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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 1/2020

Raidho Healing Horses

Cover

Ein innovativer tiergestützter Behandlungsansatz

Bereits seit vielen Jahren unterrichten wir wie wir durch das Auflösen negativer Emotionen zurück in unsere Kraft finden. Dieser „alchemistische Prozess“ der Transformation geschieht mit Hilfe von Pferden auf eine sehr natürliche und sanfte Weise. Die Tiere wirken auf uns Menschen wie Katalysatoren und bringen all jenes an die Oberfläche, was der Einzelne nur zu gerne unterdrückt. Unter Anleitung eines „Raidho Trainers“ werden bisher unbewusste seelische Inhalte bewusst gemacht, sodass sich der Klient den Weg hin zur Entscheidung, ob er die Dinge tatsächlich verändern will, selbst erarbeitet.

In Zusammenarbeit mit der Internistin Frau Dr. Schmucker wurde während des letzten Ausbildungskurses ein möglicherweise neuer Behandlungsansatz mit den Pferden entwickelt, der hier im Rahmen eines Fallbeispiels demonstriert wird.

Erkenntnis = Selbstermächtigung

Bereits der Neurologe Roberto Assagioli, Begründer der Psychosynthese, lehrte die Formel „Beobachten = Erkennen = Transformation“.

Bewusstwerdung ist in jeglicher Therapie von höchstem Wert, da ein Mensch, solange er die in seinem Inneren unbewusst ablaufende Dynamik nicht erkennen kann, dieser hilflos ausgesetzt und fremdbestimmt ist. Im Moment der Erkenntnis tritt er aus der Opferrolle heraus und nimmt eine selbstbestimmte Position ein. Der wichtigste Schritt zum Erfolg ist also das Aufdecken! Anschließend darf der Klient (m/w) entscheiden, wie er mit der Erkenntnis verfahren will.

Das Pferd als Spiegel

Das Pferd ist ein idealer Partner, denn es kann als haltgebender Therapeut sehr glaubhaft sein. Es fordert den Menschen auf, Stellung zu beziehen und sich zugleich zu sich selbst zu bekennen. Damit kann der Klient seine eigene Position wiederfinden und in den Kern seines „Seins“ zurückkehren. In seiner ursprünglichen Kraft vereinigt das Pferd Autonomie und soziale Bindung. Es existiert in einem weiten, freien Lebensraum. Sein Lebensprinzip ist Bewegung. Spontan auf Gefahren zu reagieren, ist ihm angeboren. Als Fluchttier lebt es vollkommen im Hier und Jetzt. Zudem kennt es den Platz zwischen Führung und Unterordnung, wenn es in einer Herde leben darf.

Fokussierung befreit

Die konzentrierte, erlebnisorientierte Arbeit mit dem Pferd gleicht einem leichten tranceähnlichen Zustand. Das Unbewusste, das lernfreudiger ist als das häufig von Widerständen und dysfunktionalen Mustern getrübte Bewussten, wird so zugänglich gemacht und kann „beobachtet, erkannt und transformiert“ werden. Die Konzentration auf das Pferd und die Selbstbeobachtung während der Arbeit ermöglichen dem Klienten eine Entwicklung von neuen Einstellungen. Gelingt z.B. eine Aufgabe, mit dem Pferd zu arbeiten (oder auch nicht), erfolgt eine Reaktion auf körperlicher und/oder seelischer Ebene. Durch Konzentration auf den eigenen Körper kann z.B. herausgefunden werden, wo genau das Problem spürbar ist. Damit verändert sich die innere Bedeutung des Problems.

Als Therapeuten können wir den erwachsenen Teil der Klienten repräsentieren und Korrekturhilfen geben. Die Prozesse verlaufen parallel. Durch das Spiegeln mit Hilfe des Pferdes werden Empfindungen hervorgerufen. Im verbalen Kontakt mit dem Therapeuten werden Prozesse kognitiv beschreibbar und können versprachlicht werden. Unbewusstes kann durch die Beobachtung und das Benennen vom Therapeuten bewusst gemacht werden. Die Klienten stehen nicht vor der Entscheidung, die Beschreibung des Therapeuten zu akzeptieren oder nicht, sondern durch die Hinwendung zum Pferd können entsprechende Kommentierungen stehengelassen und erst im Nachhinein reflektiert werden. Das bedeutet, dass im therapeutischen Prozess die Beziehung zum Therapeuten eine weniger wichtige Rolle spielt und die Klienten sich mehr auf das eigene innere Erleben (körperlich und emotio- nal) und die Entwicklung von neuer Klarheit konzentrieren können.

Wer profitiert von der Methode?

Raidho ist nicht nur für Menschen in Krisensituationen, sondern ebenfalls zur allgemeinen Stärkung für jeden geeignet. Die Pferde können helfen, verdrängte Gefühle sichtbar zu machen. Dabei geht es darum, im gesicherten Rahmen mit dem Pferd neu zu interpretieren und zu integrieren. So begleiten wir Menschen, die z.B. ihre Glaubenssätze aufdecken oder Visionen für ihr Leben finden möchten, die ihre eigenen Bedürfnisse wieder spüren, ihren Raum wahren oder ihre Ressourcen stärken wollen. Aber auch Menschen, die ihren Körper besser wahrnehmen und verstehen möchten.

