Übersicht dieser Ausgabe    Alle Paracelsus Magazine

aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 2/2020

Shaolin Qigong – die 8 Brokate

Cover

Mit den 8 Brokaten die Lebenskraft erhalten und ausgleichen

Von Qigong wissen Sie vielleicht, dass es sich dabei um eine althergebrachte chinesische Tradition handelt. Hier stelle ich Ihnen eine besondere Form vor, das Shaolin Ba Duan Jing Qigong, kurz Shaolin Qigong – modern ausgedrückt: eine chinesische Art der Fitness, die nicht nur den Körper, sondern auch Geist und Seele erfasst. Der Kern von Shaolin Qigong umfasst 8 Übungen, die aufgrund ihrer anmutigen und geschmeidigen Bewegungen gerne mit der Schönheit eines kostbaren, fließenden Stoffes verglichen werden. Daher kommt auch der Name „Ba Duan Jing“: „Acht Stücke Brokat“. Die 8 Brokate sind ein Symbol für die lange Kultur der Gesundheitspflege in China.

Ursprünge

Im Jahr 520 v. Chr. besuchte der indische Mönch Bodhidharma in China den Shaolintempel. Dort fand er die Mönche, wohl durch die lange Sitzmeditation verursacht, in schlechter körperlicher Verfassung vor. Er wollte nicht nur ihren Geist, sondern auch ihren Körper stärken. So entwickelte er aus Elementen des Yoga die heute noch praktizierte Form des Shaolin Ba Duan Jing Qigong.

General Yeu vereinfachte dieses umfangreiche Training im 13. Jahrhundert zu einer Folge von 8 Übungen („8 Brokate“) für seine Soldaten. In Anlehnung an die Kostbarkeit von Brokatstoffen, die v.a. für Gewänder hochrangiger Würdenträger verwendet wurden, sollte dieser Begriff den hohen Wert der Übungen für Körper und Geist zum Ausdruck bringen. Der Legende nach waren die 8 Brokate der Grund, warum die Armee General Yeus nie besiegt wurde.

Den Fluss der Lebenskraft erhalten

Aus Sicht der chinesischen Meister wird jeder Mensch mit einem bestimmten Potenzial an Lebensenergie (Qi) geboren. Dieses fließt nach Vorstellung der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) über Energiebahnen (Meridiane) durch unseren Körper und versorgt die verschiedenen Organsysteme.

Fließt das Qi harmonisch, ist der Mensch gesund. Wird dieser Fluss jedoch gestört, fehlt Lebenskraft oder staut sie sich in bestimmten Organen, z.B. durch Stress, Verletzungen oder eine ungesunde Lebensführung, kann sich das in Unwohlsein oder Krankheit äußern.

Qigong (gesprochen: „Tschi Gung“) ist die Kunst, die Lebenskraft für Gesundheit und Wohlbefinden zu nutzen. Der Begriff setzt sich aus zwei chinesischen Schriftzeichen zusammen: „Qi“ steht für die Lebensenergie, „Gong“ für Arbeit. Qigong lässt sich am besten mit „Arbeiten mit der Lebenskraft“ übersetzen. Als eine der 5 Säulen der TCM bezeichnet es den Teil, den jeder Mensch selbst zur Gesunderhaltung (Prävention) beitragen kann.

Meditation in Bewegung

Alle Schulen des Qigong zielen darauf ab, das Qi zu harmonisieren und es wieder zum Fließen zu bringen, also verlorene Energie wieder aufzufüllen. Jede Form setzt andere Schwerpunkte, die von reiner Meditation bis zur Kampfkunst reichen.

Shaolin Qigong ist eine Unterart, die auf 3 Säulen beruht. Im Zusammenspiel bewirken sie eine Harmonisierung des Qi.

Bewegung
Bestimmte Körperhaltungen und Bewegungsabläufe unterstützen den Fluss der Lebenskraft. Das Herzstück bilden die „8 Brokate“.

Atmung
Eine spezielle Atemführung erleichtert es, die Haltungen einzunehmen, und vertieft die Konzentration.

Meditation und Suggestion
Das Ziel der meditativen Konzentration sowie des Steuerns und Leitens des Qi durch Gedankenkraft ist die Balance von Körper und Geist.

Wie wirkt Shaolin Qigong?

Es bezieht seine Wirkung aus dem Wechsel zwischen Festem und Leichtem. Die Füße, die auf dem Boden stehen, sind z.B. fest, der entspannte Atem ist leicht. Dieses Zusammenspiel wirkt auf körperlicher, mentaler und energetischer Ebene.

