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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 6/2020

Schauplatz Pubertät

Cover

Den Herausforderungen entspannt begegnen

Die Pubertät zählt zu den prägendsten Zeiten im Leben eines Menschen, weil in diesen Jahren unumkehrbare körperliche, seelische und geistige Veränderungen stattfinden, die später das gesamte Erwachsensein maßgeblich beeinflussen. Oftmals werden Jugendliche in dieser Entwicklungsphase als schwierig, rebellisch oder gar zerrissen beschrieben, wenn es darum geht, was sie wollen oder auch nicht. Für mich mehr als ein Grund, diesen Schauplatz näher zu beleuchten.

Alles verändert sich

Medizinisch gesehen lassen sich bei Mädchen bereits ab 8 Jahren erste hormonelle Veränderungen feststellen, die sich u.a. in einem Wachstumsschub äußert. In den folgenden zwei bis vier Jahren nimmt die Pubertät Fahrt auf. Es kommt zur Ausprägung der sekundären Geschlechtsmerkmale: Scham- und Achselbehaarung, Brustwachstum und Ausbildung des weiblichen Körperbaus. Unter dem Einfluss weiblicher Sexualhormone kommt es zur Entwicklung der Geschlechtsorgane und im Alter zwischen 11 und 13 Jahren zur ersten Monatsblutung (Menarche). Regelmäßige ovulatorische Zyklen treten erst etwa 1,5 Jahre danach ein, sodass die Pubertät bei Mädchen mit ca. 16 Jahren größtenteils abgeschlossen ist.

Die Entwicklung bei Jungen läuft zeitversetzt etwa zwei Jahre später ab. Durch die verstärkte Bildung des Sexualhormons Testosteron kommt es zum Wachstum von Hoden und Penis. Das Testosteron hat ähnliche Aufgaben wie die Östrogene bei der Frau: Es fördert die Ausprägung der sekundären männlichen Geschlechtsmerkmale, also Stimmbruch, Gesichts-, Scham- und Körperbehaarung, Ausbildung des männlichen Körperbaus. Gleichzeitig beginnt die Spermienproduktion in den Hoden, wodurch es ab 12 Jahren zum ersten, meist unbewussten Samenerguss im Schlaf kommt. Auch bei Jungen verhält es sich so, dass erst 1,5 Jahre nach dem ersten Samenerguss genügend befruchtungsfähige Spermien gebildet werden. Neben dem zum Teil beträchtlichen Längenwachstum sind auch die Zunahme der Muskelmasse und testosteronbedingt eine mögliche verstärkte Aggressivität nicht zu unterschätzen. Jungen haben die Pubertät schließlich mit etwa 18 Jahren durchlaufen.

Sich nicht mehr wohlfühlen in der eigenen Haut

Dies ist lediglich eine Kurzfassung dessen, was sich in dieser Phase abspielt. So kann z.B. das hormonell bedingte Wachstum nicht nur zu Spannungsschmerzen führen (manche Körperstrukturen entwickeln sich weniger rasch mit), sondern kann auch zur Folge haben, dass sich Jungen und Mädchen nicht mehr wohlfühlen in der eigenen Haut. Gleichzeitig spüren sie die unangenehmen Effekte der Pubertät, z.B. vermehrte Schweißsekretion, Bildung von Akne und Wachstum von Körperbehaarung. So haben nicht wenige Jungen in der Phase des Stimmbruchs ähnlich zu leiden wie Mädchen während der Entwicklung ihrer Brüste. Die Nachwirkungen machen sich oft in Mobbing und der Entstehung belastender Gefühle wie Scham, Wut oder Traurigkeit bemerkbar. Es reift der Wunsch, aus der eigenen Haut heraus zu wollen, was auch ein Abstreifen des Kindlichen mit sich bringen soll. Es bedeutet jedoch gleichzeitig, dass das Erwachsene noch nicht verinnerlicht ist. Wer sich im eigenen Körper nicht wohlfühlt, der ist schlichtweg unzufrieden mit der Gesamtsituation und reagiert viel sensibler auf seine Umwelt: ob das die Blicke anderer sind oder Kommentare zur Kleidung. Manchmal reicht es schon, einfach nur angesprochen zu werden. So individuell die Pubertät bei jedem Menschen körperlich abläuft, so verschieden sind die Reaktionen der Jugendlichen. Manche verhalten sich auffälliger, andere ruhiger in ihrer Entwicklung.

