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Erstellt: 7. November 2025

Das Antioxidans Coenzym Q10

9 Minuten
© Omeris I adobe.stock.com

Coenzym Q10 (CoQ10) schützt die Zellen vor freien Radikalen. Zudem wird es für die Bildung von Adenosintriphosphat (ATP) benötigt, dem Hauptenergieträger jeder Körperzelle. Besonders Organe mit hohem Energiebedarf (Herz, Muskulatur, Leber, Gehirn) sind auf ausreichend CoQ10 angewiesen. In kleinen Mengen ist es in verschiedenen Lebensmitteln enthalten. Über die Ernährung allein lässt sich der Bedarf jedoch meist nicht ausreichend decken. Zudem sinkt ab dem 40. Lebensjahr die körpereigene CoQ10-Synthese. Eine erhöhte indikation besteht v. a. bei Senioren, hoher (oxidativer) Stressbelastung, psychiatrischen, neurologischen und kardiovaskulären Leiden. 

 

HERZ-KREISLAUF-KRANKHEITEN

Die altersbedingte Abnahme der CoQ10-Konzentration und Mangel von Selen gelten seit langem als Risikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen sowie oxidativen Stress. Eine frühere prospektive, randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie mit älteren Menschen, die niedrige Selenwerte hatten, konnte bereits zeigen, dass eine kombinierte Supplementierung mit Selen und CoQ10 sowohl das Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen als auch die Sterblichkeit senken kann. Doch bisher war nicht klar, ob Männer und Frauen in gleichem Maß davon profitieren. Dies wurde nun in einer neuen Veröffentlichung differenziert dargestellt. 

443 ältere Probanden nahmen über vier Jahre hinweg entweder täglich 200 μg Selenhefe und 200 mg CoQ10 (hier: SelenoPrecise® sowie Bio-Qinon®, beide Fa. Pharma Nord) oder ein Placebo ein. Im Anschluss wurden sie sechs Jahre nachverfolgt. Die gemessene 10-Jahres-Sterblichkeitsrate aufgrund von kardiovaskulären Erkrankungen war bei Frauen niedriger und die Supplementierung verringerte das Risiko stärker als bei Männern. Zu Beginn hatten Männer eine höhere Raucherquote, höhere Entzündungs- und oxidative Stressmarker sowie eine größere Prävalenz bei fortgeschrittenen ischämischen Herzkrankheiten (IHD) und Anzeichen einer Herzinsuffizienz. Eine geschlechtsspezifische Auswertung offenbarte, dass das kardiovaskuläre Überleben von IHDProbanden durch die Intervention geschlechtsunabhängig verbessert war. Bei Frauen ohne IHD erzielte die Einnahme beider Antioxidantien bei Studieneinschluss einen noch ausgeprägteren Effekt. Die Supplementierung reduzierte zudem Entzündungen und oxidativen Stress, hemmte den Anstieg von NT-proBNP (Marker für Herzinsuffizienz) und verbesserte die Nierenfunktion bei beiden Geschlechtern. In der Gesamtschau verbesserte jene Nahrungsergänzung das kardiovaskuläre Überleben v. a. bei Frauen. Die höhere Prävalenz struktureller kardiovaskulärer Erkrankungen und des Zigarettenkonsums bei Männern könnte zu dem beobachteten größeren Nutzen der Supplementierung bei Frauen beigetragen haben. Die präventive Wirkung von Selen und CoQ10 bei älteren Männern und Frauen könnte v. a. in frühen Stadien der kardiovaskulären Krankheitsentwicklung besonders effektiv und bedeutsam sein. 

 

BLUTHOCHDRUCK

Die Folgen einer unkontrollierten Hypertonie, die oft als „stiller Killer“ bezeichnet wird, umfassen Gewebeschädigungen, die z. B. zu Herzinsuffizienz, Myokardinfarkt, Nierenversagen und Schlaganfall führen können. Die herkömmlicherweise bei Bluthochdruck zum Einsatz kommenden Statine führen zu einer Senkung des Cholesterinspiegels und reduzieren das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall; sie vermindern aber gleichzeitig die Ausgangsstoffe für die Biosynthese von CoQ10. Dadurch kann ein CoQ10-Defizit entstehen, und es können Muskelschmerzen und -schwäche auftreten. 

