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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 3/2019

Recht in der Praxis

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Die rechtssichere Naturheilpraxis

Wer den Heilpraktiker-Beruf wählt, sieht diesen meist als „Berufung“, und so liegt es vielen Heilpraktikern (m/w) vermutlich im Blut, sich ihren Patienten aufmerksam, liebevoll und gewissenhaft zu widmen. Womit etliche Kollegen jedoch zu kämpfen haben, sind v.a. zu Anfang die vielen Gesetze, Verordnungen, Richtlinien und Regeln, die es in der Praxisgründungsphase zu beachten gilt. Und auch gestandenen Praxisinhabern fällt es nicht leicht, im Alltag rechtlich immer auf dem neuesten Stand zu sein.

Wir möchten Sie in allen Rechtsfragen gesetzeskonform unterstützen. Mit der folgenden Checkliste geben wir Ihnen einen ersten Überblick, mit was Sie es als „Einzelunternehmer“ zu tun haben und was Sie bei der Praxisführung bedenken sollten. Dieses Wissen wird in weiteren Beiträgen vertieft.

Schnelleinstieg in die Praxisführung

Was brauche ich für die Praxisgründung?
Schlicht: Eine bestandene Überprüfung. Sie haben keinen „Zulassungsberuf“, sondern einen Erlaubnisberuf. Der Heilpraktiker ist keine „Fortbildung“, man macht keinen „Heilpraktiker-Schein“. Sie erhalten die Erlaubnis auf Grundlage des Heilpraktikergesetzes (HeilprG) und der Ersten Durchführungsverordnung zum Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (HeilprGDV 1).

Welche Versicherungen brauche ich?
Versicherungen sind wichtig zur Absicherung privater und praxisbedingter Risiken. Eine Krankenversicherung ist verpflichtend; ob privat oder gesetzlich freiwillig, entscheiden Sie selbst. In jedem Fall benötigen sie eine Berufshaftpflichtversicherung, die in einigen Bundesländern (z.B. Bayern und Brandenburg) gesetzlich vorgeschrieben ist. Umfassende Basisversicherungen decken eine Privathaftpflichtversicherung häufig mit ab. Ebenfalls empfehlenswert: eine Geschäftsversicherung/ Praxisinventarversicherung sowie eine Rechtsschutzversicherung. Alle anderen Versicherungen sind „Optionen“.

Wo muss ich mich anmelden?
Bei folgenden Behörden und Institutionen:

  • zuständiges Gesundheitsamt
  • zuständiges Finanzamt
  • Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW)

Die Anmeldung beim Gesundheitsamt erfolgt regional unterschiedlich. Manchen Gesundheitsämtern reicht eine formlose schriftliche Anmeldung. Andere stellen auf ihrer Homepage Formulare zur Verfügung, in denen Sie ggf. auch angeben müssen, ob Sie invasiv arbeiten oder nicht. Einige Gesundheitsämter verlangen die Vorlage der Erlaubnisurkunde, teilweise in beglaubigter Form.

• Anmeldung der Tätigkeit als Heilpraktiker
Die Anmeldung beim Finanzamt erfolgt über den „Fragebogen zur steuerlichen Erfassung“, den Sie beim Bundesfinanzministerium finden. Hier kreuzen Sie an, dass Sie eine selbstständige (freiberufliche) Tätigkeit aufnehmen. Das ausgefüllte Formular senden Sie an Ihr zuständiges Finanzamt.

• Aufnahme einer selbstständigen (freiberuflichen) Tätigkeit
Die Anmeldung bei der „Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege“ (Pappelallee 35/37, 22089 Hamburg) erfolgt online oder über das Download-Formular „MuB044“, das Sie ausfüllen und an die Berufsgenossenschaft schicken. Sie melden Ihre Praxis als „Unternehmen“ an, auch wenn Sie keine Mitarbeiter haben bzw. zukünftig beschäftigen wollen. Das heißt nicht, dass Sie sich dort auch gegen Berufsunfälle versichern müssen. Sie können es aber freiwillig tun. Sobald Sie Mitarbeiter in Ihrer Praxis beschäftigen, müssen Sie diese bei der BGW beitragspflichtig anmelden.

Muss ich noch andere Behördengänge vor der Praxiseröffnung machen?
Wenn keine Nutzungsgenehmigung für Ihre gewünschten Praxisräume vorliegt, müssen Sie eine Nutzungsänderung beim zuständigen Bauamt beantragen und ggf. individuell klären, welche baulichen Vorschriften Sie erfüllen müssen und welchen Dispens es u.U. gibt.

