch Extensions sind ein oft gewähltes Mittel, um mehr Fülle vorzutäuschen. Allerdings sind gut gemachte Extensions aufwendig, kostspielig und begrenzt „haltbar“. Eine Alternative sind Echthaarperücken, die individuell angefertigt werden und heutzutage nicht mehr direkt als „unecht“ erkennbar sind. Auch eine Perücke lässt sich waschen und frisieren – wie echtes Haar. Dies kann gerade für einen zeitlich begrenzten Haarausfall eine gute Möglichkeit einer Übergangsbehandlung sein.

Dauerhaft sorgenfrei: Haartransplantation

Die nachhaltigste Therapie, den Haarverlust auszugleichen, ist die Eigenhaartransplantation. Diese ist bei Frauen abhängig vom individuellen Grad des Haarproblems. Betroffenen des Ludwig-Typs I wird üblicherweise von einer Eigenhaartransplantation abgeraten. Ist das Spenderareal am Hinterkopf gesund und ausreichend dicht, gilt eine Haarverpflanzung bei Frauen des Typen II als erfolgsversprechend. Stuft der Haarexperte das Haarproblem als Typ III ein, ist eine Haartransplantation die logische Maßnahme.

Wichtig: Da bei Frauen die Haare eher dünn als kahl sind, ist die Haartransplantation schwieriger als beim Mann, weil trotz sorgfältiger Vorgehensweise umliegende Haarwurzeln geschädigt werden können. Deswegen sollte diese nur von sehr erfahrenen Haarchirurgen durchgeführt werden!

Bei der modernen, von mir favorisierten Streifen-Technik – FUT (Abb. 10) wird der Patientin ein feiner Hautstreifen aus der mit Haaren bewachsenen Kopfhaut des Hinterkopfes entnommen. Die einzelnen Haarfollikeleinheiten – 1 bis 4 Härchen mit Wurzeln, Talgdrüsen und Haarmuskel – werden unter dem Mikroskop präpariert. In dieser Zeit bringt der Chirurg mittels Hohlnadel oder Skalpell kleine Öffnungen in die Kopfhaut der kahlen Stellen ein. Dann werden die präparierten Follikel-Einheiten (Grafts) in die Öffnungen eingesetzt. Die Haarwurzeln stellen zwar unmittelbar nach der Transplantation die Produktion des Haares ein, beginnen aber nach ca. 3 Monaten im neuen Zyklus gesunde, natürliche Haare zu produzieren, die lebenslang wachsen.

© Bruce M. Reith

Diese Technik wurde bei der jungen Sängerin Kim Gloss (Abb. 1, 8, 9) angewendet, die durch stark nach hinten gezogene Frisuren (Zugtrauma) im Stirnbereich an Haarverlust litt. Bei diesem schonenden, minimalinvasiven Eingriff hält das Resultat das ganze Leben, da nicht die kahle Umgebung entscheidend ist für das Wachstum des Abb. 9: Kim Gloss, nachher, November 2016 Haares, sondern die genetischen Informationen der Haarwurzel. So wird durch Haare aus dem Hinterkopf der Haarwuchs auf der Empfängerfläche dauerhaft gewährleistet. Das endgültige Resultat ist nach ca. 12 Monaten sichtbar.

© Bruce M. Reith © Bruce M. Reith

Chirurgisch können enorm gute, natürliche und dauerhafte Ergebnisse erzielt werden. Eine Transplantation des Eigenhaars kann der betroffenen Frau ihre Lebensqualität und das Selbstwertgefühl, attraktiv zu sein, zurückgeben.

2017 01 Haar13Auf dem Welthaarkongress in Las Vegas habe ich kürzlich eine Studie vorgestellt. Sie belegt, dass Haartransplantationen nicht nur das Aussehen an sich, sondern auch die gesamte Lebensqualität des Betroffenen in allen Bereichen verbessern. Selbst die Rate klinisch relevanter Depressionen, unter denen 18,2% der Studienteilnehmer litten, sank signifikant auf 2,4%. Volle Haare sind also kein Trend, sondern ein Grundbedürfnis!

Die komplette Studie können Sie hier herunterladen [PDF].

Bruce Reith, MDBruce Reith, MD
Chefarzt der Kö(hair)-Klinik und des Haarzentrums der Bodenseeklinik Prof. Mang, zertifizierter Mesotherapeut, Post graduate PhD student Public Health (St. Elisabeth University BL)
Brucereith@me.com

2017 01 Haar12Reith, Bruce:
Angstfrei vor der Operation –
Auditive Schmerztherapie,
M.A.M. Verlag, 2017

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