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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 3/2019

Wie Sie den Darm stärken können

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Von den unzähligen Mikroben, die den menschlichen Organismus auf der Haut und den Schleimhäuten besiedeln, befinden sich die meisten Bakterien im Dickdarm. Laut Untersuchungen aus Israel und Kanada ist das Verhältnis von Körperzellen zu Mikroorganismen bei einem jungen Mann mit 70 kg in etwa ausgeglichen. Wichtiger als die genaue Anzahl an Mikroben ist diese Ausgeglichenheit des Systems, sodass es unserer Gesundheit dienen kann.

Viele Darmbakterien sind außerhalb ihres natürlichen Lebensraums nicht lebensfähig und konnten daher früher nicht genauer untersucht werden. Erst in den letzten Jahren ist es gelungen, das eigenständige „Universum Darm“ näher zu erforschen. Dass dessen Gesundheit für das körpereigene Immunsystem wichtig ist, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Dennoch unterschätzen viele Menschen, welchen enormen Einfluss die Darmflora auf das gesamte Leben haben kann und wie wichtig es ist, sich gesundheitsfördernd zu ernähren. Die Mikroorganismen sorgen nicht nur für eine gute Verdauung unserer Nahrungsmittel und damit für eine optimale Aufnahme lebenswichtiger Vital- und Nährstoffe, sie beeinflussen den gesamten körpereigenen Stoffwechsel, das Körpergewicht und auch die Emotionen. Daher wird im Darm nicht nur für die körperliche, sondern auch für die seelische und geistige Gesundheit gesorgt.

Die gesunde Darmflora wird auch „intestinale Mikrobiota“ genannt und bezeichnet die Gesamtheit aller im Darm lebenden Mikroorganismen. Der Begriff „Mikrobiom“ umschreibt die Gesamtheit aller Gene der besiedelnden Mikroben. Der Hauptbestandteil der Mikrobiota (99%) sind Bakterien, aber auch Viren und Hefepilze kommen physiologisch vor. Welche Spezies in welcher Dichte zu finden sind, ist sehr unterschiedlich. Im Magen werden die meisten Bakterien durch die Magensäure abgetötet, der obere Dünndarm ist nur leicht besiedelt. Die Keimdichte nimmt im Verlauf des Darmes immer mehr zu, bis sie im Dickdarm schließlich am höchsten ist.

Bekannt sind mittlerweile 1000 Darmbakterien, doch normalerweise beherbergt der einzelne Mensch nur etwa 150 verschiedene Bakterienarten, die nützlich sind und keine Krankheiten verursachen. Gesunde Darmbakterien sind z.B. Laktobazillen und Bifidobakterien. Einige Mikroben können unter bestimmten Voraussetzungen krank machen, wie Clostridien. Einteilen kann man die Darmbakterien in vier Gruppen, diese sagen jedoch nichts über die Eigenschaften im Sinne von gesund oder schädlich aus:

  • Proteobakterien (Escherichia coli)
  • Acinobakterien (Bifidobakterien)
  • Firmicutes (Laktobazillen, Clostridien)
  • Bacteroides (Prevotella)

Schützende Bakterien stabilisieren die Darmbarriere, wehren schädliche Keime ab, bilden kurzkettige Fettsäuren und Vitamine (z.B. Vitamin D und K2). Schädliche Bakterien hingegen greifen die Darmbarriere an, bilden Giftstoffe und fördern Entzündungen. Besonders wichtig für unsere Gesundheit ist die Vielfalt an Darmbakterien, die bei diversen Erkrankungen verringert wird, sodass eine Darm-Dysbiose entsteht.

Wie ein Fingerabdruck

Die erste Keimbesiedelung des Darmes ereignet sich während der Geburt. Bei einer normalen Entbindung gelangen Bakterien der vaginalen Flora der Mutter in den Darmtrakt des Neugeborenen (hoher Anteil an Milchsäurebakterien und Bifidobakterien). Bei Kaiserschnitt-Kindern ähnelt deren Darmflora der Zusammensetzung der Hautbakterien der Mutter (Staphylokokken, Corynebakterien). Das Stillen beeinflusst die Darmflora v.a. in den ersten Lebensmonaten positiv, da die Muttermilch sehr viele Bifidobakterien enthält. Eine relativ stabile und individuelle Darmflora bildet sich erst ab dem 2. bis 3. Lebensjahr. Jeder Mensch verfügt also über ein einzigartiges mikrobiotisches Ökosystem, ähnlich eines Fingerabdruckes.

Durch Ernährung, Stress und Medikamente (Antibiotika, Kortison, Schmerzmittel, Säureblocker etc.) wird das sehr empfindliche und dynamische Ökosystem der Mikrobiota beeinflusst. Mit zunehmendem Alter wird die Darmflora anfälliger, die Vielfalt der Bakterien reduziert sich.

Winzige Multitalente

Die Darmflora übernimmt viele wichtige Aufgaben und sorgt so für unser Wohlbefinden und für Gesundheit.

