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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 5/2016

Gesund abnehmen mit ketogener Ernährung?

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© Valentina R. I fotolia.comNaturheilkunde und Ernährung sind zwei Themen, die meiner Meinung nach untrennbar zusammen gehören. Im Alltag meiner Praxis äußert sich das meist darin, dass Patienten nach für sie geeigneten Methoden fragen, um dauerhaft an Gewicht zu verlieren. Ob eine Diät auch aus ernährungsphysiologischer Sicht taugt, interessiert dagegen häufig erst an hinterer Stelle; oft rangiert dieser Aspekt sogar noch nach dem Geschmack der im Rahmen der Diät erlaubten Lebensmittel. Die Bereitschaft, für umfassende Ernährungsberatung Geld auszugeben, ist seitens vieler Patienten ohnehin eher gering. Umstände, die man als Therapeut zwar bemängeln kann, nichtsdestotrotz aber berücksichtigen muss. Daher möchte ich meinen Patienten eine leicht verständliche Abnehm-Methode mit passender Diät bieten, die allen Bedürfnissen gleichermaßen gerecht wird: Ohne Jo-Jo-Effekt dauerhaft abzunehmen, und zwar mit ernährungsphysiologisch ausgewogenen und schmackhaften Lebensmitteln. Die Eier-legende Wollmilchsau also, die bekanntermaßen schwer zu finden ist.

Eines gleich vorweg: Fertigen Systemen, wie sie zahlreiche Anbieter auf dem Markt offerieren, stehe ich grundsätzlich skeptisch gegen- über. Egal ob es sich um Behandlungskonzepte dreht, bei denen man nur ein bestimmtes Gerät X kaufen muss, mit dem sich alle nur erdenklichen Krankheiten behandeln lassen. Oder Diätverfahren, die binnen kürzester Zeit dermaßen hohe Gewichtsverluste versprechen, die weder real noch gesund sein können.

© Valentina R. I fotolia.comVor allem in Sachen Gewichtsreduzierung habe ich deshalb eine eigene Methode entwickelt, die mehrere Faktoren berücksichtigt. Im Detail sieht diese so aus, dass ich dem Patienten individuelle komplexhomöopathische Tropfen verordne. Produziert werden diese von einer kooperierenden Apotheke aus Einzelhomöopathika wie Helianthus annuus und Fucus vesiculosus (die Klassiker), je nach Patient aber auch schon mal Graphites, Capsicum u.a. Weitere Parameter meiner bisherigen Methode sind eine begleitende Dauerohrakupunktur, bei der der Schlund- und/oder der Frustrationspunkt gestochen werden, homöopathische Spritzen sowie eine Umstellung der Ernährung in Richtung mehr Trennkost (vor allem keine Kohlenhydrate am Abend). Einen kompletten Verzicht auf Kohlenhydrate lehne ich jedoch grundsätzlich ab – sowohl als kurzfristige Diät wie auch als langfristige Ernährungsform – als ursprünglich gelernter Bäckermeister und Süßwaren-Lebensmitteltechniker quasi schon von Haus aus. Schon der Begriff „Low Carb“ erschien mir bis vor kurzer Zeit insgesamt eher negativ besetzt, was ich allerdings mittlerweile infrage stelle.

Denn so erfolgreich meine bisherige Methode bisweilen verläuft und so individuell sie auch jedes Mal auf den einzelnen Patienten zugeschnitten wird: Sie greift manchmal zu kurz. Also schiele ich zumindest mit einem Auge weiterhin nach einer geeigneteren Therapieform. Allerdings stets im Bewusstsein, meine immerhin bereits seit 8 Jahren erfolgreich angebotene und mittlerweile zumindest regional relativ bekannte Diät-Methode nicht einfach so ohne überzeugende Argumente aufzugeben. In einer älteren Medizinzeitschrift stieß ich nun auf einen Artikel der Ärztin Dr. Gabriele Faerber, Leiterin der Abteilung für ambulantes Gewichtsmanagement und Adipositastherapie am Zentrum für Gefäßmedizin in Hamburg. Sie berichtete dort u.a. über die „Eurodiet“, eine Low-Carb-Diät, die in mehreren Phasen verläuft und den Stoffwechsel nach 2-3 Tagen auf Ketose umstellt, jenen Stoffwechselzustand also, bei dem die Konzentration von Ketonkörpern im Blut und Extrazellularraum über Normwert steigt. Beabsichtigte Folge: eine vorübergehende Ablösung der Glukose als primärer Energiequelle des Organismus durch Ketonkörper mit einhergehendem Gewichtsverlust (überwiegend auf Grund von Fettabbau).