Den Körper betreffend sind die Förderung von Gleichgewichtssinn und Beweglichkeit sowie die sanfte Dehnung der Sehnen hervorzuheben. Verspannungen können abnehmen, die Atmung wird vertieft, wodurch auch die inneren Organe massiert werden. Nach meiner Erfahrung kann auch das Immunsystem gestärkt werden. Mehr Konzentrationsfähigkeit, eine bessere Selbstwahrnehmung und eine als intensiver empfundene Entspannungsfähigkeit sind die wichtigsten mentalen Aspekte, die für ein regelmäßiges Qigong-Training sprechen.

Ganz nebenbei ist die Zeit des Übens ausschließlich Ihnen gewidmet. Aus energetischer Sicht ist selbstverständlich der ungehinderte Qi-Fluss der wesentlichste Punkt.

Die Übungen und ihre Ausführung

Jede der 8 Brokate besteht aus der achtfachen Wiederholung der jeweiligen Bewegung. Auf Anspannung folgt Entspannung, der Atem folgt dem Rhythmus der Bewegung. Dabei machen wir es uns zunutze, dass auch der Geist gelöst wird, wenn der Körper entspannt. Regelmäßiges Üben lässt uns unsere Mitte finden, Körper und Geist gelangen in ein harmonisches Gleichgewicht.

Die poetisch klingenden Namen der Übungen haben einen praktischen Hintergrund. Viele Chinesen konnten damals nicht lesen und schreiben; um auch ihnen die 8 Brokate näherzubringen, war eine bildliche Vorstellung wichtig. Versuchen auch Sie, sich beim Üben davon leiten zu lassen.

1) Die Sonne aufgehen lassen

Wir nehmen die Grundstellung ein: Füße hüftbreit auseinander, Knie leicht gebeugt, Oberkörper aufrecht. Mit dem Einatmen heben wir beide Arme über die Seite bis über den Kopf und schieben die Finger ineinander. Beim Ausatmen drücken wir die Handflächen bis zum Scheitel nach unten. Dann drehen wir die Hände wieder nach oben, atmen ein und führen sie über den Kopf. Dazu heben wir die Fersen ganz leicht an.

Diese Übung stärkt und dehnt den Rücken und vertreibt Müdigkeit.

2) Den Bogen spannen

Wir nehmen die Reiterstellung ein, für die wir die Füße breiter als in der Grundhaltung stellen. Die Kniegelenke sind leicht gebeugt, der Oberkörper ist aufrecht. Beim Ausatmen kreuzen wir die Arme am Handgelenk, die linke Hand ist innen, wir heben beide Hände bis vor die Brust. Mit dem Einatmen geht die rechte Hand zurück, als wenn wir einen Bogen spannen würden. Unser Blick geht dabei nach links. Beim Ausatmen kehrt der linke Arm in die Ausgangsposition zurück. Nun kreuzen wir wieder die Arme am Handgelenk und führen die Bewegung mit der rechten Hand innen aus.

Diese Übung kräftigt Arme, Brust und Schultern. Sie kann auch die Atmung verbessern und das Herz-Kreislauf-System stärken.

3) Himmel und Erde stützen

Aus der Grundstellung heben wir beide Hände. Die linke Hand bleibt oben, die rechte Hand führen wir nach unten. Wir ziehen sanft nach unten und drücken nach oben. So stützen wir den Himmel und stemmen die Erde. Anschließend führen wir beide Hände wieder nach oben und wechseln die Seiten.

Bei dieser Übung wird die Rückenmuskulatur gedehnt, der Verdauungstrakt massiert und gestärkt.

4) Den Blick nach hinten wenden

Wir nehmen die Grundstellung ein, heben beide Arme mit den Handflächen nach oben bis in Herzhöhe, drehen beide Hände und atmen ein. Beim Ausatmen bewegen wir die Arme nach unten, drehen den Kopf zur linken Seite und rollen die Augen weit nach links. Danach drehen wir die Hände wieder und heben beide Arme nach oben in Herzhöhe. Den Kopf drehen wir zur Mitte zurück und wechseln dann die Seiten.

Damit stärken wir die Augen und die Nackenmuskulatur. Im Qigong schützt diese Übung vor den 7 Verwundungen durch überschäumende Gefühle: Freude, Wut, Schwermut, Trauer, Kummer, Angst und Furcht.

5) Den Kopf im Reitstand schütteln

Aus der Reiterstellung legen wir die Hände mit den Fingerspitzen nach vorn auf die Schenkel und beugen den Oberkörper mit geradem Rücken nach vorne. Kopf und Brustwirbelsäule drehen wir nach links, dann zur Mitte zurück. Vom Becken beginnend richten wir uns wieder auf. Dann wechseln wir zur rechten Seite.

Diese Übung wirkt besonders im Beckenbereich. Sie kann Verspannungen im unteren Körperbereich lösen und darüber den im Herzen aufgestauten Ärger mindern.

