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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 1/2020

Die Schröpfkopftherapie

Cover

Kleine Gläser – Große Wirkung

Schröpfen erfreut sich seit Jahrtausenden großer Beliebtheit. Als einfach anzuwendende Methode ist es in vielen Kulturen zu finden und wird heute im therapeutischen Rahmen sowie im häuslichen Umfeld eingesetzt.

Historisches

Das Schröpfen hat sich über viele tausend Jahre aus der Annahme heraus entwickelt, dass man die Ursache einer Krankheit aus dem Körper „ziehen“ kann. Das instinktive Aussaugen von Wunden nach Schlangenbissen ist allgemein bekannt. Dieser Ansatz wurde therapeutisch ausgearbeitet, um gezielt Krankheiten zu behandeln.

Der Nutzen der Methode war sowohl im alten Ägypten als auch im indischen Ayurveda bekannt. Bereits um 3300 v. Chr. wurden Schröpfköpfe als Emblem auf Arztsiegeln verwendet.

Texte über die Methode und deren Anwendung finden sich auch im Koran. Hier wird das Schröpfen als Hijama(t) bezeichnet. Im arabischen Kulturkreis finden wir v.a. das blutige oder „nasse“ Schröpfen.

Die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) kennt trockenes und blutiges Schröpfen, wobei Letzteres im Vergleich zu anderen naturheilkundlichen Verfahren eher sparsam zum Einsatz kommt, da der Körper bei übermäßigem Verlust von Flüssigkeit zu sehr geschwächt werden kann.

In der westlichen Naturheilkunde sind besonders Paracelsus, Galen und Hippokrates als
Vertreter zu nennen. Von ihnen wurde das Schröpfen im Sinne der Humoralmedizin angewendet. Diese geht davon aus, dass der Körperzustand von vier Säften bestimmt wird: der schwarzen Galle, der gelben Galle, Schleim und Blut. Sind diese Säfte im Ungleichgewicht, resultieren daraus Krankheiten von Körper und Geist. Durch die Anwendung Ausleitender Verfahren werden die Säfte ins Gleichgewicht gebracht, der Mensch gesundet.

Im heutigen Europa kommt das Schröpfen v.a. bei orthopädischen Beschwerden und im Rahmen von Maßnahmen zur Ausleitung und Entgiftung zum Einsatz. Die Methode hat aber auch in vielen anderen Bereichen einiges zu bieten.

Schröpfköpfe und deren Anwendung

Zur Behandlung verwendet man Hohlkörper, die meist mithilfe von Feuer auf die Haut gesetzt werden: Eine in den Schröpfkopf gehaltene Flamme erwärmt die Luft darin; diese dehnt sich aus und zieht sich wieder zusammen, sobald das Feuer aus dem Schröpfkopf genommen wird. Dabei entsteht Unterdruck. Wird das Glas nun auf die Haut gesetzt, saugt sich im Schröpfkopf eine Gewebefalte nach oben. Dabei entwickelt sich der Effekt des Schröpfens.

In früheren Zeiten verwendete man Hohlkörper aus diversen Materialien, die heute aus hygienischen Gründen nicht mehr zum Einsatz kommen, z.B. Kuhhorn, einfache Tassen oder Bambus. Die moderne therapeutische Praxis greift meist auf Glas oder Kunststoff zurück. Gläserne Schröpfköpfe sind sehr beliebt, da sie sich gut auf der Haut anfühlen und bequem gereinigt, desinfiziert und sterilisiert werden können. Sie werden, wie oben beschrieben, mittels Feuer auf die Haut gesetzt. Die Schröpfköpfe aus Kunststoff sind meist mit einem Ventil versehen und mit einer Vakuumpumpe verbunden. Die therapeutischen Effekte lassen sich als gleich betrachten. (Andere Methoden, den Schröpfkopf auf die Haut zu setzen, werden an dieser Stelle nicht weiter diskutiert.) Elektrische Geräte für das Schröpfen sind ebenfalls auf dem Markt, jedoch ist das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht profitabel.

Schröpfköpfe gibt es mit oder ohne Saugball. Diejenigen mit Ball werden gerne für Massagen verwendet, da die Sogwirkung der Gläser nicht so groß ist und diese bequem über die vorher eingeölte Haut geschoben werden können. Die Schröpfköpfe ohne Ball erzeugen einen festeren Sog auf der Haut und werden an Ort und Stelle belassen, damit sie dort ihre therapeutische Wirkung entfalten.

Anwendungsarten

  • Trockenes Schröpfen
  • Blutiges (nasses, feuchtes) Schröpfen
  • Schröpfkopfmassage

Das trockene Schröpfen ist eine tonisierende (stärkende) Technik und wird oft bei chronischen Beschwerden eingesetzt. Im erkrankten Bereich findet man eine oder mehrere „kalte“ Gelosen. Diese blutarmen, zum Teil sehr kleinen Gewebeareale fühlen sich zäh-sulzig an, rollen beim Tasten unter den Fingern hin und her und sind schmerzhaft. Sie entstehen aufgrund einer Minderdurchblutung, weswegen Ver- und Entsorgung im Gewebe nicht mehr richtig funktionieren. Als Folge übersäuert und verhärtet dieses zur Gelose, die für lokale oder ausstrahlende Schmerzen verantwortlich sein kann. Gelosen lassen sich auch in organbezogenen Reflexzonen finden. Hier wird das innere Organ über das Gewebe „sichtbar“, sodass es mit einer Schröpfkopfbehandlung über der entsprechenden Zone reflektorisch behandelt werden kann.