Aufgrund seiner antioxidativen und entzündungshemmenden Eigenschaften, seines Einflusses auf die endotheliale Stickstoffmonoxid-Synthase, der Verbesserung der Endothelfunktion, der Modulation der Aktivität glatter Gefäßmuskeln und der Reduktion arterieller Gefäßsteifigkeit wird CoQ10 als mögliche alternative Therapie bei Hypertonie und damit verbundenen Komplikationen in Betracht gezogen. Klinische Studien haben Hinweise darauf geliefert, dass eine Supplementierung mit CoQ10 sowohl den systolischen als auch den diastolischen Blutdruck bei Patienten mit essenzieller Hypertonie senken kann, oft als Bestandteil einer ergänzenden Therapie. 

Angesichts seines günstigen Sicherheitsprofils könnte CoQ10 als unterstützende Option bei Hypertonie in Betracht gezogen werden, v. a. bei Patienten, die nicht-pharmakologische Ansätze bevorzugen oder nur leichte systolische Blutdruckerhöhungen aufweisen. 

 

HERZFUNKTION

Herzinsuffizienz ist ein komplexes Syndrom mit hoher Morbidität und Mortalität, was den dringenden Bedarf an adjuvanten Therapien unterstreicht, welche die zugrunde liegenden bioenergetischen Beeinträchtigungen positiv beeinflussen. CoQ10, das eine zentrale Rolle bei der mitochondrialen ATPProduktion spielt, hat in kleineren Studien vielversprechende Resultate erzielt: 

In einer randomisierten, kontrollierten Studie wurden die Effekte einer CoQ10-Supplementierung auf die Herzfunktion und Lebensqualität bei Patienten mit Herzinsuffizienz untersucht. Insgesamt wurden 120 Patienten entweder einer CoQ10- (2x tgl. 60 mg) oder einer Placebo-Gruppe für einen Zeitraum von sechs Monaten zugeordnet. Nach dieser Zeit zeigte die CoQ10-Gruppe im Vergleich zur Placebo-Gruppe signifikante Verbesserungen im EKG (hier: GLS als Prädiktor und zur Beurteilung des Therapieansprechens bei Herzinsuffizienz), bei den NT-proBNP-Werten, beim Blutdruck sowie bei der 6-Minuten-Gehstrecke. 

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine gezielte CoQ10-Supplementierung die Herzfunktion verbessern, die kardiale Belastung reduzieren sowie die funktionelle Kapazität und Lebensqualität bei Patienten mit Herzinsuffizienz steigern kann. Weitere Forschung ist erforderlich, um die optimale Dosierung zu bestimmen und jene Subgruppen zu identifizieren, die am meisten von einer CoQ10-Therapie profitieren. 

 

REGENERATION NACH DEM SPORT

Bei einer intensiven oder ausdauernden körperlichen Belastung können der erhöhte Energiebedarf des Körpers und die gesteigerte Produktion reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) zu oxidativem Stress, Muskelermüdung, Entzündungen und trainingsbedingten Muskelschäden (EIMD) führen. Gemäß einer Übersichtsarbeit kann CoQ10 diesen Effekten entgegenwirken, indem es die mitochondriale Funktion sowie die Stabilität der Zellmembranen unterstützt und die Bildung von ROS reduziert. Studien zeigen, dass eine Supplementierung mit CoQ10 die Lipidperoxidation senkt, Marker für Muskelschädigungen verringert und die Genesung nach EIMD beschleunigt. Allerdings variiert der Einfluss von CoQ10 auf die Leistungsfähigkeit in Abhängigkeit von bestimmten Faktoren, z. B. Dosierung, Einnahmedauer, Art des Trainings und individuelle Eigenschaften. 

Laut einer systematischen Übersichtsarbeit und Metaanalyse aus 17 kontrollierten Studien mit 440 Teilnehmern reduzierte CoQ10 signifikant die Malondialdehyd-Werte sowie die Biomarker für Muskelschäden (Laktatdehydrogenase, LDH und Kreatinkinase, CK). Subgruppenanalysen ergaben dauer- und dosisabhängige Effekte bei der Senkung von LDH nach 14 Tagen und von CK bei Dosierungen ≥ 300 mg/Tag. 

