aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 5/2023
Ständiger Kopfschmerz
Kopfschmerzen hat jeder von uns schon verspürt. In der Regel verschwindet dieser oder lässt sich mit einfachen Mitteln behandeln. Wenn der Schmerz aber andauert und sich chronifiziert, ist die Lebensqualität erheblich eingeschränkt. Nach Rückenschmerzen ist der chronische Kopfschmerz die zweithäufigste Schmerzform in unserer Gesellschaft. Eine mögliche Behandlung mit Hilfe von Mikronährstoffen wird in diesem Artikel thematisiert.
Ursachenfindung
Wie immer, wenn wir über den Einsatz von Vitalstoffen schreiben, ist auch im Fall eines ständigen Kopfschmerzes zunächst eine genaue Ursachenabklärung wichtig, um etwaige andere Erkrankungen, die mit solchen Beschwerden einhergehen, nicht zu übersehen. Die häufigsten Ursachen sind
- Stress
- Flüssigkeitsmangel (v.a. bei älteren Menschen und Kindern)
- lange Bildschirmarbeit, auch die dauernde Benutzung von Smartphones
- Rauchen
- Hypertonie
- Virusinfekte
- Entzündungen
- Schlaganfall
- Kopfverletzungen
- Medikamente
- Medikamenten- oder Rauschmittelentzug
- Hirntumore
Sollte eine dieser Ursachen zutreffen, sind Vitalstoffe natürlich nicht kontraindiziert; allerdings muss eventuell auch die Grunderkrankung mitbehandelt werden, was ergänzend mit Vitalstoffen möglich ist.
Für die Diagnostik sollten mehrere Fachrichtungen zusammenarbeiten: Neurologie, Radiologie, Innere Medizin, Zahnmedizin und Augenheilkunde.
Migräne
Eine der häufigsten und schmerzhaftesten Ursachen für chronischen Kopfschmerz ist die Migräne. Deutlich mehr Frauen als Männer sind betroffen. Die Medizin geht davon aus, dass es durch bestimmte Auslöser, wie Stress, Krankheit etc. zu einem Energiemangel im Hirnstamm kommt. Dieser sendet Botenstoffe an den Trigeminus-Nerv, der dann die Blutgefäße der Hirnhäute reizt. Bei dem freigesetzten Botenstoff handelt es sich um CGRP (Calcitonine Gene Related Peptid), ein Neuropeptid aus 37 Aminosäuren, das stark vasodilatatorisch wirkt. Damit werden die Blutgefäße in den Hirnhäuten erweitert und es kommt zu einer Entzündungsreaktion in den Gefäßwänden. Die Folge sind starke bis stärkste Kopfschmerzen, die immer wiederkehren. Moderne Therapieansätze arbeiten mit Antikörpern, die die Freisetzung von CGRP verhindern oder zumindest deutlich reduzieren.
Die Vitalstofftherapie kennt zwei Ansätze, um die Migräne zu überwinden: Zum einen kann das Energiedefizit, das erst zur Freisetzung von CGRP führt, beseitigt werden; zum anderen kann mittels Vitalstoffen eine wirksame Entzündungshemmung erreicht werden.
Coenzym Q10 und NADH
Generell kommt es bei der Migräne zu einer Beeinträchtigung des mitochondrialen Stoffwechsels und dadurch zu einer verminderten Energieproduktion in den Zellen der Gefäßwände in den Hirnhäuten. Das Vitaminoid Coenzym Q10 (Ubichinon) ist ein wesentlicher Bestandteil der mitochondrialen Atmungskette sowie Eckpfeiler der mitochondrialen ATP-Produktion. Die Energiebildung im Organismus ist somit sehr stark von Coenzym Q10 abhängig. Bei Migräne-Patienten wurden niedrige Q10- Spiegel festgestellt, sodass es zu einer Störung der ATP-Produktion kommt. Bei Migräneattacken kann daher ein gezielter Einsatz von Ubichinon die mitochondriale Energieproduktion verbessern und Entzündungsreize vermindern.
Eine weitere wichtige Komponente für den Elektronentransport in der Atmungskette ist Nicotinamid-Adenin-Dinukleotid (NADH), das im Organismus aus Niacin und Abbauprodukten der Aminosäure Tryptophan gebildet wird. NADH ist dabei die aktivierte Form von Niacin. Auch Riboflavin, Vitamin B2, Kupfer, Eisen und Magnesium spielen Rollen bei der mitochondrialen ATP-Synthese und dürfen nicht fehlen. Das gilt auch für die Anfall-Prophylaxe bei Kopfschmerz und Migräne.
Magnesium
Dieses Element der Erdalkali-Gruppe ist ein brennbares Leichtmetall und physikalisch dem Zink sehr ähnlich. Das für Mensch und Tier wichtige Bioelement ist in Mineralien, Meer- und Quellwasser sowie in Pflanzen (Chlorophyll) enthalten. Aufgrund der großen chemischen Reaktionsfähigkeit kommt Magnesium nicht in freier, sondern nur in kationisch gebundener Form vor (z.B. als Carbonat, Chlorid, Silikat, Sulfat). Es ist an der Biosynthese von Proteinen und an der Regulierung der Membranpermeabilität beteiligt und somit bei der Behandlung von Migräne hochwirksam.
Magnesium setzt die Erregbarkeit von Muskeln und Nerven herab und wirkt eng mit Kalzium zusammen (Magnesium/Kalzium-ATPase). Beide Mineralien können daher gemeinsam supplementiert werden. Die häufig geäußerte Befürchtung, Kalzium und Magnesium zusammen zu nehmen, sei gefährlich, ist nicht haltbar. Nur unter extremer Überdosierung, die in der Praxis nicht zu erreichen ist, wäre eine gegenseitige Resorptionshemmung denkbar.