Dieser Zustand ist nicht zu verwechseln mit der ähnlich klingenden pathologischen Ketoazidose, die eintritt, wenn der Zustand der Ketose über einen zu langen Zeitraum bestehen bleibt. Dabei kommt es u.a. zu einem Absinken des pH-Werts im Blut unter 7,35. Eine Gefahr, der sich vor allem Diabetiker bewusst sein müssen. Und gleichzeitig Erklärung dafür, warum die Eurodiet nur unter Aufsicht geschulter Ärzte, hier zu Lande aber auch Heilpraktiker, durchgeführt werden darf. Faerber zog in ihrem Artikel indes folgendes Fazit: Nicht zuletzt auf Grund einer eingehenden Patientenbefragung lasse sich festhalten, „dass die ketogene proteinoptimierte Ernährung nach der Eurodiet-Methode eine wirksame Therapie bei Übergewicht und Adipositas und gleichzeitiger Ödemkrankheit darstellt.“ Sie zeichne sich durch eine sehr hohe Patientenzufriedenheit aus und führe zu einer nachhaltigen Gewichtsreduktion und „Beschwerdebesserung“ sowie vielfach zur „Verringerung notwendiger Therapiemaßnahmen“.

Auf telefonische Nachfrage erklärte Frau Faerber mir darüber hinaus, was sie konkret unter „Beschwerdebesserung“ bzw. „Verringerung notwendiger Therapiemaßnahmen“ versteht: u.a. verbesserte Blutwerte hinsichtlich Zucker, Cholesterin, Triglyzeriden, Harnsäure sowie Entzündungsparametern (CRP) bzw. die Reduzierung und sogar Absetzung von Blutdrucksenkern und/oder Antidiabetika. „An unserem Institut setzen wir die Methode bereits seit 2008 erfolgreich ein“, sagt Faerber. „Auf Grund der dabei gemachten Erfahrungen bin ich mir sicher, dass sich so mancher Diabetes mellitus bei Lymphpatienten verhindern lässt, wenn die Patienten ihr Gewicht nach der Eurodiet-Methode reduzieren“, konstatiert die Expertin, die mittlerweile auch Mitglied der Kommission zur Erstellung der Lipödem Leitlinien ist. So sei die Diabetes-verhindernde Wirkung solcher Formula-Diäten erst jüngst wieder durch einige US-Studien belegt worden.

Bemerkenswert fand ich persönlich übrigens, dass diese mir bislang unbekannte Form der Diät vom Unternehmen Protein System S.A. angeboten wird, das seinen Sitz im Luxemburgischen Steinfort hat, gerade einmal 17 Kilometer von meiner Praxis entfernt. (Wenn man bedenkt, mit welchen Werbemaßnahmen für andere Produkte man sonst teilweise aus den entferntesten Winkeln der Republik vollgespamt wird). Meine Neugier war also geweckt.

Um einen kollegialen Austausch anzuregen, möchte ich die Eurodiet im Folgenden kurz vorstellen. In der Hoffnung, zahlreiche Rückmeldungen von Kollegen zu bekommen, die mir meine Entscheidung für (oder auch gegen) die Methode erleichtern. Soll heißen, dass ich derzeit konkret darüber nachdenke, meine bisherigen Patienten-Empfehlungen in Bezug auf Trennkost (keine Kohlenhydrate am Abend usw.) gegen die Eurodiet auszutauschen, die ja immer noch weiter mit Maßnahmen aus dem Bereich Homöopathie und Akupunktur flankiert werden könnte.

Die Methode umfasst vier Phasen, wobei es deutliche individuelle Abweichungen geben kann. So kann z.B. auch mit Phase 2 statt 1 begonnen werden, wenn eine strenge proteinreiche Ernährung kontraindiziert ist. Um den Rahmen nicht zu sprengen, skizziere ich hier jedoch nur die übliche Vorgehensweise.

Phase 1
Ketogene Startphase: Gewicht reduzieren durch proteinreiche Ernährung
Energiezufuhr: ca. 850 kcal pro Tag bei weniger als 50 g Kohlenhydraten
Speiseplan: 4-5 Eurodiet-Produkte pro Tag
Dauer: maximal 1 Monat
Charakteristik: Zufuhr von viel Gemüse zur Förderung der Verdauung sowie zur Versorgung mit Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen und Ballaststoffen

Phase 2
Selektive Ernährung: Wiedereinführung tierischer Proteine
Energiezufuhr: ca. 950 kcal pro Tag
Speiseplan: 3-4 Eurodiet-Produkte pro Tag + 1 konventionelle Mahlzeit gemäß der Methode (mittags oder abends)
Dauer: 20-60 Tage
Charakteristik: Erlernen einer gesundheitszuträglichen Auswahl tierischer Proteine

Phase 3
Progressive Ernährung: Wiedereinführung von Kohlenhydraten
Energiezufuhr: in drei Stufen (ca. 1100 bzw. 1300 bzw. 1500 kcal pro Tag)
Speiseplan: 2 Eurodiet-Produkte pro Tag (Frühstück und Zwischenmahlzeit am Nachmittag) + 2 konventionelle Mahlzeiten
Dauer: individuell angepasst an die bisherige Gewichtsabnahme und die jeweiligen sportlichen Aktivitäten
(Spätestens ab Phase 3 sollte der Patient moderat Sport treiben, wenn er das nicht schon bereits vorher getan hat. Aktive Sportler dürfen das natürlich wie gewohnt während sämtlicher Phasen tun.)
Charakteristik: Erfolgreiche Wiederanpassung an eine lebenslang alltagstaugliche Ernährung

Phase 4
Ausgewogene Ernährung: zur langfristigen Gewichtserhaltung
Energiezufuhr: ca. 1800 kcal pro Tag
Speiseplan: 1 Eurodiet-Produkt pro Tag (Zwischenmahlzeit) + 3 konventionelle Mahlzeiten
Dauer: nach Bedürfnis des Patienten
Charakteristik: Erlernen des richtigen Umgangs mit Abweichungen von der Methode („kleine Sünden“ etc.)

