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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 1/2020

Jin Shin Do® – zeitgemäße Form der Akupressur

Cover

Der Weg des mitfühlenden Geistes

Warum sollten wir uns bei den unzähligen Therapieverfahren, die wir heute zur Verfügung haben, gerade auf eine Jahrtausende alte Heilmethode stürzen, die aus Asien stammt? Ist ein „modernerer“ Ansatz nicht zeitgemäß genug? Was sind die Vorteile, was die Nachteile? Und was ist das Besondere an der Jin Shin Do® Akupressur? Diesen Fragen geht der Artikel nach.

Überblick

Tatsächlich begegnet uns heute eine wahre Flut an Behandlungsmethoden aller Couleur. Jeder Mensch, der Heilung sucht, ist aufgefordert, das Richtige für sich herauszukristallisieren. Das ist einerseits schwierig, weil eine klare Entscheidung voraussetzt, dass man sich im Vorfeld mit verschiedenen Methoden auseinandergesetzt hat; andererseits ist es auch spannend, eine neue Freiheit zu erleben, nämlich unsere Gesundheit selbstbewusst mitzugestalten.

Auch angehende Therapeuten haben die Qual der Wahl. Sie starten ins Berufsleben mit dem Wunsch, andere auf ihrem Weg zu Wohlbefinden und Heilung zu unterstützen; doch oftmals
sind sie überfordert von der großen Auswahl an Therapieformen, sodass sie das völlig verunsichert. Wenn sie sich dann für eine Ausbildung entschieden haben, erkennen sie oft erst im Lauf der Anwendung, dass noch einiges fehlt für eine ganzheitliche Unterstützung ihrer Klienten. Einige hören dann direkt wieder auf, begraben ihren Wunsch und suchen sich ein neues Betätigungsfeld. Andere stürzen sich in die nächste Ausbildung, um die erkannten Lücken zu schließen.

Wenn wir Therapeuten entscheiden wollen, welche Methoden wir später anwenden möchten, ist es wichtig, dass wir unsere individuellen Vorlieben beachten. Für ausschließlich linear denkende Typen, die sich eher auf Details konzentrieren möchten, ist ein systemisch vernetzter Ansatz sicherlich eine große Herausforderung. Beispiel Akupressur: Diese Methode ist eingebettet in eine ganzheitliche Weltanschauung (Taoismus) und ergibt erst mit anderen Puzzleteilen zusammen ein Bild. Menschen, die in Zusammenhängen denken und dafür offen sind, werden aufblühen in der Arbeit mit dieser umfassenden Methode, da jede Behandlung perfekt individuell zugeschnitten werden kann, wenn der Anwender die Fähigkeiten mitbringt.

Akupressur: traditionell und bewährt

Neue Therapien kommen und gehen. Die Akupressur bleibt bestehen, und das seit über 5000 Jahren schon! Ist das Zufall? Wohl nicht. Ihre Wirkung ist unumstritten. Gerade in unserer Zeit, in der wir, von einem Termin zum andern hetzend, dem Stress zu entgehen versuchen, nur um uns doch immer wieder in seinen Armen wiederzufinden, ist es wichtig, sich zurückzubesinnen auf die eigene Mitte, auf wahre Werte und die Gesetzmäßigkeiten unseres Universums.

Als die Akupressur ca. 2600 v.Chr. entwickelt wurde, hatte man genau das im Auge. Die Methode entstand im Rahmen von Beobachtungen der Natur, des darin lebenden Menschen und der entsprechenden Zusammenhänge mit dem Ziel der Gesunderhaltung. Dies war das oberste Prinzip der damaligen Ärzte. Diese wurden bezahlt, solange der Patient gesund blieb. Wurde er krank, hatten die vorbeugenden Behandlungen also nichts gebracht, dann verlor der Arzt sein Einkommen. Eine ganz andere Perspektive als die unserer heutigen Gesellschaft, in der sowohl Arzt als auch Industrie mehr an der Krankheit ihrer Patienten verdienen. Nichtsdestotrotz hat die Gesunderhaltung natürlich auch heute noch ihren Platz im Medizinsystem.

Auf dem Weg zurück zu uns selbst

Unser Lebenswandel hat sich verändert, nicht aber unser Körper. Wir haben uns von den natürlichen Rhythmen der Natur entfernt, überzeugt davon, als „Krone der Schöpfung“ alles überwinden zu können. Langsam wachen wir auf aus diesem Traum, und erkennen, dass nicht brachiale Kraft zum Ziel führt, sondern Liebe und Akzeptanz unserem Selbst, unserem Körper und unserer Umwelt gegenüber. Akupressur begleitet uns zurück in unsere Mitte, hin zu Gesundheit und Wohlbefinden, somit auch zu mehr Harmonie in unserem Leben.

