aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 4/2015
Fallstudie aus der psychotherapeutischen Praxis: Platzangst – Panik
Patient
38 Jahre, große Körperstatur, Bodybuilder, Nachtclubbesitzer
Anamnese
Der Patient berichtet, dass er nach einem Unfall eine Untersuchung in einem Kernspintomographen machen sollte. Trotz erheblicher Bedenken seinerseits (die Röhre erschien ihm für seinen Brustumfang zu klein) hat man ihn vor Ort überredet, die Untersuchung machen zu lassen. Im Verlauf der Untersuchung ist er dann mit seinen Schultern im MRT stecken geblieben, er war angeschnallt und hatte etwas Schweres auf der Brust. Er steckte mehrere Minuten im MRT fest, der währenddessen wohl weiterarbeitete und laut schlagende Geräusche machte. Seitdem leide er verstärkt und immer häufiger unter Platzangst und dem Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Er könne nicht mehr auf der Rückbank in dreitürigen Autos sitzen und kürzlich hatte er in einer für ihn völlig gewohnten Situation – beim Schwimmen im Meer, ca. 500 m vom Strand entfernt – sogar eine Panikattacke bekommen. Er gibt an, dass er sonst immer alles unter Kontrolle habe, sich auch in Extremsituationen gut im Griff hat und er nun vor allem unter dem Gefühl der Angst und den damit verbundenen körperlichen Reaktionen sehr leide. Auch befürchte er, wenn der Umstand bekannt wird, dass er Platzangst hat, dies von Konkurrenten aus dem Milieu gegen ihn benutzt werden könnte. Das ist dann auch der Grund, weshalb er sich entschlossen hat, professionelle Hilfe zu suchen.
Diagnose
Nach akuter Belastungssituation (F43.0) auftretende Panikstörung (F41.0) und Platzangst
Behandlung
Sechs Sitzungen à 2 Stunden (je 50 Minuten) in einem Zeitraum von 6 Wochen
1. Sitzung: Gesprächstherapeutisches Interview nach Rogers.
Beobachtung: Angst darf bewusst gar nicht sein. Klient: „Ein Kerl wie ich hat doch keine Angst!“ = Tatsache (Gefühl und körperliche Reaktionen = Angst) stehen gegen das Selbstbild.
2.-6. Sitzung: Hypnosetherapie nach Elmann und Erickson mit Arbeit über Bilder und Geschichten sowie das Nutzen posthypnotischen Suggestionen zur Stärkung von Ressourcen; EMDR (Wingwave-Intervention) zur Arbeit direkt am traumatischen Erlebnis in der 3. und 4. Sitzung.
Beobachtung: Die Angst, die der Klient im bewussten Sein nicht zulassen kann, darf im hypnotischen Zustand problemlos sein und wird da dann auch nicht als bedrohlich erlebt (außer bei der Arbeit direkt am traumatischen Erlebnis). Der Klient findet in der Hypnose einen erstaunlich toleranten und offenen Zugang zu sich und es gelingt ihm schnell, Erfahrungen aus der Hypnose mit in den Alltag zu übernehmen.
Ergebnis und Prognose
Bereits nach der 2. Sitzung ist es dem Klienten möglich, eine andere Sichtweise zur Angst und zu seinen Erfahrungen zuzulassen. Er erlaubt sich auch die Wut darüber, dass man ihn trotz seiner Bedenken in diese Röhre geschoben hat und erlebt diese als angebracht und helfend, sogar befreiend.
Nach der 6. Sitzung ist der Klient wieder in der Lage, ohne Befürchtungen zu tun, was er möchte. Ungute Gefühle, die als Angst identifiziert wurden, können als warnend eingestuft, aber nicht als ausschließlich bedrohlich erlebt werden. Der Klient gelangt zu der inneren Sicherheit, immer genug Luft zu bekommen (das ist wichtig, da er im Herbst im Urlaub tauchen möchte) und lernt, dass auch unangenehme Gefühle durchaus ihre Berechtigung haben. Außerdem erarbeitet er sich für künftige „Notfälle“ (wie im MRT) Handlungsstrategien, um sich nicht wieder hilflos und ausgeliefert fühlen zu müssen.
Sehr schnell gibt der Klient schützendes Vermeidungsverhalten auf, nachdem er mit den „neuen“ Handlungsmöglichkeiten gute Erfahrungen gemacht hat.
Wir verabreden vorerst alle 6 Wochen 1 Stunde zur Stabilisierung, solange er Bedarf verspürt. Angst hatte er nach der 3. Sitzung, auch in entsprechenden Situationen, nicht mehr, Panikattacken sind nicht mehr vorgekommen.
Katrin Marquardt
Heilpraktikerin für Psychotherapie, Dozentin an den Paracelsus Schulen
kontakt@praxis-hypnose-therapie.de
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