6) Nach hinten und nach vorne beugen

Aus der Grundstellung heben wir beim Einatmen die Arme, beugen die Hüftgelenke und führen den Rumpf nach vorne und unten. Wir fassen mit beiden Händen die Zehen. Mit dem Ausatmen strecken wir die Beine so weit wie möglich. Anschließend rollen wir beim Einatmen den Rumpf auf, drücken die Hände in die Hüfte und strecken den Oberkörper nach hinten.

Das kann einen zu niedrigen Blutdruck regulieren. Außerdem wird der ganze Körper gedehnt und gestreckt.

7) Fäuste ballen und Fauststöße üben

ir nehmen in der Reiterstellung die Handgelenke auf die Hüfte und ballen die Hände zu Fäusten. Wir sammeln alle Energie und schieben beim Ausatmen die rechte Faust nach vorne, der Blick folgt der Hand. Beim Einatmen drehen wir die Faust wieder um und ziehen den Arm zurück. Dann wechseln wir die Seite.

So kann ein zu hoher Blutdruck gesenkt werden. Außerdem werden sanft Nacken- und Rückenmuskulatur trainiert und die Brustmuskeln gedehnt. Das wirkt sich positiv auf das Selbstbewusstsein aus.

8) Auf den Fersen stehen und die 100 Krankheiten besiegen

Die Ausgangsposition für diese Übung ist die Adlerstellung. Dazu stehen wir schulterbreit mit leicht gebeugten Knien, die Hände legen wir hinter dem Rücken übereinander. Nun lösen wir mit dem Einatmen die Fersen vom Boden, schieben die Hände mit Druck nach unten und strecken uns über den Scheitel nach oben. Nun atmen wir aus, lassen dabei die Fersen auf den Boden fallen und entspannen die Hände. Bei der
Entspannung atmen wir aus und stellen uns vor, dass alles Überflüssige aus unserem Körper entweicht.

Diese Übung verteilt die Energie im ganzen Körper und harmonisiert uns.

Für wen sind die 8 Brokate geeignet?

Shaolin Qigong ist für Menschen jeden Alters und jeder Konstitution leicht zu erlernen und kann bis ins hohe Alter geübt werden. In China finden sich viele 90-Jährige, die es
täglich praktizieren! Die meisten Übungen werden im Stehen ausgeführt, einige auch im Liegen, Sitzen oder Gehen. So kann jeder seine Form des Qigong finden und viel für die eigene Gesundheit und sein Wohlbefinden tun. Auch für Kinder gibt es mittlerweile spezielle Übungen, die Spaß machen und nicht als langweilig empfunden werden.

Indikationen

Die 8 Brokate können gut als ergänzende und begleitende Maßnahme z.B. bei folgenden Beschwerden und Erkrankungen eingesetzt werden:

  • Rückenschmerzen, Haltungsschäden, Gelenkproblemen
  • Stress, Schlafstörungen, Müdigkeit
  • Kopfschmerzen
  • Reizmagen, Reizdarm
  • Bluthochdruck und Kreislaufproblemen
  • zur Gesunderhaltung im Alter oder in den Wechseljahren

Wichtig Bitte beachten Sie, dass die Übungen keine medizinische Behandlung ersetzen!

Fallbeschreibung

Ich selbst litt jahrelang unter Achillessehnenbeschwerden, die mit den herkömmlichen Methoden (Physiotherapie, Sportpause, Schmerzmittel, Entzündungshemmer) nicht besser wurden. Zu dieser Zeit begann ich unter quälenden Beschwerden mit dem täglichen Üben der 8 Brokate. Nach einigen Wochen stellte sich – ohne andere Medikamente oder Behandlungen – eine deutliche Besserung ein, die bis zum völligen Rückgang der Beschwerden anhielt. Ich war, wie Sie sich vorstellen können, begeistert.

Fazit

Qigong kann die Selbstheilungskräfte aktivieren und wird traditionell zur Gesundheitspflege, Entspannung und als Prävention praktiziert. Das Ziel ist immer ein Leben im Gleichgewicht zwischen An- und Entspannung.

Da die Bewegungen des Shaolin Qigong sanft und fließend sind, braucht es keine besondere Kraftanstrengung. Üben Sie wiederkehrend, kann sich Ihre Haltung aufrichten, die Muskulatur wird besser durchblutet, die Gelenke werden sanft bewegt.

Bei regelmäßiger Praxis kann Shaolin Qigong ein sehr effektiver Weg zu mehr Energie im Leben und zu einer Harmonisierung von Körper, Geist und Seele sein.

Jürgen VolkJürgen Volk

Psychologischer Berater (VFP)
hallo@juergenvolk.de

Foto: ©gradt / stock.adobe.com

zurück zur Übersicht dieser Ausgabe
Paracelsus SchulenWir beraten Sie gerne
Hier geht's zur Paracelsus Schule Ihrer Wahl.
Menü