Nähe versus Distanz

Neben den körperlichen Veränderungen darf auch die Entwicklung der Psyche nicht außer Acht gelassen werden. Schließlich handelt es sich bei der Pubertät auch um eine geistige und kognitive Reifungsphase. Erste Erfahrungen mit der eigenen Sexualität werden ebenso gemacht wie mit dem anderen Geschlecht.

Körperkontakt mit Freunden, Mitschülern und Familienmitgliedern wird in der psychischen Wahrnehmung plötzlich anders verarbeitet. Vieles, was selbstverständlich war, wird nun überdacht oder aufgrund des eigenen Empfindens abgelehnt, eben weil sich der Körper verändert und die Hormone die Psyche beeinflussen. Der Weg zum Erwachsenen spiegelt sich auch auf dieser Ebene. Es passiert durchaus, dass sich die Vorlieben von Nähe und Distanz zu Bezugspersonen oder Gleichaltrigen verändern. Viele Jugendliche wissen meist nicht, wieso sie plötzlich auf Abstand gehen wollen, sie tun es einfach, mehr oder weniger brachial.

Dazu gesellt sich zunehmend der Wunsch nach der ersten Liebesbeziehung, die völlig neue Erfahrungswerte mitbringt und das gesamte Gefühlsleben ins Chaos stürzen kann. Ein weiteres Thema, was sich auf das Nähe- und Distanzempfinden in dieser Zeit maßgeblich auswirken kann.

Wer bin Ich – den eigenen Weg entdecken

Die größte Herausforderung der Entwicklungsphase vom Kind zum Erwachsenen bildet die damit verbundene Suche nach dem eigenen Ich. Wer möchte ich sein? Was sind meine Vorlieben und Fähigkeiten? In welche berufliche Richtung will ich mich entwickeln? Welche Schritte sind dafür notwendig? Natürlich kann die Familie in diesen Fragen eine große Stütze sein, doch den Weg muss jeder selbst beschreiten.

Diese Tatsache macht es häufig schwierig, da der eine oder die andere das Gefühl hat, manches auf diesem Weg mit sich selbst ausmachen zu müssen. Die Mädchen und Jungen testen sich aus, möchten möglichst viele Erfahrungen machen, ob mit Alkohol, Nikotin, dem anderen Geschlecht oder langen Nächten. Nicht selten gilt es, an die eigenen Grenzen zu gehen, um herauszufinden, was man eigentlich will. Doch diese Suche fruchtet selten im Außen, sondern gelingt vielmehr im Inneren.

Innezuhalten, dem Körper Zeit zu geben, die eigene Entwicklung zu verarbeiten und in sich hinein zu hören, scheint in der heutigen Zeit durch unzählige Möglichkeiten der Ablenkung für Jugendliche kaum noch eine Option zu sein. Natürlich macht der Umgang mit Smartphone und sozialen Medien mehr Spaß, da hier Stars und Models eine heile Welt vorgaukeln, wie ein schöner Körper auszusehen hat oder wie man rasch (erfolg-)reich werden kann. Eigenes Können und das, was jeden von uns einzigartig macht, werden Heranwachsende aber nur durch eine nähere Beschäftigung mit sich selbst entfalten können. Dies kann nur geschehen, wenn sie sich bewusste Auszeiten nehmen vom lärmenden und actionreichen Tag, den Jugendliche sonst suchen.

Umgang mit Stress

Die Pubertät fällt mit einem sehr anspruchsvollen Zeitraum in der Schule zusammen. Jetzt werden die Weichen in Richtung Berufswahl gestellt, die Anforderungen in allen Bereichen deutlich erhöht. Mädchen und Jungen werden plötzlich mit einer nie dagewesenem Stressintensität konfrontiert, die sich aus schulischem Druck und den Veränderungen von Körper und Psyche zusammensetzt.

