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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 6/2020

Spondylose und ihre Folgen

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Degenerative Wirbelsäulenerkrankungen bei Tieren

Egal ob Zwei- oder Vierbeiner, jeden kann diese degenerative und sehr schmerzhafte Erkrankung ereilen: Spondylosis deformans ist eine primäre degenerative Wirbelsäulenerkrankung mit nicht-entzündlicher Entwicklung. Im schlimmsten Fall entwickeln sich deutliche neurologische Defizite.

Ob sie genetisch bedingt, durch Abnutzung der Weichteile oder aufgrund von Mikrotraumen an der Wirbelsäule entsteht, ist bisher noch nicht geklärt. In Studien konnten lediglich positive Korrelationen zwischen dieser Krankheit und einer Stoffwechselstörung (z.B. Diabetes mellitus) nachgewiesen werden. Dieser Zusammenhang ist zwar nicht des Rätsels Lösung, aber zumindest hinweisgebend. Bei vielen Erkrankungen kommt es vor, dass sie ihren Ursprung nicht „am Ort des Geschehens“ haben, sondern die Schwachstelle des Körpers als Austritt nutzen.

Heilbar ist die Krankheit nicht, aber es gibt mittlerweile viele, v.a. komplementärmedizinische Therapiemethoden, um schmerzfreie Stadien zu ermöglichen und den Krankheitsverlauf zu verlangsamen. Damit man die verschiedenen Möglichkeiten näher in Betracht ziehen kann, sollte zuallererst eine genaue Diagnose vorliegen.

Tierheilkunde: Besser spät als nicht erkannt

Bei undefinierbaren Rückenschmerzen oder leichter Steifheit in den Knochen würden die meisten Menschen recht schnell bei ihrem Arzt vorstellig werden, um den Beschwerden auf den Grund zu gehen. Bei Tieren ist das etwas schwieriger. So werden Anfangssymptome oft nicht als solche wahrgenommen. Der Hund steht vielleicht etwas mühseliger auf, oder er läuft und spielt nicht mehr so ausgelassen mit seinen Artgenossen wie früher. Die Katze mag sich nicht mehr so gerne anfassen lassen wie sonst. Sie ist aggressiver in ihrem Verhalten, und man beobachtet so manchen Fehlversuch, wenn Sprünge auf das Sofa oder den Kratzbaum unternommen werden. Auch Probleme beim Treppensteigen oder erschwertes Hinlegen deuten auf Schmerzzustände hin.

Pferde reagieren schmerzempfindlich auf Berührungen entlang der Wirbelsäule, zeigen Veränderungen im Verhalten, z.B. beim Sattel auflegen, entwickeln Rittigkeitsprobleme, und das in jeder Gangart.

Der Halter muss sein Tier sehr gut kennen oder ein geschultes „medizinisches“ Auge haben, um auf die Idee zu kommen, dass hinter diesen Besonderheiten eine degenerative Wirbelsäulenerkrankung steckt. Es ist allzu verständlich, dass der Laie den veränderten Zustand und das ungewohnte Verhalten seines Tieres auf einen Alterungsprozess schiebt.

Wie stellt man eine genaue Diagnose? Was bedeutet der Befund für die Therapie? Was kann man konkret tun? Diese Fragen werden häufig gestellt, wenn man mit dieser Verschleißerkrankung konfrontiert wird.

Der Weg zur korrekten Diagnose

Konsultiert ein besorgter Halter den Tierarzt seines Vertrauens, folgt im Rahmen des Vorgesprächs eine ausführliche Anamnese, die aufgrund der geschilderten Symptomatik die Basis für die nähere Untersuchung des Tierpatienten bildet.

Nach erstmaliger Beobachtung, Gangbildanalyse sowie allgemeiner Palpation des Körpers wird versucht, die schmerzende Stelle genau zu lokalisieren und den Grad der Schmerzen festzustellen, damit die Beschwerden eingeordnet werden können.

In der Folge werden meist bildgebende Verfahren genutzt, v.a. Röntgenuntersuchungen, um den Verdacht auf Spondylose auszuschließen, was den Idealfall darstellen würde. Kann man unterhalb der Wirbelkörper jedoch eine Veränderung erkennen, deutet das auf bereits eingetretene osteoarthrotische Umbauprozesse hin. In diesem Fall helfen die Aufnahmen, einen genaueren Befund zu erstellen. Hierfür sind gute Röntgenbilder wichtig!

In der Praxis handelt es sich tatsächlich oft um einen Zufalls- oder Nebenbefund, wenn Röntgenbilder aufgrund anderer Beschwerden notwendigerweise erstellt werden müssen.

Spondylose im Verlauf

Bei jeder Abweichung oder Beeinträchtigung der Biomechanik, die den Stütz- und Halteapparat der Wirbelsäule aus dem Gleichgewicht bringt, verändern sich die elastischen Weichteile (Bänder und Zwischenwirbelscheiben) und bauen wegen der ungleichen (Über-)Belastung unregelmäßig ab.

