aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 2/2018
Unangekündigte Kassen-Nachschau in der Praxis
Kassenführung ist und bleibt ein Top-Thema in der Verbands-Redaktion. Unser Beitrag im VUH-Newsletter 1/18: „Buchführung: Spontan und unangekündigt – Kassen-Nachschau seit 01.01.2018“ hat die Gemüter erhitzt. Kann der Kassenprüfer jetzt tatsächlich unangekündigt in unsere Praxen spazieren? Ist unsere Meldung nicht falsch? Brauchen wir gar eine Registrierkasse in der Heilpraktiker-Praxis?
Wir haben John Pohlmann (JP) zu Rate gezogen:
Herr Pohlmann, immer wieder gibt es Gerüchte, dass wir uns in der Praxis von unseren Kassen, die ohne technische Hilfsmittel funktionieren, verabschieden müssen und verpflichtet sind, eine Registrierkasse zu führen. Ist das richtig?
JP: Das Thema mit der vermeintlichen Registrierkassenpflicht können wir schnell abhaken: Es existiert keine Registrierkassenpflicht in Deutschland!
Haben wir bei unserer Art von „Kassenführung“ mit einer unangekündigten Kassen-Nachschau zu rechnen?
JP: Ob ich eine betriebliche Kasse habe oder nicht, ist eine Sachverhaltsfrage. Jeder hat die Wahl, ob er die Betriebseinnahmen sofort als Privatentnahme behandelt und Betriebsausgaben entsprechend als Privateinlage geltend macht oder ob er das betriebliche Geld vom privaten Geld trennt und dann eine Kasse führt. Empfehlenswert ist meiner Meinung nach der Verzicht auf eine Kassenführung.
Die Finanzverwaltung fokussiert bei der Kassen-Nachschau die bargeldintensiven Betriebe. Das sind z.B. Imbisse, Kioske, Friseure etc. und v.a. Neueröffnungen. In Niedersachsen sollen jährlich 2500 bis 4000 Kassen-Nachschauen durchgeführt werden. Hierfür wurden aber keine neuen Mitarbeiter eingestellt.
Theoretisch denkbar und möglich ist auch eine Kassen-Nachschau bei Heilpraktikern, da sie in der Regel mehr als 50% ihrer Honorare in bar vereinnahmen und damit einen bargeldintensiven Betrieb führen. Auf Nachfrage wurde mir gesagt, dass eine Kassen-Nachschau hier nicht unangekündigt durchgeführt würde, sondern dass sie kurzfristig vorher angemeldet wird. Aber nochmal: Die Berufsgruppe steht nicht im Fokus der Prüfer, eine Prüfung ist damit unwahrscheinlich.
Viele Kolleginnen und Kollegen tun sich mit Begriffen aus dem Steuerrecht schwer. Gerade haben wir uns an den Begriff „offene Ladenkasse“ gewöhnt. Aber ist das Prinzip der „offenen Ladenkasse“ – wie bisher allgemein propagiert – auch auf unsere Berufsgruppe anwendbar?
JP: Was setzen Heilpraktiker denn ein? Dieser Punkt liegt mir persönlich am meisten am Herzen, da hier unterschieden werden muss zwischen Kasse und offener Ladenkasse. Erstere ist der Aufbewahrungsort für das betriebliche Geld (= Aufbewahrung), und bei letzterer werden die Geschäftsvorfälle nicht einzeln, sondern saldiert aufgezeichnet (= Aufzeichnung). Heilpraktiker müssen ihre Bareinnahmen einzeln aufzeichnen, da ihnen die Kunden bzw. Patienten bekannt sind. Lediglich für den Verkauf von Büchern, Kissen etc. könnte der Saldo der Betriebseinnahmen saldiert retrograd ermittelt werden. Diese Erleichterung gilt aber wohl selbst dann nicht, wenn der Patient im Anschluss an eine Behandlung noch zusätzlich vorgenannte Sachen kauft. Das bedeutet: Heilpraktiker können das Prinzip der offenen Ladenkasse nicht anwenden.
Die Belege für Einnahmen und Ausgaben werden chronologisch sortiert abgelegt. Vergeben Sie hierfür fortlaufende Nummern, welche die Belege unverwechselbar machen. Bei Führung einer Kasse übertragen Sie die Einnahmen und Ausgaben in das Kassenbuch. Ein täglicher Kassensturz ist nicht erforderlich, da die Kassensturzfähigkeit durch das Kassenbuch und die geordnete Belegablage gewährleistet ist. Vergessen Sie nicht die selbst erstellten Eigenbelege für Ihre Privateinlagen und -entnahmen.
Mein Tipp: Wichtig in diesem Zusammenhang ist die zeitlich korrekte Erfassung der Einnahmen und Ausgaben. Haben Sie oder Ihre Mitarbeiter Aufwendungen zunächst selbst getragen und werden sie zu einem späteren Zeitpunkt aus der Kasse erstattet, ist der Zeitpunkt der Erstattung und nicht das Belegdatum einzutragen!
Haben Sie bisher Tageskassenberichte geführt, können Sie das weiterhin tun; nur der Saldo der Betriebseinnahmen muss sich (auch) aus den einzeln aufgezeichneten Betriebseinnahmen ergeben und nicht oder nicht allein aus der retrograden Ermittlung. Diese Aufzeichnungserleichterung greift für Ihre Berufsgruppe nicht! Werden die vorgenannten Ratschläge in der Praxis umgesetzt, haben Sie nichts zu befürchten. Auch die theoretische Möglichkeit einer Kassen-Nachschau stellt dann keine Gefahr dar. Wichtig ist die zeitnahe geordnete Belegablage, auch wenn Sie die Eintragung ins Kassenbuch nicht täglich, sondern nur wöchentlich vornehmen.
Meine Empfehlung ist, sofern Sie nicht buchführungspflichtig sind und Ihren Gewinn per Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermitteln – zulässigerweise auf die Führung einer Kasse zu verzichten.
Interviewerin: Sonja Kohn
Heilpraktikerin, freie Redakteurin, Dozentin der Paracelsus Schulen
kontakt@naturheilpraxis-kohn.de
Foto: © veerapong / fotolia.com
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