Dürfen die Behörden meine Praxis begehen?
Ja! Das Gesundheitsamt, das Finanzamt und die zuständige Gewerbeaufsicht dürfen sich für einen Besuch in Ihrer Praxis anmelden, sie können auch unangemeldet erscheinen.

Die Begehung durch das Gesundheitsamt erfolgt auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes (IfSG). Das Gesundheitsamt möchte einen von Ihnen für die Praxis individualisierten Hygieneplan, einen Reinigungs- und Desinfektionsplan sehen. Folgende Punkte sind besonders relevant:

  • Wie gehen Sie in Ihrer Praxis mit Hygiene um?
  • Wie ist Ihr Umgang mit Desinfektionsmitteln?
  • Wie der Umgang mit Medikamenten?
  • Wie handhaben Sie Reinigungsarbeiten in Ihrer Praxis?

Stellt das Gesundheitsamt Mängel fest, erhalten Sie eine Mängelliste mit einer Frist, innerhalb derer diese beseitigt werden müssen. Ansonsten droht schlimmstenfalls eine Praxisschließung.

Die „Begehung“ durch das Finanzamt ist im Rahmen einer Betriebs- bzw. Außenprüfung oder einer unangekündigten Kassennachschau zulässig. Rechtsgrundlagen sind die Paragraphen §§193-207 der Abgabenordnung (AO), die Betriebsprüfungsordnung (BpO) und der Anwendungserlass zu § 146b AO. Das Finanzamt erwartet eine ordnungsgemäße Buchführung, eine Verfahrensdokumentation und die revisionssichere Archivierung geschäftlicher E-Mails. Werden Fehler entdeckt, drohen saftige Nachzahlungen.

Die Begehung durch das Gewerbeaufsichtsamt erfolgt auf Grundlage des Medizinproduktegesetzes (MPG) sowie der Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV). Das Gewerbeaufsichtsamt interessiert sich dafür, wie Sie Medizinprodukte in Ihrer Praxis aufbereiten, auch für Ihre Trinkwasserqualität, sowie dafür, wie sicher Sie Medizinprodukte in Ihrer Praxis betreiben. Es wird auf diese Punkte Wert gelegt:

  • Besitzen Sie die erforderliche Sachkenntnis bei der Aufbereitung der von Ihnen verwendeten Medizinprodukte?
  • Haben Sie eine Risikobewertung und Einstufung aufzubereitender Medizinprodukte vorgenommen?
  • Besitzen Sie ein vollständiges Bestandsverzeichnis?
  • Haben Sie ein vollständiges Medizinproduktebuch für Medizinprodukte nach Anlage 1 und 2 MPBetreibV?
  • Lassen Sie regelmäßig messtechnische Kontrollen (MTK) und sicherheitstechnische Kontrollen (STK) in Ihrer Praxis durchführen?

Auch hier gilt: Werden Mängel entdeckt, müssen sie beseitigt werden.

Habe ich irgendwelche „Anzeigepflichten“?

Ja! Folgendes muss angezeigt werden:

  • Herstellung von Arzneimitteln
  • Invasive Tätigkeiten in Hessen
  • Verwendung von eichpflichtigen Messgeräten
  • Betrieb eines Akupunkturlasers Klasse 3B

Herstellung von Arzneimitteln

Grundsätzlich dürfen Sie als Heilpraktiker keine Arzneimittel herstellen außer für den Eigenbedarf oder für die unmittelbare „eigenhändige Anwendung“ am Patienten in der Praxis oder beim Hausbesuch. Rechtsgrundlage hierfür ist § 13 des Arzneimittelgesetzes (AMG). „Herstellung“ ist nach § 4 Abs. 14 AMG definiert:

„Gewinnen, Anfertigen, Zubereiten, Be- oder Verarbeiten, Umfüllen einschließlich Abfüllen, Abpacken, Kennzeichnen und Freigabe.“ Dazu gehört z.B. auch das Umfüllen und Abpacken eines Tees!

Die „Allgemeine Anzeigenpflicht“ hierfür geht aus § 67 AMG hervor. Diese bezieht sich in der Praxis v.a. auf Mischinjektionen und -infusionen. Rechtlich unklar ist im Moment die Situation zu Eigenblutpräparaten in der Praxis, auch in Bezug auf Organextrakte. Die Anzeige erfolgt bei der zuständigen Gewerbeaufsicht.