Schutz und Aufrechterhaltung der Darmschleimhaut
Beim Abbau von Ballaststoffen, die fundamental für die Darmgesundheit sind, und durch natürliche Fermentation bilden die Darmbakterien kurzkettige Fettsäuren (Buttersäure, Essigsäure, Propionsäure). Diese dienen der Energieversorgung der Darmzellen und regulieren deren Wachstum und Entwicklung. Auch die „Tight junctions“, Verschlussleisten zwischen den einzelnen Darmzellen, die dafür sorgen, dass keine krankmachenden Erreger oder Schadstoffe durch die Darmwand in den Blutkreislauf gelangen können, werden über die Darmflora beeinflusst.

Schutz vor Kolonisation ungesunder Keime
Schädliche Bakterien, die natürlich im Darm vorkommen, können diesen nur besiedeln, wenn die physiologische Darmflora gestört ist. Gesunde Bakterien verdrängen die krankmachenden Erreger, da sie den Sauerstoff verbrauchen, den die schädlichen Keime zum Leben benötigen. Zusätzlich produzieren einige Darmflora-Bakterien Abwehrstoffe, sodass sich die pathologischen Keime nicht an die Darmwand anheften können. Bifidobakterien und Laktobazillen produzieren beim Abbau der Ballaststoffe Milchsäure, die den pH-Wert im Darm senkt und ein saures und gesundes Darmmilieu entstehen lässt.

Verbesserung der Verdauung
Ein großer Teil der Darmbakterien kümmert sich um die Restverwertung der Nahrungsbestandteile im Dickdarm, die nicht durch Enzyme aufgespalten werden konnten (z.B. Ballaststoffe und andere unverdauliche Pflanzenstoffe).

Energiegewinnung
Durch den bakteriellen Abbau von Ballaststoffen werden dem Organismus bis zu 10% der täglich aufgenommenen Kalorien zur Verfügung gestellt. Dies ist wichtig für den Zucker- und Fettstoffwechsel.

Förderung des Immunsystems
Die Darmflora stimuliert das Immunsystem und dieses wiederum beeinflusst die Darmflora positiv. Um zwischen gesundheitsförderlichen und krankmachenden Stoffen unterscheiden zu können, ist es wichtig, das Immunsystem des Darmes täglich zu trainieren. Funktioniert die Beurteilung nicht, werden plötzlich Inhaltsstoffe aus Nahrungsmitteln als Schadstoffe deklariert und bekämpft, sodass eine Nahrungsmittelunverträglichkeit oder gar Allergien entstehen können. Im schlimmsten Fall wird eine Autoimmunerkrankung ausgelöst und körpereigene Strukturen werden angegriffen.

Vitamine
Darmbakterien bilden auch Vitamine, wie B-Vitamine, Vitamin D und Vitamin K2. Wird die Besiedlung durch Antibiotika verringert, müssen diese Vitalstoffe ergänzt werden.

Entgiftung
Manche Darmbakterien unterstützen die Leber, sie sind wichtig zur Entgiftung und z.B. für den Abbau von Medikamenten. Allerdings produzieren andere Mikroben selbst giftige oder krebserregende Substanzen.

Der Einfluss der Ernährung

Je nach Nahrungszufuhr kann man drei verschiedene Darmflora-Typen (Enterotypen) unterscheiden:

Enterotyp 1
isst viel Fleisch und Wurst (fett- und proteinreiche Nahrung); Darmbakterien der Gattung Bacteroides dominieren, sehr guter Nahrungsverwerter, sehr gute Spaltung von Kohlenhydraten und Eiweiß durch Fermentation, daher besonders hohe Kalorienauslastung der Nahrung. Der Enterotyp 1 setzt leichter Gewicht an.

Enterotyp 2
isst vegetarisch, vegan oder sehr kohlenhydratreich; besonders guter Abbau von Kohlenhydraten (Zucker) und Eiweiß, Darmbakterien der Gattung Prevotella dominieren.

Enterotyp 3
Der Mischtyp kommt am häufigsten vor (70% der Bevölkerung); Darmbakterien der Gattung Ruminococcus dominieren, spalten sehr gut Kohlenhydrate (Zucker) und Schleimstoffe.

Der Verzehr von Ballaststoffen, v.a. der wasserlöslichen, ist für unsere Darmgesundheit besonders wichtig. Wir können diese nicht aufspalten, deshalb gelangen sie unverdaut in den Dickdarm. Sehr vorteilhaft für die dortige Flora sind Gemüsesorten, die viel Inulin (z.B. Chicorée, Schwarzwurzeln) oder Pektine (z.B. Apfelschalen, Flohsamenschalen, Leinsamen) enthalten.

Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) sollten täglich 30 g Ballaststoffe zugeführt werden, in Form von Gemüse, Obst oder Vollkornprodukten. Anders als bei vielen anderen Vitalstoffen, ist die Empfehlung in diesem Fall nicht zu niedrig angesetzt. 30 g Ballaststoffe täglich könnten die Darmkrebshäufigkeit in Deutschland, laut Weltgesundheitsorganisation (WHO), halbieren.