Schon allein die Pubertät gleicht einem Marathon; es dauert, bis alle Entwicklungen im Körper integriert sind und man sich neu angepasst hat. Die sehr wichtigen Lerninhalte und die damit verbundenen Prüfungen legen noch eine Schippe drauf. Den meisten Jugendlichen ist klar, wie wichtig gute Noten in dieser Zeit sind, und doch kann das Thema Schule in der Familie zu einer echten Belastungsprobe werden. Das Interesse liegt oftmals irgendwo anders, verständlich im Anbetracht der doch sehr einschneidenden Veränderungen im Leben eines jungen Menschen. Umso wichtiger ist es, den Jugendlichen früh einen gesunden Umgang mit Stress zu vermitteln. Egal welcher Auslöser dahintersteckt, es gilt, in dieser Phase sinnvolle Methoden zu finden, die den Jugendlichen begleiten und näher bringen, dass es neben Kopfzerbrechen, dem Ignorieren der schulischen Pflichten oder der Flucht in andere Verlockungen wie Alkohol und Drogen noch andere Zugänge zu sich selbst gibt.

Pubertät als Chance für die Zukunft

Wie bereits beschrieben, stellt die Pubertät eine sehr prägende Zeit im Leben eines Menschen dar. Sie lässt sich aber auch als Phase der „beinahe unbegrenzten Chancen“ sehen. Ich meine damit, dass es selten einen Zeitraum in unserem Leben gibt, in dem wir uns so sehr ausrichten können auf das, was wir wollen. Es handelt sich um eine Lernphase; doch das, was wir in dieser Zeit lernen und abspeichern, bestimmen wir selbst. Wir entscheiden, wie wir künftig mit Stress, Konflikten und Reaktionen unseres Körpers umgehen. Dafür ist die Pubertät wie geschaffen.

In der Kindheit sind viele der späteren Erwachsenenthemen noch nicht so präsent und die Pflichten sind überschaubar, doch im Jugendalter kommt es zur Ausrichtung hin zum Erwachsenen und zur bewussten Entscheidung, wie die Zukunft aussehen soll. Dies lässt sich in mancher Hinsicht individuell vom Jugendlichen gestalten, wenn er/sie die richtigen Werkzeuge an die Hand bekommt. Darum möchte ich einige Impulse geben, wie Jugendliche ihren Herausforderungen entspannt und selbstaktiv begegnen können:

Mentale Übungen werden in sehr vielen Bereichen eingesetzt. Hierüber können Jugendliche sich aktiv mit ihren Themen auseinandersetzen. Dazu zählt in erster Linie, den Kopf frei zu bekommen und zu trainieren, dem ewigen Gedankenkarussell keine Macht mehr zu geben. So bleibt für den Körper mehr Energie übrig, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Mit klarem Geist gelingt es Jungen und Mädchen leichter, ihren täglichen Anforderungen ausgeglichener zu begegnen. Dies fällt u.a. auch dann schwer, wenn es Reibereien in Beziehungsstrukturen gibt, ob in der Familie, unter Freunden oder innerhalb der ersten Liebesbeziehung. Auch hier kann das Erlernen einfacher Techniken dafür sensibilisieren, gesunde Grenzen zu ziehen und zu erkennen, welche Kontakte reduziert werden sollten, weil sie nicht gut tun. Dabei erweist es sich als nützlich, herauszufinden, wie stark sich der Einzelne von negativen Gefühlen in seinen Handlungen leiten lässt. Handelt es sich überhaupt um die eigenen Gefühle? Welche Auslöser verstecken sich hinter einer Abneigung oder gefühlter Ohnmacht? Es gibt ideale Methoden, z.B. die „Ventil-Übung“, bei der man durch das Visualisieren eines Ventils an verschiedenen Körperstellen (Herz, Leber etc.) belastende Gefühle genauer beleuchten und diese durch das anschließende Öffnen loslassen kann. Wenn Jugendliche ihre mentale Stärke trainieren und mit der Zeit erkennen, dass manche Probleme gar nicht so gravierend sind, dann haben die angewandten Techniken ihren Zweck bestmöglich erfüllt.

Entspannungsmethoden wie Autogenes Training oder Progressive Muskelentspannung unterstützen Jugendliche in der Stärkung ihres Körperbewusstseins und sensibilisieren die Körperwahrnehmung. Dies ist gerade in der Pubertät sehr wichtig, um die Vorgänge im Körper nicht als feindlich zu bekämpfen, sondern sie als natürliche Eigenschaft schätzen zu lernen. Des Weiteren ermöglicht Entspannungstraining, in stressigen Zeiten eine gelassenere und ausgeglichene Grundhaltung beizubehalten. Jugendliche lernen bereits vor dem Eintreten herausfordernder Situationen, diese zu erkennen und entspannter mit ihnen umzugehen.

