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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 6/2020

Glosse: Von Dankbarkeit und Glück

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Francis Bacon sagte einmal: „Nicht die Glücklichen sind dankbar. Es sind die Dankbaren, die glücklich sind.“ Ich liebe Zitate, weil sie zum Nachdenken anregen und mich auf neue Spuren führen. Diesen Spruch hörte ich zum ersten Mal während einer Zeit, in der es mir gar nicht gut ging. Meine Lebensumstände hatten sich in eine Richtung entwickelt, auf die ich nicht vorbereitet gewesen war. Damals suchte ich den berühmten Strohhalm, an dem ich mich festhalten konnte, und wurde schließlich auf Bacons Worte aufmerksam.

Erst verstand ich den Zusammenhang nicht. Natürlich wollte ich wieder glücklich sein, doch wie sollte das über den Weg der Dankbarkeit gehen? Ich fing an zu üben und suchte mir täglich drei Dinge, für die ich dankbar sein konnte. Am Anfang war selbst das eine Herausforderung, aber mit der Zeit fiel es mir immer leichter. Eines Tages fand ich sogar mehr als drei. Aber war ich deswegen gleich glücklich? Nein! Das wäre wirklich zu viel des Guten gewesen; zumindest am Anfang. Das Glücklichsein kam einige Monate später. Es schlich sich langsam ein. Eines Tages spürte ich es als Kribbeln im Bauch und Lachen im Gesicht und erkannte den Zusammenhang, von dem Bacon sprach.

Heute schreiben wir das Jahr 2020. Es ist eine verrückte Zeit. Waren wir im Januar noch voller Euphorie und Pläne, folgte dem bereits Ende Februar die Unsicherheit. Alle Vorhaben mussten auf Eis gelegt werden, weil Schulen schlossen und Homeoffice angesagt war. Zwar hoffte man schon im Mai auf die Rückkehr in die Normalität, doch es folgte fast umgehend die Erkenntnis, dass unser Alltag vorläufig anders aussehen wird als gewohnt. Und all das wegen eines kleinen, unsichtbaren Virus. Zeitweise fühlte es sich an wie in einem dieser Filme, wo Superhelden am Ende die Welt wieder in Ordnung bringen. Doch es ist und wird in unserer Realität nicht so sein. Wir müssen mit dieser neuen Wirklichkeit leben.

Kurz vor Jahresende blicken wir nun zurück auf Verworfenes und neue Wege. Was bleibt von 2020? Was wird in den Geschichtsbüchern stehen? Was nimmt jede/r Einzelne von uns als Erkenntnis aus dieser Zeit mit? Und wie werden wir das Erlebte für die Zukunft nutzen? Fragen, die sich mir stelle, weil ich eine Menge gesehen und gelesen habe von Menschen und deren Umgang mit dieser Ausnahmesituation. Es sind Ja-Sager dabei und Nein-Sager; Mitmacher und Verweigerer; man hört lautes Geschrei und leise Stimmen. Und wer hätte gedacht, dass ein kleines Stück Stoff, das für kurze Momente in der Öffentlichkeit getragen werden soll, die Gemeinschaft spalten würde? Noch nie war so deutlich erkennbar, dass wir Individuen sind, die alle ihren eigenen Weg gehen, um eine herausfordernde Situation zu bewältigen.

Ja, es gilt sich zu bescheiden, und die Einschränkungen sind vielfältig. Aber reicht das aus, um 2020 in die unterste Schublade zu stecken und einfach zu ignorieren? Ich finde, das hat dieses Jahr nicht verdient, denn es drehte sich um den Umgang mit unserer Gesundheit. Sollte nicht jedem klar sein, dass ohne sie alles andere unbedeutend ist?!

Meine Familie und ich waren drei Monate ans Haus gebunden. Bis auf die Lebensmittelgeschäfte hatte nichts geöffnet. Eine gespenstische Ruhe bot sich beim Blick nach draußen. Die vierspurige Hauptverkehrsstraße wirkte verlassen, die Baustelle sah verloren aus. Statt von einem Presslufthammer wurden wir von zwitschernden Vögeln geweckt. Die ersten zwei Wochen fühlten sich an wie ein verpasster Weihnachtsurlaub. Wir aßen zu viel und bewegten uns zu wenig, schliefen in den Tag hinein und nutzten die technischen Unterhaltungsangebote. Doch dann kam der Tag, an dem uns klar wurde, dass unser Verhalten zu keinem Dauerzustand werden durfte. Wie würden wir denn aussehen, wenn plötzlich wieder Normalität herrscht? Also fingen wir an, zuhause Sportübungen zu absolvieren und unsere Kochkünste zu verfeinern. Wir führten wieder eine regelmäßige Schlafroutine ein und waren pro Tag einmal an der Luft. Es waren die kleinen Schritte, die uns geholfen haben, diese Zeit nicht nur körperlich, sondern auch mental gut zu überstehen. Wir wählten diesen Weg, unsere Mitmenschen fanden eine andere Methode für sich. Keine Strategie ist besser, sie ist nur anders. Das dürfen wir uns bewusst machen.

Über allem steht eine Frage: Waren Sie 2020 glücklich? Wahrscheinlich schütteln einige von Ihnen den Kopf. Wie soll man denn glücklich sein, wenn doch so viele Unsicherheiten und Einschränkungen präsent sind?! Wie will man glücklich sein, wenn die eigene Freiheit nicht ausgelebt werden kann, weil ein kleiner Virus die ganze Welt im Griff hat?! Ich erinnere an das eingangs erwähnte Zitat. Wenn Dankbarkeit und Glück Hand in Hand gehen, dann war 2020 für viele von uns ein gutes Jahr. Schließlich konnten wir auf ein funktionierendes Gesundheitssystem zurückgreifen und hätten ohne Angst vor der kommenden Arztrechnung Hilfe in Anspruch nehmen können. Quarantäne durfte daheim abgegolten werden, mit den Liebsten zusammen. Ebenso war Bildung weiterhin möglich, wenn auch mit Handicap. Soziale Distanz stand zwar auf der Tagesordnung, aber sie konnte mit bildgebender Technologie überbrückt werden.

Mein Fazit: Dieses Jahr war anders. Es war chaotisch. Und doch hat es uns deutlich auf die Erkenntnis zurückgeworfen, dass Gesundheit unser höchstes Gut ist. Dass wir nicht nur dafür, sondern auch für vieles andere dankbar sein dürfen. Wenn das kein Grund zum Glücklichsein ist!

Einen besseren Abschluss hätte ich kaum finden können, um mich an dieser Stelle von Ihnen zu verabschieden, denn es rufen neue Herausforderungen. Ich habe mich sehr gefreut, Sie im Rahmen dieser Rubrik mit meinen Gedanken jahrelang begleiten zu dürfen, und bin sicher, dass die Glosse auch weiterhin viel Lesevergnügen bieten wird.

Alles Liebe für Sie, und bleiben Sie gesund!
Ihre Jana Ludolf

Heilpraktikerin für Psychotherapie,
Mediatorin und Familiencoach
info@Jana-Ludolf.de

Foto: © kieferpix / adobe.stock.com

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