Magnesium reduziert als Kalzium-Antagonist die bei Migräne nicht selten auftretenden Krämpfe über eine Senkung der Kontraktilität. Das Mineral reduziert Nervosität, Schlaflosigkeit, Konzentrationsstörungen und das Hyperkinetische Syndrom, typische Folgeerscheinungen einer Migräne. Bei Stress, ein häufiger Auslöser für Migräneanfälle, werden vermehrt Katecholamine freigesetzt, die die intrazelluläre Magnesiumkonzentration senken. Auch hier ist Magnesium angezeigt. Während der Schwangerschaft muss Magnesium häufig zur Vermeidung von Anfällen substituiert werden.
Im eigenen Patientenkollektiv haben sich 2 Mal 200 mg Magnesium als Prophylaxe und bis zu 800 mg Magnesium im Anfall bewährt. Hohe Magnesiumkonzentrationen führen in der Regel zu Durchfall, aber die Betroffenen nehmen das meist in Kauf, wenn auf diese Weise ein Anfall kupiert werden kann.
Selen
Die Bedeutung des Spurenelements Selen wurde erst 1957 aufgedeckt, bis dahin galt es als schädlich für die Gesundheit. Jedoch ist genau das Gegenteil der Fall, denn es existieren gleich 21 Selenoproteine mit wichtiger Funktion für unseren Organismus und das Immunsystem. Dabei handelt es sich um Eiweißverbindungen, mit Selen im aktiven Zentrum, die dem zellschädigenden oxidativen Stress entgegenwirken. Unsere Körperzellen sind nämlich nicht nur durch fremde Erreger (Bakterien, Viren, Pilze) gefährdet, sondern ebenfalls durch Freie Radikale. Die reaktiven Verbindungen, meist mit Sauerstoff, können die Zellfunktionen massiv stören und so zum Zelluntergang führen. Das ist bei Migräne besonders problematisch, da die komplexen Immunzellen in den Gefäßwänden der Hirnhäute sehr sensibel auf radikalische Angriffe reagieren. Es kommt zu Entzündungen in der Gefäßwand und so zu Migräneattacken. Sehr effektiv zum Abfangen von Radikalen sind die Glutathionperoxidasen. In unserem Organismus gibt es verschiedene dieser Enzymsysteme. Damit sie Freie Radikale eliminieren können, benötigt jedes für sich 4 Selen-Atome im Zentrum. Somit übernimmt Selen eine Schlüsselrolle in der Abwehr Freier Radikale. Entzündungen werden minimiert und Migräneanfälle nehmen ab.
Leider ist die Selenversorgung der Bevölkerung durch die Nahrung nicht hoch genug, damit das Spurenelement alle seine wichtigen Funktionen ausführen kann. In Österreich und Deutschland werden im Mittel nur ca. 35 µg Selen am Tag zugeführt. Ideal wären 100- 200 µg Selen täglich. Bei Migräne-Patienten im eigenen Patientenkollektiv werden meist 200-400 µg organisches Selen am Tag empfohlen. Organische Supplemente (z.B. SelenoPrecise, Fa. Phama Nord) werden besser aufgenommen und können im Körper gespeichert werden. Sie sollten zur Vorbeugung und täglichen Anwendung eingesetzt werden. Anorganische Verbindungen, z.B. Selenit und Selenat, werden schneller verwertet. Anorganisches Selen eignet sich zur Infusionstherapie, wenn eine schnelle Wirkung erforderlich ist (z.B. Migräneattacke mit Bewusstseinstrübung).
Immer wieder wird vor der Toxizität von Selen gewarnt. Über die Nahrung oder bei Dosierungen, wie sie in Nahrungsergänzungsmitteln vorkommen, ist der Verbraucher nicht gefährdet. In der Therapie werden normalerweise nur Dosierungen bis 400 µg Selen pro Tag eingesetzt. Tägliche Gaben von bis zu 800 µg am Tag gelten als sicher, auch wenn diese hohen Dosierungen keinen besonderen Nutzen aufweisen. Tatsächlich sind schädliche Wirkungen des Selens aufgrund einer Überdosierung bisher nur bei Menschen aufgetreten, die über einen längeren Zeitraum 2000 µg oder mehr Selen täglich zugeführt haben.
Glutathion
Glutathion kommt zur Abwehr radikalischer Reaktionen und somit für die Reduktion von Entzündungen eine besondere Rolle zu. Es ist das stärkste endogene Antioxidans und dadurch bei Migräne-Patienten unerlässlich.
Fazit
Vitalstoffe sind bei ständigen Kopfschmerzen hochwirksam und sollten immer eine Therapieoption darstellen. Das in diesem Artikel Geschriebene gilt für alle ca. 220 Arten des chronischen Kopfschmerzes. Natürlich sind auch andere Vitalstoffe, z.B. die B-Vitamine und Vitamin D, wirksam. Da chronische Beschwerden oft multifaktoriell sind, können hier jedoch nicht alle Therapiemöglichkeiten aufgezählt werden. Explizit möchten wir an dieser Stelle noch einmal auf die Wichtigkeit einer ausreichenden Flüssigkeitsversorgung hinweisen. Wasser trinken ist eine – wenn auch banale – orthomolekulare Maßnahme und oft schon wirksam.
Dr. med. Edmund Schmidt
Facharzt für Allgemeinmedizin, Chirotherapie, Ernährungsmedizin und Schmerztherapie
information@praxis-schmidt-ottobrunn.de
Nathalie Schmidt
Vitalstoffspezialistin, Coachin für ganzheitliche Lebensführung, Autorin
information@energie-lebensberatung.de
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