Das blutige Schröpfen ist eine eher sedierende (beruhigende) Technik und wird gerne bei akuten Beschwerden und Fülle-Symptomatik eingesetzt. Im erkrankten Bereich finden sich „heiße“ Gelosen, die größer sind als ihre kalten Verwandten. Das blutreiche Gewebe fühlt sich prall-elastisch an und ist schon bei leichtem Druck schmerzhaft. Im Rahmen des blutigen Schröpfens wird die Gelose lokalisiert, desinfiziert, die Haut darüber eröffnet und mit einem sterilen Schröpfkopf versehen. Fülle und Blut werden abgeleitet, das Gewebe entlastet. Der Patient muss intensiv aufgeklärt werden, da es durch die Hauteröffnung zu Infektionen, Blutverlust und Kreislaufkollaps kommen kann.

Zum Abschluss der Behandlung müssen die Schröpfköpfe gereinigt, desinfiziert und sterilisiert werden.

Im Gegensatz zu den genannten Verfahren, mit denen sich Erkrankungen gezielt behandeln lassen, wird die Schröpfkopfmassage eher flächig angewendet. Ihre Effekte sind im Vergleich unspezifisch. Der Schröpfkopf wird wie bei einer Massage hin und her geschoben, um Gewebebereiche zu lockern und zu aktivieren. Selbstverständlich lassen sich Massage und stehende Schröpfköpfe kombinieren.

Indikationen

Das Schröpfen wird in vielen Bereichen therapeutisch eingesetzt. Besonders im orthopädischen Sektor ist die Anwendung bei Erkrankungen der Muskulatur, Sehnen, Bänder, Knochen und Gelenke beliebt.

Durch den Sog des Schröpfkopfes werden Gewebestrukturen entspannt und besser durchblutet. Gemäß Traditioneller Chinesischer Medizin ist Schmerz der „Schrei des Körpers nach freiem Qi-Fluss“ (Qi = Lebensenergie). Schröpfen regt den Energiefluss an. Schmerzen werden gelindert.

Die o.g. Indikationen betreffen die Bereiche Sportmedizin und Physiotherapie. Aber auch
die Innere Medizin kann vom Schröpfen profitieren, wobei hier die Behandlung von Reflexzonen im Mittelpunkt steht. Über den cutiviszeralen Reflexbogen lässt sich über die Haut und/oder das entsprechende Gewebe eine Wirkung auf die korrelierenden inneren Organe erzielen. Viele Arten von Reflexzonen lassen sich hierfür nutzen. In der Inneren Medizin kann das Schröpfen Atemwege, Verdauungsorgane, Harnwege und Drüsen günstig beeinflussen.

Schröpfen funktioniert auch bei psycho-somatischen Erkrankungen. Vielerlei Symptome und Beschwerden entstehen aufgrund psychischer Belastungen. Ist der Mensch gestresst, melden sich z.B. Magenkrämpfe oder Spannungskopfschmerzen. Durch Schröpfen der Magenzone oder Lösen der ursächlichen (Ver-)Spannungen können Beschwerden gelindert werden.

Auch kann das Schröpfen im kosmetischen Bereich zur Narbenbehandlung und Gewebestraffung (Gesicht, Bauch, Oberschenkel) eingesetzt werden.

Wirkungen

Das Schröpfen verbessert die allgemeine Durchblutung im Gewebe. Man kann dies anhand des entstandenen Hämatoms (Bluterguss) erkennen. Hierdurch kommt der Effekt einer Eigenblutanwendung hinzu. Wird eine Reflexzone geschröpft, so wird auch das entsprechende Organ besser durchblutet und dessen Funktion verbessert. Das trockene und das blutige Schröpfen wirken zudem:

  • ausleitend
  • ableitend
  • entgiftend
  • entspannend
  • schmerzlindernd
  • immunstimulierend
  • lymphflussfördernd

Aus der Perspektive der TCM kommen weitere Wirkungen hinzu. Trockenes und blutiges Schröpfen regen den Energiefluss an und bewegen Körpersubstanzen. Trockenes Schröpfen leitet zudem den pathogenen Faktor Wind aus, der verantwortlich ist für:

  • zugluft-bedingte Erkrankungen, die über die Atemluft in den Körper gelangen (äußerer Wind): banale Infekte, Allergien der Atemwege usw.
  • neuro-muskuläre Störungen (innerer Wind): Tremor (Zittern), Krämpfe, Lähmungen usw.

Das blutige Schröpfen kommt beim pathogenen Faktor Hitze zum Einsatz, die für „hitzige“ oder entzündliche Erkrankungen mitverantwortlich ist.

Fazit

Die Schröpfkopftherapie weist ein breites Spektrum an Anwendungsmöglichkeiten auf und lässt sich gut mit anderen ärztlichen und naturheilkundlichen Verfahren kombinieren.

Voraussetzungen für den sinnvollen therapeutischen Einsatz sind eine Anamnese (Erstgespräch) und eine körperliche Untersuchung, damit eine genaue Diagnose gemäß der Schulmedizin gestellt werden kann. Danach wird die Erkrankung aus Sicht der Naturheilkunde betrachtet und das passende therapeutische Vorgehen festgelegt. Man bestimmt die Art des Schröpfens (trocken, blutig), die Häufigkeit und die Abstände zwischen den Behandlungen.

Besonders attraktiv ist, dass die Schröpfkopftherapie ein einfaches und doch effektives Verfahren ist, das bei Beachtung der Indikationen und Kontraindikationen sowie der notwendigen Hygienemaßnahmen kaum Nebenwirkungen hat.

Markus RitzMarkus Ritz
Heilpraktiker, Autor, Dozent an den Paracelsus Schulen. Inhaber einer AkupunkturAmbulanz mit Schwerpunkten Schmerztherapie und Hauterkrankungen. Er widmet sich dem Weg des Yoga.
info@padmasana.de

Fotos: ©Andrey Popov / stock.adobe.com

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