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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 2/2018

Kein Herz für unheilbar Kranke

Cover

Trotz der Möglichkeiten, welche die moderne Medizin inzwischen bietet, gibt es immer noch unheilbare Krankheiten. Man denke an Multiple Sklerose und andere Autoimmunkrankheiten, wie Diabetes Typ 1, verschiedene Demenzformen oder einige Krebsarten. Kaum vorstellbar, welch unsagbares Leid und Schmerzen hinter diesen Erkrankungen stehen.

2017 hörte man immer wieder von Steuerüberschüssen. Einmal waren es 5 Milliarden Euro, dann 50. Niemals hörte man jedoch, dass auch nur 1 Milliarde zur Erforschung und Heilung einer einzigen, bislang unheilbaren Krankheit vorgesehen war. Es wurde gesagt, dass es unserem Land sehr gut gehe. Dass das nicht alle betrifft, davon war keine Rede.

Als Beispiel sei Multiple Sklerose (MS) genannt. Die Angaben zur Zahl der Betroffenen in Deutschland schwanken – je nach Quelle − zwischen 120000 und 200000 Betroffenen. Befragt man jedoch die gesunde Bevölkerung, so haben diese Personen in der Regel zwischen zwei und fünf Freunde, Bekannte, Verwandte etc., die mit dieser Krankheit leben. Überträgt man dies auf die Gesamtbevölkerung in Deutschland, so kommt man auf eine Zahl von etwa 1,2 Millionen Betroffenen. Warum dies nicht näher untersucht wird, kann man nur mutmaßen. Müsste man dann doch einen kostenintensiven Plan entwickeln, wie es ihn z.B. für Diabetes Typ 2 gibt: ein sog. strukturiertes Behandlungsprogramm (Disease Management Program, DMP). Dieses umfasst alle notwendigen Untersuchungen und Behandlungsschritte, die im Rahmen eines Diabetes Typ 2 erforderlich sind. DMP werden staatlich gefördert und für einige chronische Krankheiten angeboten. Für alle gelten dabei dieselben anerkannten Behandlungsleitlinien. Die Multiple Sklerose ist nicht dabei.

Es gibt aber auch positive Ansätze! So plant das Klinikum rechts der Isar in München ein Zentrum zur Erforschung Multipler Sklerose. Auch über Morbus Alzheimer sollen Studien durchgeführt werden. Bald schon soll das Krebsforschungszentrum „TranslaTUM“ der Technischen Universität (TUM) eröffnen. Das MS-Zentrum werde mit 34 Millionen Euro verwirklicht werden, davon 9 Millionen vom Bayerischen Wissenschaftsministerium und weitere 25 Millionen von der „Klaus Tschira Stiftung“ in Heidelberg, welche die Naturwissenschaften fördert. 20 Millionen Euro sind für den Bau vorgesehen und 5 Millionen für die Forschung. Wie hilfreich wäre da 1 Milliarde Euro aus den zusätzlichen Steuereinnahmen des Bundes?

Auch Forscher auf diesem Gebiet bräuchten dringend mehr Geldmittel! „Als Forscher in der Gangrehabilitation der chronisch-progressiven Multiplen Sklerose bin ich seit Jahren Zeuge einer aus meiner Sicht gravierenden Fehlentwicklung. Im Gegensatz zu anderen weitverbreiteten neurologischen Erkrankungen des Alters (Schlaganfall und Demenz), wird die MS-Forschung weniger beachtet, d.h. gefördert, insbesondere dann, wenn es sich um nichtmedikamentöse, auf innovative Technik und Training basierende Therapieansätze handelt, die im Vergleich zur medikamentösen Therapie prinzipienbedingt weitgehend nebenwirkungsarm sind.“ Diese Ansicht vertritt Dr. med. Dr. med. habil. Dipl. Ing. Johann Szecsi. Er ist seit 15 Jahren Forscher und Projektleiter im Bereich Neurorehabilitation in einer Forschungseinrichtung der LMU München (Ludwig-Maximilians-Universität).

Um auf diese Situation aufmerksam zu machen, damit unheilbar Kranken in unserem Land besser geholfen werden könnte, schrieb ich einen offenen Brief an den damaligen Bundesfinanzminister, Herrn Dr. Wolfgang Schäuble (s. folgender Text). Leider erhielt ich darauf keine Antwort.

1 Milliarde Euro jährlich für die Beseitigung einer unheilbaren Krankheit – offener Brief mit Unterschriftenliste

Sehr geehrter Herr Dr. Schäuble,
ich bin Dipl.-Biologin und Autorin für Gesundheits- und Ernährungsbücher. Ihren Sparkurs finde ich sehr gut, ist es doch leider möglich, dass es unserer Wirtschaft eines Tages schlechter geht und wir dann noch einen Berg Schulden abbauen müssen.