Bei der Herstellung muss die „Auslegungshilfe nach § 13 Abs. 2b“ beachtet werden:
„Jeder Arzt/Heilpraktiker soll auf der Grundlage einer schriftlichen Risikobewertung unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben die für die individuelle Herstellung einschließlich deren Umgebungsbedingungen angemessenen Bedingungen zur Qualitätssicherung festlegen, anwenden und darüber die erforderlichen Nachweise führen.“

Für Verwirrung sorgt in diesem Zusammenhang seit Anfang 2019 der „Gesetzentwurf für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV)“. Demnach soll die Herstellung „verschreibungspflichtiger“ Arzneimittel durch Heilpraktiker erlaubnispflichtig und eine Dokumentations- und Meldepflicht von Verdachtsfällen von Nebenwirkungen für nichtzulassungs- oder nichtgenehmigungspflichtige Arzneimittel für neuartige Therapien eingeführt werden. Wir haben diese Forderung des Bundesgesundheitsministeriums jedoch prüfen lassen. Ergebnis: Sie ist rechtswidrig! Eine Klärung bleibt abzuwarten.

Invasive Tätigkeiten in Hessen

Kolleginnen und Kollegen in Hessen müssen seit Ende 2017 anzeigen, wenn sie invasiv tätig sind. Üben Sie diese Tätigkeiten erstmalig aus, müssen Sie dies vor deren Aufnahme dem Gesundheitsamt anzeigen.

Verwendung von eichpflichtigen Messgeräten

Wenn Sie elektrische Fieberthermometer, Personenwaagen und digitale Blutdruckmessgeräte verwenden, müssen Sie diese spätestens sechs Wochen nach Inbetriebnahme beim Eichamt anzeigen. Rechtliche Grundlage ist seit 2015 das neue Mess- und Eichgesetz (MessEG) bzw. die Mess- und Eichverordnung (MessEV). Das Eichgesetz (EichG) und die Eichordnung (EichO) sind außer Kraft. Eine Eichung muss mindestens zehn Wochen vor Ablauf der Eichfrist von Ihnen beantragt werden. Die Verwenderanzeige kann gemäß § 32 MessEG direkt über die „zentrale Meldeplattform“ online erfolgen.

Betrieb eines Akupunkturlasers Klasse 3B

Diesen zeigen Sie bitte bei der zuständigen Gewerbeaufsicht sowie bei der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege an. Bei Betrieb eines Akupunkturlasers der Klasse 3B müssen das Medizinproduktegesetz (MPG) und die Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) beachtet werden (s.o.). Vor Inbetriebnahme des Lasers müssen Sie in die Handhabung eingewiesen werden und dies schriftlich dokumentieren. Wichtig ist, dass Sie beim Betrieb die vom Hersteller empfohlenen Sicherheitsvorkehrungen einhalten.

Welche Sachkundenachweise sind verpflichtend?

  • Der Sachkundenachweis für freiverkäufliche Arzneimittel: Wenn Sie solche Präparate in Ihrer Praxis anbieten möchten, brauchen Sie nach § 50 AMG „Einzelhandel mit freiverkäuflichen Arzneimitteln“ einen Sachkundenachweis. Geprüft wird anhand des „DIHK-Fragenkatalogs“.
  • Sachkundenachweis nach § 50 AMG
  • Der Sachkundenachweise „Hygiene I und II“ (Hessische Infektionshygieneverordnung): Hierunter fallen zum einen Heilpraktiker, die invasive Tätigkeiten ausüben (§ 1 Satz 2) und diese dem Gesundheitsamt anzeigen (§ 1a Abs. 2 und § 5). Sie müssen einen Sachkundenachweis nach § 2 Abs. 10 Nr. 1 erbringen (40 Stunden). Zum anderen sind auch Heilpraktiker betroffen, die nichtinvasive Tätigkeiten ausüben, bei denen aber durch Blut, Sekrete und Exkrete Krankheitserreger übertragen werden können (§ 1 Satz 1). Diese Heilpraktiker müssen einen Sachkundenachweis nach § 2 Abs. 10 Nr. 2 erbringen (8 Stunden). Ob solche Tätigkeiten ausgeübt werden, ist im Einzelfall zu klären.

Welche Meldepflichten habe ich?