Eine zeitgemäße und faszinierende Methode

Ich werde von nun an von Jin Shin Do® Akupressur sprechen und nicht nur von Akupressur allgemein, weil sich die verschiedenen existierenden Methoden zum Teil wesentlich unterscheiden. Im Laufe der Zeit haben sich aus der ursprünglichen Idee heraus viele unterschiedliche Schulen gebildet, die sich teilweise nur auf einzelne Aspekte spezialisieren und dadurch das Gesamtbild wieder aus den Augen verlieren. Zudem hat Jin Shin Do einen beachtlichen Vorteil anderen Akupressur-Methoden gegenüber. Der klassische Ansatz ist langwierig: Es braucht geraume Zeit, bis man genügend Grundwissen erlangt hat, um mit der praktischen Arbeit zu beginnen. Das ist in meinen Augen ein klarer Nachteil. Jin Shin Do® hingegen begegnet dieser Herausforderung mit einem cleveren didaktischen Aufbau, der es ermöglicht, die Theorie sofort in die Praxis umzusetzen.

Therapeuten, die Gefallen an Körperarbeit finden, und bereit sind, eine tiefe Begegnung mit ihren Klienten zuzulassen, werden Jin Shin Do® lieben, denn darum geht es bei dieser Therapieform: Sie ist eine heilsame Berührung für Körper, Geist und Seele. Das Tao im Hintergrund (die Sichtweise, dass der Mensch eingebettet ist in die Naturgesetze) erlaubt dem Therapeuten, ein tieferes Verständnis für die Beschwerden seiner Klienten zu erlangen. Jin Shin Do® ist eine faszinierende Synthese aus Traditioneller Chinesischer Medizin, exaktem japanischem Fingerdruck und westlicher Psychologie. Diese Kombination ermöglicht es, gezielt und doch ganzheitlich vorzugehen. Die Methode eröffnet dem Therapeuten einen Blick auf Zusammenhänge und Hintergründe der Beschwerden des jeweiligen Klienten, sodass eine sehr individuelle Behandlung erfolgen kann.

Erste Schritte

Wahrscheinlich fragen sich mittlerweile einige von Ihnen: Wie ist Jin Shin Do® entstanden? Und was hat die westliche Psychologie hier zu suchen? Die Geschichte begann, als Iona Marsaa Teeguarden, Psychotherapeutin aus den USA, nach Abschluss ihres Psychologiestudiums in den 1970er-Jahren in Japan ihrem Meister begegnete. Was sie von ihm an östlichen Heilweisen und Praktiken lernte, kombinierte sie mit ihrem Wissen aus der Psychologie und Psychotherapie. Insbesondere erkannte sie die Zusammenhänge zur Segmenttheorie von Wilhelm Reich, zum aktiven Zuhören von Carl Rogers und zu den Arbeiten von Milton Erickson und Carl Gustav Jung. Daraus kreierte sie eine Methode, die den westlichen Menschen in all seinen Aspekten erkennt und begleitet: Jin Shin Do® – der Weg des mitfühlenden Geistes.

JIN = Mitgefühl
SHIN = Geist
DO = Weg

Der Schlüssel zur Heilung

Und genau der Aspekt des Mitgefühls ist es, sowohl für den Klienten wie auch für uns als Therapeuten, der den Unterschied macht. Nur wenn wir selber den Weg gehen, können wir ihn anderen zeigen. All das Hintergrundwissen über die östlichen Heilweisen und auch der perfekt ausgeführte exakte Fingerdruck, den diese Methode beinhaltet, reichen nicht für eine ganzheitliche Heilung aus, wenn Empathie uns selbst und dem Klienten gegenüber fehlt. So bleibt jeder, der Jin Shin Do® praktiziert, sein Leben lang immer auch Schüler – bereit, täglich auf seinem eigenen Weg einen Schritt weiter zu gehen.

Alle Ebenen werden angesprochen

Mir persönlich gefällt der ganzheitliche Ansatz des Jin Shin Do®, der es mir erlaubt, den Menschen als das zu erfassen, was er wirklich ist: ein Wesen, dessen Emotionen und Erlebnisse eine Auswirkung auf seinen Körper haben. Auch das Umgekehrte ist wahr: Das Physische wirkt sich auf Gefühle, Wahrnehmung und Erfahrungen aus. Stellen Sie sich vor, Sie kriechen morgens müde aus dem Bett und schleppen sich zu Ihrer Kaffeemaschine mit dem Gedanken: „Der Tag wird ganz sicher anstrengend!“ Wahrscheinlich fühlen Sie sich nicht besonders fit und fröhlich. Wenn Sie hingegen aus einem erholsamen Schlaf ausgeruht erwachen, werden Sie sich vielleicht sogar auf die Herausforderungen des Tages freuen. Was war nun zuerst im Ungleichgewicht, der Körper oder die Emotionen? In der Anwendung des Jin Shin Do® spielt das keine Rolle. Indem wir im energetischen System arbeiten, beeinflussen wir sowohl Körper als auch Emotionen.