Bei Sportlern zeigt die Supplementierung mit CoQ10 somit als unterstützende Strategie Potenzial, wenn es um die Verringerung von trainingsinduziertem oxidativem Stress sowie um Marker für Muskelschäden geht. 

 

FRUCHTBARKEIT

Die Vermeidung und Reduktion von oxidativem Stress ist entscheidend bei der Behandlung einer männlichen Infertilität. Antioxidantien können die Spermienqualität wirksam verbessern und die Beweglichkeit der Spermien aufrechterhalten, was sich positiv auf die Fruchtbarkeit auswirkt. Derzeit zählen Carnitin und CoQ10 zu den am häufigsten eingesetzten Antioxidantien in der klinischen Praxis. Laut einer systematischen Übersichtsarbeit und Metaanalyse aus 16 Studien verbesserten L-Carnitin und CoQ10 die Spermienqualität im Vergleich zum Placebo signifikant. Zudem erhöhte CoQ10 die Spermienkonzentration am stärksten, während L-Carnitin den größten Effekt auf die progressive Spermienmotilität hatte. CoQ10 wurde in einer weiteren systematischen Übersichtsarbeit und Metaanalyse bei idiopathischer männlicher Infertilität (IMI) untersucht. In neun randomisierten Studien mit 781 Männern (430 in der Behandlungs- und 351 in der Kontrollgruppe) verbesserte CoQ10 signifikant die Spermienkonzentration, Ejakulatvolumen, die Gesamtmotilität der Spermien und die CoQ10-Spiegel im Ejakulat. Zudem stiegen die Chancen auf eine klinische Schwangerschaft signifikant. Eine Subgruppenanalyse zeigte, dass eine Behandlungsdauer von mehr als drei Monaten die Spermienmorphologie stark verbesserte. Drei Studien berichteten über keine Nebenwirkungen, während eine Studie leichte, aber vorübergehende Nebenwirkungen verzeichnete. Die publizierten Daten unterstützen den sicheren und effektiven Einsatz von CoQ10 bei IMI, allein oder in Kombination mit anderen Antioxidantien. 

 

MIGRÄNE UND KOPFSCHMERZ

Basierend auf Studien kann CoQ10 aufgrund seiner potenten entzündungshemmenden und oxidativen stressreduzierenden Eigenschaften auch in der Migränetherapie Anwendung finden. Durch Verbesserung der mitochondrialen Funktion trägt CoQ10 zur Energieversorgung der Gehirnzellen bei, was bei Migräne besonders wichtig ist. Eine Supplementierung mit CoQ10 in einem breiten Dosierungsspektrum führte bei den Betroffenen zu zahlreichen therapeutischen Vorteilen, inkl. einer Verringerung der Häufigkeit und Dauer der Migräneanfälle, einer Reduktion der Übelkeit, geringeren maximalen Schmerzen während des Anfalls und weniger Migräne-Tagen. 

Daher scheint CoQ10 ein relevantes therapeutisches Supplement bei der Behandlung und Prävention von Migräne zu sein. Ein plötzlich auftretender Kopfschmerz, der zur Dauerbelastung wird, kann auf das Krankheitsbild „Neu aufgetretener täglicher Kopfschmerz“ (new daily persistent headache, NDPH) hinweisen. Entscheidendes Merkmal: Betroffene erinnern sich genau an den Beginn der Symptome. Der NDPH ist eine chronische, therapieresistente primäre Kopfschmerzerkrankung, zu deren effektiver Behandlung bisher nur eingeschränkte Leitlinien vorliegen. Laut einer retrospektiven Analyse unter Verwendung von Daten des Patientenregisters des Children’s National Hospital mit 182 pädiatrischen Patienten (mittleres Alter: 15,5 Jahre; 78% weiblich) konnte eine Kopfschmerzauflösung bei 47 Patienten (25,8%) festgestellt werden. Bei diesen Patienten war die Supplementierung mit CoQ10 die einzige Behandlung, die einen statistisch signifikanten Zusammenhang aufwies, wobei die Maßnahme in der Auflösungsgruppe häufiger angewendet wurde als in der Gruppe mit persistierenden Kopfschmerzen (17% vs. 4%). Weitere Interventionen mit einer Tendenz in Richtung statistischer Signifikanz waren Magnesium, Topiramat (Antiepileptikum, das auch zur Migräne-Prophylaxe eingesetzt wird) und Injektionen mit Onabotulinumtoxin A. Zudem zeigte sich bei Probanden mit regelmäßiger körperlicher Aktivität ein Trend zu höheren Auflösungsraten. 

