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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 2/2020

Werbung mit Erfahrungsberichten oder Krankengeschichten?

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Was rechtlich alles möglich ist

Die Werbung mit Erfahrungsberichten oder Krankengeschichten von Patienten kann im Marketing der Heilpraktiker eine wichtige Rolle spielen. Dabei stellt sich die Frage, ob eine solche Werbung im Internet oder in anderen Medien (z.B. Praxisflyern) erlaubt ist und welche rechtlichen Anforderungen daran zu stellen sind.

Für die Anforderungen an die Veröffentlichung hat das Medium keine primäre juristische Bedeutung. Nach dem Heilmittelwerbegesetz (HWG) ist eine Weichenstellung lediglich davon abhängig, ob die Veröffentlichung innerhalb oder außerhalb der Fachkreise erfolgt. Im ersten Fall bestehen gelockerte rechtliche Anforderungen.

Erfahrungsberichte oder Krankengeschichten auf der eigenen Website

Von großer Wichtigkeit in der heutigen Heilpraktikerwerbung ist die eigene Website. Die Internetpräsentation ist eine Werbung außerhalb der Fachkreise. Für die Erfahrungsberichte pp. sind deshalb zentrale Vorschriften § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 11 HWG:

„(1) Außerhalb der Fachkreise darf für Arzneimittel, Verfahren, Behandlungen, Gegenstände oder andere Mittel nicht geworben werden

3. mit der Wiedergabe von Krankengeschichten sowie mit Hinweisen darauf, wenn diese in missbräuchlicher, abstoßender oder irre führender Weise erfolgt oder durch eine ausführliche Beschreibung oder Darstellung zu einer falschen Selbstdiagnose verleiten kann,

11. mit Äußerungen Dritter, insbesondere mit Dank-, Anerkennungs- oder Empfehlungsschreiben, oder mit Hinweisen auf solche Äußerungen, wenn diese in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise erfolgen.“

Die Zulässigkeit steht demnach unter dem Verbotsvorbehalt „wenn diese in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise erfolgen“.

Der Patient muss sich tatsächlich geäußert haben

Irreführend wäre es, wenn kein Patientenbericht vorliegt, sondern es sich um eine Erfindung des Werbenden handelt. Bei juristischen Auseinandersetzungen müsste ggf. der Patient benannt werden können. Bereits deshalb, aber auch, weil es sich um Berichte von Patienten handelt (mögen sie auch sprachlich überarbeitet sein und den Namen nur abgekürzt wiedergeben, z.B. „Andrea B.“), ist eine schriftliche Einwilligungserklärung der Patienten erforderlich. Sie sollte rechtlich fundiert sein. Das Grundmuster einer Einverständniserklärung ist diesem Artikel angefügt.

Ausnahme: Krankengeschichte

Eine solche kann sich auch aus therapeutischen Aufzeichnungen ergeben, muss also nicht vom Patienten selbst verfasst sein (Spickhoff, Medizinrecht, 270, Rdnr. 15 zu § 11 HWG mit Rechtsprechungshinweisen). Wird ohne Wissen und Einverständnis vollständig anonym eine Krankengeschichte vom Therapeuten wiedergegeben, muss dies aus der Einleitung hervorgehen. Wichtig ist dabei, dass unmittelbar oder auch nur mittelbar (sei es mit aufwändiger Nachforschung) die Identität des Patienten ermittelt werden kann. Heilpraktikern ist in dem Fall also eine deutliche Verfremdung zu empfehlen, ohne dass die medizinischen Verläufe verändert werden. Kommt es zu einer rechtlichen Auseinandersetzung, muss anonymisiert die Krankengeschichte anhand der Dokumentation nachgewiesen werden.

Verbot missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise

§ 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 11 HWG stehen unter dem Verbotsvorbehalt „wenn diese in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise erfolgen“. Der Vorbehalt „wenn“ wird als erfüllt angesehen, wenn die heilenden Wirkungen der beworbenen Arzneimittel/Methoden übertrieben dargestellt werden, sodass zu ihrem Verbrauch angeregt werden könnte, oder so, dass Angst vor den Folgen ihrer Nichtanwendung geweckt werden könnte, oder auch, wenn ihnen Merkmale zugesprochen würden, die sie nicht besitzen, und der Verbraucher dadurch in Bezug auf ihre Wirkweise und ihre therapeutischen Wirkungen in die Irre geführt würde (Gröning pp., Heilmittelwerberecht, Band 1, Rdnr. 13 zu § 11 Nr. 3 HWG mit Hinweis auf EuGH). Ob der Vorbehalt „wenn“ erfüllt ist, muss bei der Prüfung des Textes im Einzelfall entschieden werden.