  • Meldepflicht für Krankheiten gemäß §§ 6, 8, 9 IfSG
  • Meldepflicht für unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW)
  • Meldung des Verdachts einer Impfnebenwirkung
  • Meldung von Vorkommnissen durch Anwender, Betreiber und sonstige Inverkehrbringer von Medizinprodukten
  • Meldepflicht für Datenpannen nach Art. 33 DSGVO

Entsprechende Meldebögen finden Sie auf der Internetseite des Robert-Koch-Institutes (RKI), den Webseiten der zuständigen Landesgesundheitsämter, beim Paul-Ehrlich-Institut (PEI), für die „Vorkommnisse bei Medizinprodukten“ beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und für „Datenpannen“ bei der zuständigen Aufsichtsbehörde für Datenschutz.

Welche Kontrollen muss ich in meiner Praxis durchführen lassen?

Die regelmäßigen Kontrollen ergeben sich aus den o.g. Anforderungen. Sie haben zwei Arten von elektrischen Geräten in Ihrer Praxis: a) medizinische und b) sonstige elektrische Geräte.

Alle Medizinprodukte, die einer STK oder MTK („Eichung“) unterliegen könnten, werden in der Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) in Anlage 1 und 2 beschrieben. Sicherheitstechnische Kontrollen führt z.B. der TÜV durch, messtechnische Kontrollen (früher: Eichung) können Sie beim regionalen Eichamt beantragen. Die sonstigen elektrischen Geräte werden nach DIN VDE 0701/0702 (E-Check) geprüft und können ggf. vom Elektrofachbetrieb um die Ecke durchgeführt werden.

Muss ich noch etwas in meiner Praxis anmelden?

Wenn Sie in Ihrer Praxis Musik im Wartezimmer anbieten wollen, dann ist der Rundfunkgebührenbeitrag Pflicht. Die Nutzung von Hintergrundmusik ist seit 2015 nicht mehr vergütungspflichtig, d.h. Sie zahlen keine GEMA-Gebühr, auch wenn immer wieder behauptet wird, Sie müssten!

Was ist im Umgang mit Patienten rechtlich als erstes zu bedenken?

Hier spielen v.a. das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), §§ 630 a BGB ff. bzw. das Patientenrechtegesetz, die DS-GVO (Datenschutzgrundverordnung) sowie das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG neu) eine Rolle.

Das Patientenrechtegesetz definiert vertragstypische Pflichten von Behandler und Patient, das Behandlungsverhältnis, Informations- und Aufklärungspflichten und konkretisiert Punkte wie „Einwilligung“, „Dokumentation“ und „Einsichtnahme Patientenakte“. Dieses Gesetz sollten Sie inhaltlich gut kennen und am besten auch schriftlich in einem Behandlungsvertrag umsetzen. Letzteres ist jedoch keine Pflicht, sondern eine Kür.

Was die DS-GVO betrifft, so gibt es seit Mai 2018 viele Vorgaben zu beachten. Wesentliche Anforderungen für Ihre Praxis sind: Erstellung eines Verzeichnisses von Verarbeitungstätigkeiten, Einhaltung Ihrer Informations- und Auskunftspflichten, welche Daten Sie in Ihrer Praxis von Ihren Patienten erheben und verarbeiten, Festlegung technischer und organisatorische Maßnahmen (TOM), die sie zum Schutz der sensiblen Daten Ihrer Patienten ergreifen, Beachtung der Anforderungen an die Datenlöschung und Ihre Meldepflicht bei Datenpannen. Ggf. müssen Sie auch Auftragsverarbeitungsverträge abschließen. Einen Datenschutzbeauftragten brauchen Sie in der Einzelpraxis nicht.

Ergebnis: Ist Ihre Praxis laut Checkliste fit?

• Ja, ich konnte (fast) alle Haken machen. Dann möchten wir Sie zu Ihrer Praxisführung beglückwünschen!

• Nein, mir fehlen noch Haken. Dann möchten wir Sie ermutigen uns mitzuteilen, was Sie an Anleitungen und Musterformularen brauchen oder wie wir Sie beraten können.

Mit besten Grüßen! Ihr VUH/VFP-Team

Sonja KohnSonja Kohn
Heilpraktikerin, Leiterin Bereich Presse und Medien des VUH
pressestelle@heilpraktikerverband.de

Dr. rer. nat. Frank HerfurthDr. rer. nat. Frank Herfurth
Heilpraktiker, Präsident des VUH

info@heilpraktikerverband.de

Dr. paed. Werner WeishauptDr. paed. Werner Weishaupt
Heilpraktiker für Psychotherapie, Präsident des VFP

info@vfp.de

Foto: © Oakozhan / fotolia.com

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