Fallstudie

Doris, die seit vielen Jahren unter Rückenschmerzen leidet, möchte mit Raidho mehr Klarheit über die Herkunft ihrer Verspannungen haben. Frau Dr. Schmucker begleitet die Kursteilnehmerin in ihrem Prozess. Doris stellt für ihre Wirbelsäule Carlos (Friesen-Hengst) auf, für sich selbst Nevada (Haflinger-Stute). Dann beginnt sie, die beiden Pferde genau zu beobachten. Die Tiere grasen in einem abgegrenzten Bereich friedlich hintereinander. Die Klientin erkennt in dieser Situation, dass zwischen Nevada und Carlos keine Verbindung besteht.

Exkurs: Wichtig bei dieser Arbeit ist, dass die begleitende Person keinerlei interpretierende Argumente und Aussagen in das Geschehen einfließen lässt, damit der Klient wertfrei und so klar wie möglich in seinen Erkenntnis- prozess geführt werden kann. Jede Interpretation von Seiten der begleitenden Person würde diesen verfälschen.

Nevada dreht sich nun weg, Carlos folgt der Stute. Diese für alle anderen Teilnehmer unbedeutende Beobachtung löst in Doris eine starke emotionale Reaktion aus. Deutlich fühlt sie in sich Starre. Nevada hält Carlos auf Abstand. Doris spürt, wie sich ihr Nacken verspannt. Sie fühlt sich unbeweglich, innerlich „leer und hohl“. Dies kennt sie aus ihrem Lebensalltag!

Aufgrund der in Doris ausgelösten Emotionen und körperlichen Symptome kann die Begleiterin den Auflösungsprozess einleiten. Sie führt Doris über ihre Emotionen tief in ihren Körper hinein und lässt sie beschreiben, welche Dimension, Farbe und Form die Emotionen in den jeweiligen Körperstellen annehmen. Die Klientin kommt zur Erkenntnis, dass Starre und Leere eine konkrete Stelle in ihrem Körper einnehmen, und sie erfühlt, dass diese „energetischen Inhalte“ sie davon abhalten, eine echte „Bodenhaftung“ herzustellen. Sie fühlt sich instabil und ohne Zentrierung.

Während des Prozesses kann Doris beobachten, wie Nevada Carlos beißt und jener uriniert. Für die Klientin wird das Stehen anstrengend, sie spürt starke Spannungen in den Waden. Die Begleiterin leitet sie an, in die Empfindung der Starre in den Waden einzutauchen und diese über ihre Wurzeln zu entlassen (diese hat sie vor Beginn des Prozesses in einer Übung über ihre Vorstellungskraft „erschaffen“). Doris wird von ihr darauf aufmerksam gemacht, dass diese Empfindung eine wichtige Botschaft bereithält und sagen will: „Erkenne, dass diese Empfindung dich einlädt, dich zu ‚verwurzeln‘, um die Starre sofort entlassen zu können.“ Dieser Vorgang ist solange von der Klientin zu praktizieren, bis die Starre komplett transformiert ist.

Doris gelingt es immer mehr, sich zu lösen und die Starre an die Erde abzugeben. Das Stehen wird immer angenehmer. Nevada lässt Ballast ab. In Doris stellt sich das erste echte Gefühl von Verwurzelung ein. Sie fühlt Dankbarkeit und muss vor Freude weinen. Auch am Folgetag fühlt sie sich von den Verspannungen befreit. Schon seit Jahren war sie nicht mehr so beweglich und locker!

Abgrenzung

Selbstverständlich ist im Vorfeld der Arbeit mit den Pferden zu klären, ob akute oder psychiatrische Erkrankungen beim Klienten vorliegen. Hier sind die Grenzen der Methode erreicht. Auch bei schlechtem Allgemeinzustand oder selbstgefährdendem Verhalten des Klienten ist die Arbeit mit den Pferden nicht angezeigt.

Ob Raidho geeignet erscheint, ist auch im Interesse der Pferde zu entscheiden. Hier trägt der Therapeut Verantwortung für die Tiere. Wenn es z.B. der dringende Wunsch des Klienten ist, mit dem Pferd zu arbeiten, gilt es zu prüfen, wie er (bewusst oder unbewusst) zu dieser Vorstellung gekommen ist.

Fazit

Vielen Weisheitslehren ist zu entnehmen, dass das, was wir im Außen beobachten und interpretieren, eine Analogie unserer meist unbewussten inneren Dynamik ist und dass daher nur wir selbst uns wirklich erkennen und transformieren können.

Die Bewusstwerdung, die einer konkreten Entscheidung hin zur Veränderung vorausgehen muss, wird in der Raidho-Arbeit mit Pferden initiiert und verstärkt. Die angeleitete Person kann so unbewusste Prozesse wie unter einem Vergrößerungsglas deutlich erkennen. Die tiefgehende Erfahrung dieses tiergestützten Behandlungsansatzes ermöglicht es, den Klienten in die Selbsterkenntnis zu geleiten, was ihn gestärkt in seinen Lebensalltag zurückkehren lässt.

Sabina Hirtz Sabina Hirtz
Heilpraktikerin für Psychotherapie, Körperpsychotherapeutin, Raidho-Trainerin

sabina.hirtz@raidho-hamburg.com

Alexandra Rieger Alexandra Rieger
Gründerin und Inhaberin von Raidho Healing Horses, Dozentin an den Paracelsus Schulen

riegeralexandra@gmail.de

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