Prüfungsschritte

Die Vorschriften beziehen sich auf die Art und Weise der Werbung, nämlich mit Erfahrungsberichten, Krankengeschichten usw. Im ersten Prüfungsschritt ist deshalb zu bestimmen, ob die Werbung mit § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 11 HWG übereinstimmt. Es ist davon auszugehen, dass dieses Ergebnis (fast) immer erreicht wird. Die Werbung mit Erfahrungsberichten usw. ist aber darüber hinaus wie eigene Werbung des Werbenden zu beurteilen. Im zweiten Schritt muss deshalb die sonstige Übereinstimmung mit dem HWG geprüft werden. Hier taucht wieder das Problem des Wirksamkeitsnachweises in § 3 Satz 2 Nr. 1 HWG auf: Danach ist eine irreführende Werbung unzulässig. Eine Irreführung liegt insbesondere dann vor, wenn Verfahren, Behandlungen usw. eine therapeutische Wirksamkeit oder Effekte beigelegt werden, die sie nicht haben.

Reduzierte Inhaltskontrolle von Erfahrungsberichten oder Krankengeschichten

Wie festgestellt, sind diese wie eigene Werbung zu beurteilen, jedoch gibt es gegenüber eigenen Texten juristisch graduelle Unterschiede. Die Erfahrungsberichte schildern persönliche Patientenerlebnisse in einem Behandlungsfall. Wenn man dies rechtskonform nach § 11 HWG für zulässig erachtet, kann das Problem des Wirksamkeitsnachweises in § 3 HWG nicht in voller juristischer Schärfe angewendet werden. Die Anforderungen sind deshalb zu relativieren. § 3 HWG spielt erst dann die entscheidende Rolle, wenn der werbende Heilpraktiker textlich „den Bogen schlägt“ zu einer generellen Wirksamkeit auch in anderen Behandlungsfällen. Konzentrieren sich die Werbetexte auf den Erfahrungsbericht oder die Krankengeschichte (also auf einen Behandlungsfall), ist von weniger Problemen beim Wirksamkeitsnachweis auszugehen als dann, wenn auf Erfahrungsberichte und Krankengeschichten in der Werbung verzichtet wird.

§ 11 HWG erfasst jegliche Werbung

Die Form der Wiedergabe ist unerheblich. Durch die Vorschriften des § 11 HWG werden alle Werbeformen erfasst, also Anzeigen, Werbebroschüren, Internetauftritte, auch filmische oder zeichnerische Umsetzungen (Spickhoff, a. a. O., Rdnr. 16).

Beispielhafte Textprüfung

„Andrea B.: Die Therapie hat gut angeschlagen. Vielen Dank.“
Das schriftliche Einverständnis der Patientin „Andrea B.“ muss vorliegen. Vorsorglich sollte die Textfassung noch etwas patientenbezogener ausgedrückt sein: „Die Therapie hat bei mir gut angeschlagen.“

„Peter F.: Meine Rückenschmerzen sind weg.“
Zum Patienteneinverständnis wie oben. Auch hier sollte etwas vorsichtiger fallbezogen formuliert werden, was aber der Werbewirkung nicht schaden dürfte: „Nach den Behandlungen sind meine Rückenschmerzen bis heute weg.“

Rechtssichere Einverständniserklärung des Patienten

Erklärt sich ein Patient mit der Veröffentlichung eines Textes mit der Werbung des Heilpraktikers einverstanden, sollte dies unbedingt schriftlich erfolgen. Kann sich der Patient hinterher an sein Einverständnis nicht mehr erinnern, ist der Heilpraktiker in der Nachweispflicht.

Das Grundmuster einer Einverständniserklärung sollte verwendet werden (s. Kasten). Mit Einverständnis des Patienten könnte auch ein Foto veröffentlicht werden. In andersfarbiger Schrift sind deshalb optional Formulierungen für eine Fotoveröffentlichung eingefügt. Ebenfalls optional sind die Varianten der Namensnennung aufgenommen.

Dr. jur. Frank A. StebnerDr. jur. Frank A. Stebner

Fachanwalt für Medizinrecht
www.drstebner.de

Foto: ©momius / stock.adobe.com

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