Meditieren ist eine Fähigkeit, die jeder Mensch unbewusst schon vielfach praktiziert hat. Dennoch wird sie von der Gesellschaft stark unterschätzt und häufig als „esoterisch“ abgetan. Dabei bietet sie insbesondere im Jugendalter ungeahnte Möglichkeiten. Selbstverständlich muss auch das Meditieren gelernt und geübt werden, damit diese Technik optimal genutzt werden kann. Wer sie ernsthaft und bewusst einsetzt, wird rasch feststellen, dass sich damit die Gedanken viel besser auf eine einzige Sache richten lassen, was die Konzentration enorm stärkt. Zusätzlich wird das Vorstellungsvermögen der Jugendlichen unterstützt. In der Meditation können belastende Themen, z.B. Prüfungsängste, bearbeitet werden. Sollten Probleme mit dem Selbstwert, Selbstvertrauen oder Unzufriedenheiten mit der momentanen Lebenssituation präsent sein, so bieten Fantasiereisen und angeleitete Meditationen positive Zugänge, um aktiv mit den Sorgen zu arbeiten.

Übung „Mein Schutzraum“

Eine ideale Übung für Jugendliche, um sich zurückzuziehen, den Kopf frei zu bekommen und Kraft zu tanken!

Suche dir einen Platz, an dem du gut entspannen kannst. Schließe deine Augen und atme ruhig ein und aus. Alle Geräusche, die du wahrnimmst, sind gleichgültig. Konzentriere dich darauf, welche Form dein persönlicher Schutzraum haben soll. Hat er die Form einer Kugel, eines Würfels, Kegels oder Zylinders? Nun stelle dir vor, welche Farbe dein Schutzraum hat: rot, orange, gelb, grün, blau, violett, weiß oder durchsichtig. In deiner Vorstellung entsteht um dich herum dein Schutzraum. Beobachte, ob er Fenster oder Türen besitzt. Wenn ja, sorge dafür, dass sie geschlossen sind, damit nichts von außen hereinkommen kann.

Im Inneren befindet sich eine weiche Couch, mache es dir darauf gemütlich. Denke und fühle: Ich bin ruhig und entspannt. Niemand will jetzt etwas von dir, niemand kann dich verletzen, nerven oder dir Kraft rauben. Dir geht es gut. Ab jetzt kannst du immer, wenn du möchtest, hierher kommen und relaxen, solange du willst. Ruhe genießen, Kraft tanken, ganz bei dir sein. Genieße es!

Nun verlässt du deinen Schutzraum wieder durch die Tür, verschließt diese hinter dir und kehrst in deine äußere Welt zurück.

Fazit

Die Pubertät stellt eine der herausforderndsten Phasen im Leben eines Menschen dar. Sie bildet den Übergang vom Kind zum Erwachsenen, der Jugendliche auf verschiedenen Ebenen dazu anregt, ihren eigenen Weg zu suchen. Neben körperlichen und seelischen Veränderungen wird auch durch den zunehmenden Leistungsdruck in der Schule Stress ein Thema. Jetzt kristallisiert sich heraus, welche Bewältigungsstrategien die Jugendlichen in Bezug auf Veränderungen und Stress entwickeln und wie sie auch als Erwachsene darauf reagieren werden. Die relevante Frage: Lasse ich mich im Außen durch soziale Medien, Alkohol oder Beschäftigung mit anderen Dingen ablenken? Oder habe ich gelernt, durch Entspannungsmethoden und mentale Techniken die Lösung in meinem Inneren zu suchen und mir selbst und meinem Körper die Zeit zur Veränderung zu geben, die sie brauchen?

Je früher Jugendliche für sich nützliche Methoden finden und diese anwenden lernen, desto mehr kann die Pubertät zur Chance werden, gelassener und bewusster den Herausforderungen der Zukunft zu begegnen!

Philipp Feichtinger
Dipl.-Naturheiltherapeut mit eigener Praxis in Österreich, Kursleiter für Autogenes Training und Progressive Muskelentspannung, Burnoutberater und AMQ-Mentalcoach
office@nhp-feichtinger.at

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Foto: © 1STunningART / adobe.stock.com

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