Die gesamte Methode stützt sich dabei generell auf folgende Säulen:

1. Vielfältiger Speiseplan
© Naturheilpraxis Steinbach„Uns ist durchaus bewusst, dass der Verzehr von 3 flüssigen Mahlzeiten am Tag auf Dauer unangenehm sein kann“, erklärt Sonia Luy de Langenbrink, Verkaufsleiterin Deutschland/Österreich des Unternehmens. Deshalb bestehe das Eurodiet-Sortiment aus etwas mehr als 70 unterschiedlichen Lebensmitteln, um die Motivation der Patienten aufrecht zu erhalten und die Praxistauglichkeit sicherzustellen. „Vom Brotaufstrich bis zum Fertiggericht, allesamt biologisch hochwertig, vitamin- und mineralstoffreich. Entwickelt, um in Kombination mit konventionellen Nahrungsmitteln eine kohlenhydratarme Low-Carb-Diät mit optimaler Proteinzufuhr darzustellen“, wie Luy de Langenbrink betont.

2. Psychologische Begleitung
„Um den Heilpraktikern eine adäquate psychologische und verhaltenstherapeutische Begleitung fettleibiger Patienten zu ermöglichen, bieten wir ein Online-Programm, das sich auf validierte Fragebögen stützt“, sagt de Langenbrink. Es gehe darum, die psychologischen Variablen ausfindig zu machen, die auf das individuelle Ernährungsverhalten Einfluss haben. Laut Eurodiet ein praxisnahes Instrument, um die Entwicklung des Verhaltens in Zusammenhang mit seiner Gewichtsabnahme sowohl neutral beobachten und einschätzen als auch psychologisch begleiten zu können.

3. Professionelle Betreuung
© Naturheilpraxis Steinbach„Wir sind der Überzeugung, dass professionelle Betreuung ein wesentlicher Faktor für langfristige Erfolge ist“, fasst Luy de Langenbrink die Beweggründe des Unternehmens zusammen, seine Methode nur in Zusammenarbeit mit geschulten Ärzten oder Heilpraktikern anzubieten. Das beinhalte auch, dass bestimmte Lebensmittel nur mit einem entsprechenden Rezept des durchführenden Therapeuten vom Patienten bestellt werden können. Dazu veranstalte man in jedem der bislang 23 Länder, in dem die Methode angeboten wird, Schulungen. Nicht zuletzt mit dem Ziel, entsprechende Fach-Netzwerke ins Leben zu rufen.

Unter dem Strich ergibt sich für jeden Patienten ein Betrag von rund 12 Euro pro Tag der laufenden Diät. Zugegebenermaßen ein stolzer Betrag, der verdeutlicht, dass die Eurodiet-Methode nicht für jeden Patienten infrage kommt. „Da die von uns angebotenen Nahrungsmittel nicht nur biologisch, sondern auch qualitativ und geschmacklich hochwertig sind, ist dieser Preis gerechtfertigt“, erklärt dazu Luy de Langenbrink. Außerdem sei zu beachten, dass ein ähnlich hoher Betrag auch für „normale“, vergleichbar hochwertige Lebensmittel anfalle.

Fazit
Vor allem letztgenanntes Argument leuchtet mir als ehemaligem Lebensmittelhersteller ein. Gutes Essen hat seinen Preis und darf nicht verramscht werden. Genauso übrigens wie gute naturheilkundliche Diagnoseund Therapieverfahren: Davon ist nach wie vor auch nicht jeder Mensch zu überzeugen. Selbst der eine oder andere Kollege verkauft sich meiner Meinung nach immer noch viel zu billig, weil er fürchtet, sonst gar keine Patienten mehr zu haben. Naturheilkundlich mündige Patienten wissen es aber besser und gehen zu den Therapeuten, bei denen sie sich am besten aufgehoben fühlen. Und zu einem hochwertigen naturheilkundlichen Angebot gehören meiner Meinung nach auch eine fundierte Ernährungsberatung sowie das Angebot einer erfolgversprechenden Therapie.

Ob die Eurodiet-Methode dieses Versprechen hält und ob (ggf. wie) sie mit weiteren Therapie-Maßnahmen kombiniert werden kann, möchte ich mit diesem Artikel zur Diskussion stellen.

Johannes W. SteinbachJohannes W. Steinbach
Heilpraktiker, Fachbuchautor, Medizinjournalist, PR-Berater

pressebuero-jws@gmx.de

Literatur

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