ABER: Wenn ich in den Nachrichten höre, dass wir wieder Mehreinnahmen von mehreren Milliarden haben, muss ich an die vielen unheilbar Kranken denken, die eine Hilfe dringend nötig hätten. Dabei denke ich in erster Linie an Multiple-Sklerose-, Demenz-, Krebs- und Diabetes-Erkrankte, um nur einige zu nennen. Auch Querschnitt-Gelähmten könnte man dann möglicherweise helfen. Würden Sie jedes Jahr jeweils 1 Milliarde Euro für die Heilung bzw. Erforschung dieser und anderer Erkrankungen zur Verfügung stellen, könnte man damit sehr, sehr viel Leid mindern.

Das würde auch dem Ruf von Deutschland sehr viel nützen – auch im Ausland!

Bitte denken Sie auch an Einheimische, die Ihre Hilfe bräuchten.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Andrea Flemmer

Der Brief ging ebenso an die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG), den Sozialverband VdK Deutschland e.V., den Deutschen Bundestag und seinen Ausschuss für Gesundheit. Das Ergebnis:

Ein Mitarbeiter des Vorsitzenden des Gesundheitsausschusses (Dr. Edgar Franke, SPD) bedankte sich für das Schreiben und meinte, das sei eine gute Idee. „Sie haben uns sehr weitergeholfen.“ Derart allgemeine Antworten erhielt ich auch von CDU-Bundestagsabgeordneten, persönlich äußerte sich lediglich Maria Michalk.

Keine Antwort kam von den GRÜNEN. Und auch nicht von der SPD! Dies überrascht, hat die Partei doch das Wort „sozial“ im Namen und selbst ein an MS erkranktes Mitglied in hoher Funktion.

Ein konstruktives Statement gab „DIE LINKE“ ab. Siegfried Dierke, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Abgeordnetenbüro von Kathrin Vogler, der gesundheitspolitischen Sprecherin, schrieb: „Vielen Dank für Ihre Initiative, auch wenn ich leider befürchte, dass Sie ebenso wie wir auf taube Ohren stoßen. Die Fraktion DIE LINKE im Bundestag fordert anlässlich der Haushaltsberatungen Jahr für Jahr, eine halbe Milliarde Euro jährlich für die Förderung nicht-kommerzieller Pharmaforschung bereitzustellen. Doch nicht nur diese jetzige Koalition von CDU/CSU und SPD, sondern auch die Vorgänger in den letzten Wahlperioden haben dies stets abgelehnt.“

Fazit

Es ist schon erstaunlich, wie viele Politiker sich für notleidende Banken, Fluglinien etc. einsetzen. Wenn es jedoch um die ganz Armen in unserer Bevölkerung geht, fühlen sich nur wenige angesprochen. Dabei wäre sicherlich vielen geholfen, wenn man nur einen Bruchteil der Steuer-Mehreinnahmen für bislang unheilbarer Krankheiten verwenden würde.

Hätte man erst einmal die Zusage für diese Mittel, so gäbe es in unserem Land hervorragende Mediziner, die sich dem Problem annehmen könnten – und zwar nicht nur diejenigen der TU München; hier wären ebenso Vertreter der Integrativen Medizin hilfreich, die konventionelle Medizin mit Naturheilkunde verknüpfen. Mit den dann vorhandenen Geldern ließe sich eine Forschung etablieren, die Tausenden von Menschen Leid ersparen könnte – und nicht nur in unserem Land! Unheilbar Kranke auf der ganzen Welt könnten davon profitieren. Deutschland könnte sich, diesmal in der Medizin, einen hervorragenden Ruf schaffen, wirklich Großartiges für Notleidende zu leisten! Dann wäre es vielleicht auch möglich, die Neider zu beruhigen, die Deutschland egoistisches Verhalten unterstellen und fordern, mehr Geldmittel für andere Länder zur Verfügung zu stellen.

Hoffentlich hat der neue Bundesfinanzminister mehr Empathie und stellt Gelder zur Verfügung.

Wenn Sie sich beteiligen wollen: Schicken Sie den Brief, der ursprünglich für Herrn Dr. Schäuble gedacht war, an unseren neuen Bundesfinanzminister!

Dr. Andrea FlemmerDr. Andrea Flemmer
Dipl.-Biologin, Ernährungswissenschaftlerin, viele ihrer Bücher wurden von Fernsehauftritten im ARD, ZDF, MDR, Bayerischen Fernsehen und bei TV München begleitet
andreaflemmer@web.de

Quellen

Foto: © ExQuisine / fotolia.com

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