Vitalstoffe für die Darmgesundheit

Der Darm hat vielfältige Funktionen: Nahrung muss resorbiert, schädliche Keime und Substanzen müssen abgewehrt, das Immunsystem muss gestärkt werden, um die wichtigsten zu nennen. Zudem ist er dauernd dem Angriff von freien Radikalen ausgesetzt und hat einen hohen Energieverbrauch. Um überschüssige freie Radikale abzufangen, existieren im Organismus unterschiedliche Abwehrsysteme. Direkt und schnell wirksam sind das wasserlösliche Vitamin C und das fettlösliche Vitamin E. Indirekt effektiv ist das Enzymsystem der Glutathionperoxidase, die als wesentlichen Bestandteil vier Selen-Atome beinhaltet.

Europa ist ein Selenmangelgebiet. In der Regel werden nur 20-35 µg Selen am Tag über die Nahrung zugeführt. Der tatsächliche Bedarf liegt aber bei 100-200 µg Selen täglich. Nur so kann unser endogenes Abwehrsystem für freie Radikale, speziell am Darm, gut und sicher funktionieren. Da der Selenspiegel in unseren Breiten i.d.R. nicht auf die erforderliche Höhe gebracht werden kann, ist im Interesse der Darmgesundheit eine entsprechende Nahrungsergänzung sinnvoll. Gemäß der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit sollte nur organisches Selen ergänzt werden (Selenomethionin oder -cystein). Anorganisches Selen behindert die Proteinsynthese und kann Lipofuscin bilden, das neuronale Störungen hervorrufen kann und für viele Augenkrankheiten verantwortlich gemacht wird. Speziell das Ökosystem Darm ist empfindlich gegenüber einer unphysiologischen, daher anorganischen Selensubstitution.

Der Energiebedarf des Darmes ist enorm. Selbst wenn keine oder kaum Nahrung zugeführt wird, ist der Energieumsatz fast genauso hoch wie in unserem Herzen, das bekanntlich nie ruht. Nach dem Gehirn hat der Darm mit 100 Millionen die zweithöchste Anzahl an Nervenzellen im Körper. Und diese haben per se schon einen hohen Energiebedarf. Die Produktion der nötigen Energie geschieht auch in den Mitochondrien der Darmbakterien. Sie ist abhängig von der Versorgung mit Coenzym Q10. Diese vitaminähnliche Substanz kann ab dem 40. Lebensjahr nicht mehr ausreichend gebildet, der Bedarf über die Nahrung nicht gedeckt werden, sodass eine Ergänzung angezeigt ist. Aufgrund der Studienlage ist die Anwendung von oxidiertem Coenzym Q10 am effektivsten. Dieses wird am besten resorbiert und hat die höchste Bioverfügbarkeit. Da Coenzym Q10 seinen Oxidationsstatus mehrfach wechselt, ist durch die Einnahme von oxidiertem Q10 auch die antioxidative Wirkung des reduziertem Coenzym Q10 beinhaltet.

Fazit

Um die Darmgesundheit aufrechtzuerhalten, ist die Zufuhr von 100-200 µg Selen täglich anzuraten. Liegen chronische Darmerkrankungen vor, sollte ein potentes Multivitamin-Präparat ergänzt werden (z.B. Multivitamin, Pharma Nord). Menschen mit erhöhtem oxidativem Stress, wie Raucher, sollten täglich 400-800 IE Vitamin E und 750- 1500 mg Vitamin C ergänzen. Und ab dem 35. Lebensjahr sind aufgrund des beschriebenen enormen Energiebedarfs des Darmes 100-200 mg Coenzym Q10 täglich sinnvoll.

Schlussbemerkung

Gesundheit ist nur mit einem gesunden Ökosystem Darm möglich. Vitalstoffe sind dafür unerlässlich. Neben einer vollwertigen und ballaststoffreichen Ernährung sind auch spezielle Nahrungsergänzungen zur Verbesserung der Darmgesundheit sinnvoll. Nach 23 Jahren Vitalstofftherapie können wir berichten, dass nahezu alle Menschen mit chronischen Darmerkrankungen von der beschriebenen Mikronährstoffversorgung Vorteile haben. Speziell Patienten mit Autoimmunerkrankungen, wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, haben durch die Supplementation einen auffällig niedrigeren Medikamentenverbrauch und eine deutlich bessere Darmflora. Auch Menschen, die aus anderen Gründen viele Medikamente einnehmen müssen oder sich einseitig ernähren, profitieren enorm von einer Optimierung der Mikrobiota.

Nathalie SchmidtNathalie Schmidt
Lebensberaterin, Reiki-Therapeutin, Autorin

information@energie-lebensberatung.de

Dr. med. Edmund SchmidtDr. med. Edmund Schmidt
Facharzt für Allgemein medizin, Chirotherapie, Ernährungsmedizin und Schmerztherapie
information@praxis-schmidt-ottobrunn.de

Buch-Tipp
Edmund & Nathalie Schmidt:
Basiswissen Vitalstoffe.
Grundlagen, Studien und Zusammenhänge lebensnotwendiger Substanzen.
Schirner Verlag

Foto: © Jezper / fotolia.com

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