Sobald die körpereigene Energie blockiert ist, erlebt sich der Mensch als erschöpft, oder er entwickelt körperliche Beschwerden, teilweise direkt im blockierten Bereich. Seine Energie steckt, bildlich gesprochen, wie Wasser hinter einem Staudamm fest und steht ihm nicht mehr zur Verfügung. Mit einfachem Fingerdruck können wir seine Beschwerden lindern. Beispielsweise könnte ein Klient über Rückenschmerzen klagen und uns gleichzeitig erzählen, dass er um seinen Job bangt. Während wir seine Schmerzen behandeln, indem wir die verspannten Bereiche über spezifische Akupressurpunkte an seinem Rücken lösen und die freigesetzte Energie in ihren natürlichen Kreislauf zurückleiten, wird sich der Klient in den meisten Fällen nach der Behandlung optimistischer und selbstsicherer fühlen. Er wird mit der aktuellen Herausforderung in seinem Leben anders umgehen, sie entspannter betrachten und auf kreativere Lösungen kommen, statt ängstlich abzuwarten, ob etwas passiert oder nicht. Durch seine veränderte Ausstrahlung und Präsenz werden Vorgesetzte ihn wahrscheinlich auch anders wahrnehmen und ihm womöglich eine veränderte Wertschätzung entgegenbringen. Wir haben zu dieser positiven Wende beigetragen, indem wir gezielt die Ursachen angegangen sind, die sich hinter den Symptomen versteckten, sodass die Lebenskraft wieder ungehindert fließen kann. Dank unseres Wissens über die dahinter liegenden Gesetzmäßigkeiten konnten wir ihn hin zu Wohlbefinden und ausgeglichenen Emotionen leiten.

In Fällen, bei denen dieses Vorgehen nicht ausreicht, um Beschwerden auf allen Ebenen aufzulösen, können wir Prozesstechniken hinzunehmen, die ebenso Teil von Jin Shin Do® sind. Durch das Wahrnehmen der Verspannungsmuster und aktives Zuhören verhelfen wir dem Klienten zu mehr Bewusstheit über die Hintergründe seiner Beschwerden. Danach vermag er vielleicht, einige festgefahrene Dinge in seinem Leben zu verändern, sodass sein Körper sich wieder entspannen darf.

Übergeordnetes Ziel ist es, zusammen mit unseren Klienten den Ursachen ihrer Beschwerden auf die Spur zu kommen, damit sie ihren Alltag wieder beschwerdefrei genießen können. Wir sorgen für einen freien Fluss der Lebensenergie in den Meridianen, sodass sich die Selbstheilungskräfte im Körper entfalten können. Meist vertieft sich der Schlaf, und die Stimmung steigt. Manchmal geben wir als Hausaufgabe einfache Atemtechniken mit oder Meridiandehnungen, welche die Klienten daheim ausführen können, um die Wirkung der Behandlung zu verstärken.

Für all das brauchen wir eine clevere Kombination verschiedener Werkzeuge:

  • das Verständnis einzelner Vorgänge wie auch ganzheitlicher Zusammenhänge, sowohl hinsichtlich der östlichen Heilweisen als auch der westlichen Psychologie
  • die exakte Fingerdrucktechnik, um möglichst effektiv Einfluss nehmen zu können
  • die Bereitschaft, dem Menschen vor uns mit Offenheit und Unvoreingenommenheit zu begegnen, sodass wir ihn in seiner Einzigartigkeit und seinem Anliegen erkennen können

Nie werden zwei Behandlungen identisch ablaufen, genauso wenig wie zwei Menschen sich bis ins Detail gleichen. Diese müssen auch nicht jedes Mal komplex ausfallen. Manchmal reicht es, einige einfache Punkteverbindungen zu halten, damit sich Gesichtszüge entspannen und Frieden in Körper und Geist zurückkehrt.

Durch seine Vielseitigkeit lässt sich Jin Shin Do® wunderbar mit anderen Therapiemethoden kombinieren.

Ein Geschenk auch für uns selbst Ein weiterer Vorteil von Jin Shin Do® ist, dass wir Therapeuten uns jederzeit und überall auch selbst behandeln können, da wir nur unsere eigenen Hände dafür brauchen. Das dient einerseits unserem Wohlbefinden, andererseits schärft es unsere Sinne für das Empfinden und die Anliegen unserer Klienten. Nur wer den Weg geht, kennt den Weg!

Grazia MarcheseGrazia Marchese
Jin Shin Do® Akupressur-Ausbilderin (‘97 I.T.T.P.), TCM-Ernährungsberaterin, Hypnotherapeutin (OHTC), Autorin, Dozentin an den Paracelsus Schulen
grazia@grazia-marchese.ch

Foto: © tbel / stock.adobe.com

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