 

NEURODEGENERATIVE ERKRANKUNGEN

Morbus Parkinson ist eine chronische progrediente neurodegenerative Erkrankung, dessen Ätiologie bislang nicht abschließend geklärt ist. Dennoch gelten neuroinflammatorische Prozesse sowie mitochondriale Funktionsstörungen als zentrale pathophysiologische Faktoren. Vor diesem Hintergrund rückt CoQ10 zunehmend in den Fokus der Forschung. Es vereint antioxidative Eigenschaften mit einer Schlüsselfunktion bei der mitochondrialen Bioenergetik. Als essenzieller Elektronentransporter in der Atmungskette trägt es wesentlich zur Energiegewinnung bei und wirkt oxidativem Stress entgegen – einem maßgeblichen Mechanismus der neuronalen Degeneration bei Parkinson. 

Präklinische sowie klinische Untersuchungen deuten darauf hin, dass eine Supplementierung mit CoQ10 die mitochondriale Aktivität steigern, oxidativen Stress mindern und dopaminerge Neuronen vor strukturellen Schäden schützen kann. 

Die bisherigen Daten unterstützen, dass CoQ10 neuroprotektive Mechanismen entfaltet und damit ein vielversprechendes Potenzial als ergänzende therapeutische Option bei Morbus Parkinson besitzt. 

 

PSYCHE

Stoffe, die auf oxidativen Stress und Entzündungen abzielen, könnten auch bei Depressionen hilfreich sein, so wie CoQ10. Eine systematische Übersichtsarbeit mit sieben randomisierten, kontrollierten Studien und gesamt bis zu 400 Patienten, von denen sechs Studien in die Metaanalyse einbezogen wurden, untersuchte den Zusammenhang zwischen einer Supplementierung und Verbesserung der Symptomatik. In den Studien, bei denen die Montgomery-Åsberg Depression Rating Scale (MADRS) 6-8 Wochen nach Behandlungsbeginn eingesetzt wurde (3 Studien, 158 Patienten), führte CoQ10 im Vergleich zum Placebo zur signifikanten Verbesserung der Schwere der Depression. 

Ein ähnlicher Effekt wurde bei niedrigen Tagesdosen nachgewiesen (3 Studien, 193 Patienten). Bei Studien, die das Beck Depression Inventory (BDI) verwendeten (3 Studien, 146 Patienten), zeigte sich hingegen keine signifikante Wirkung. 

Diese Analyse liefert erste begrenzte Hinweise darauf, dass CoQ10 depressive Symptome lindern könnte, wenn es in niedrigen Dosierungen (100-200 mg/Tag) und über kurze Zeiträume (6-8 Wochen) verabreicht wird. 

 

FAZIT

Zahlreiche Erkrankungen beruhen auf oxidativem Stress, Entzündungen und mitochondrialer Dysfunktion. Aufgrund seiner antioxidativen sowie antiinflammatorischen Eigenschaften und weil es unerlässlich für die mitochondriale Energieproduktion ist, kann CoQ10 bei vielen dieser Leiden adjuvant eingesetzt werden. Präparate, die sich in Studien bewährt haben, sollten bevorzugt werden. 

 

Literatur kann über die Redaktion angefragt werden. 

Heike Lück-Knobloch

Heilpraktikerin mit Schwerpunkten Kinderwunsch, Phytotherapie und Orthomolekulare Medizin, Medizinjournalistin

Heike_lueck@gmx.de

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