Bei der Spondylose bildet sich v.a. überschüssiges Knochengewebe, meist zackenartig an den Unterseiten der Wirbelkörper, die sich entlang der Wirbelkette bis an die Nervenaustrittsstelle im Bereich der Lendenwirbelsäule und des Kreuzbeins (Sacrums) ausdehnen können. Die resultierenden Spannungsverschiebungen wirken sich auf Wirbelkörperstellung, Körperhaltung sowie Beanspruchung der Gliedmaßen aus und zeigen sich in verstärkter Hochkrümmung eines Brückenbogens am Rücken.

Die Spondylose wird abhängig vom Fortschritt des sklerosierenden Prozesses in vier Schweregrade unterteilt:

Grad 1
Es sind Exostosen (Knochenneubildungen) an der Unterseite der Wirbel zu erkennen.

Grad 2
Man findet Osteophyten an der Unterseite der Wirbel: kleine, aufeinander zuwachsende, jedoch noch nicht miteinander verwachsene Knochensporne. Sie werden als „offene Brücken“ bezeichnet.

Grad 3
Die Osteophyten sind miteinander verwachsen und „überbrücken“ den Intervertebralraum.

Grad 4
Spondylose im Endstadium. Hier sind die Wirbelkörper mit den Zubildungen verwachsen, sodass sich eine Einheit gebildet hat.

 

Differentialdiagnostisch wichtig

Sobald eine massive Knochenbrücke (Grad 3 oder 4) erreicht ist, spricht man auch von einer „Ankylose“.

Bei der Spondylarthrose bilden sich in den Bereichen der größten Belastung der Wirbelsäule auch oberhalb der Nervenabgänge an den Wirbelkörpern Verknöcherungen. Dies kann als Selbstschutz des Körpers verstanden werden, weil an den versteiften Wirbelgelenken keine Einquetschungen der Nerven mehr erfolgen können. Leider begleiten dieses sehr schmerzhafte, degenerative Geschehen Ataxien, Blasenlähmungen oder partielle Lähmungserscheinungen der Gliedmaßen.

Ein Cauda-Equina-Syndrom wird diagnostiziert, sobald sensible Strukturen im Bereich der letzten Lendenwirbel und des Sacrums eingeengt werden.

Verschiedene Therapieoptionen

Der beschriebene Prozess ist leider nicht umkehrbar, sodass für die Therapie keine kausal kurativen Möglichkeiten existieren. Die Begleiterscheinungen lassen sich indes behandeln, sodass einer Verschlimmerung vorgebeugt werden kann.

Grundsätzlich führt jeder Weg einer erfolgreichen Behandlung neben artgerechter Haltung, die ausreichende und zielführende Bewegung einschließt, über die Optimierung der Ernährung. Ernährungsberater sind gute Ansprechpartner, wenn es um eine individuell angepasste und ausgewogene Ernährung unserer Lieblinge geht. Diätetische Maßnahmen sollten u.a. das Erreichen des individuellen Idealgewichts zum Ziel haben, um den Bewegungsapparat des Tierpatienten zu entlasten.

Schulmedizinisch steht eine Vielzahl von Medikamenten zur Verfügung, u.a. Präparate zum Schutz von Knochen und Knorpel sowie unterschiedliche Arten von Schmerzmitteln. Chirurgische Interventionen werden je nach Schweregrad in Betracht gezogen. Größtenteils wird eine Kombination aus Cortison und Antiphlogistika verabreicht.

An dieser Stelle sollte erwähnt werden, dass die Spondylose zwar kein entzündlicher Prozess ist, die vorübergehende Gabe von Entzündungshemmern jedoch das Allgemeinbefinden der Tiere erheblich verbessern kann. Von einer langfristigen Verabreichung dieser Medikamente sollte jedoch aufgrund ihrer Nebenwirkungen abgesehen werden.

Chronische Schmerzen können sehr gut unterstützend von naturheilkundlich arbeitenden Therapeuten behandelt werden. Die sich bei diesem Krankheitsbild anbietenden Optionen ergeben in der Praxis gute bis sehr gute Behandlungsergebnisse, sodass z.B. der Einsatz konventioneller, synthetischer Medikamente enorm eingeschränkt werden kann.

Die bisher erreichten Therapieerfolge mit homöopathischen Präparaten, Akupunktur, Goldakupunktur, Physiotherapie und osteopathischen Interventionen haben dazu geführt, dass diese Ansätze einen immer größeren Platz einnehmen.

Weitere Möglichkeiten, um das Schmerzempfinden zu lindern, sind der Einsatz von Laser- und Magnetfeldtherapie sowie Blutegeln. Neuesten Berichten zufolge soll auch die Verabreichung von CBD-Öl Wirkeffekte erzielen. Der Therapeut kann also auf ein breit gefächertes Sortiment an Methoden zurückgreifen und die individuell passenden Bausteine auswählen, um bei seinen Tierpatienten Schmerzfreiheit zu ermöglichen.

Welche Therapie und welches schulmedizinische Präparat sich im Allgemeinen bei diesem Krankheitsbild am besten eignet, lässt sich nicht genau definieren. Jedes Tier ist unterschiedlich und hat ein individuelles Schmerzempfinden. Hinzu kommt, dass verschiedene Schmerzstadien und Verläufe nach angepassten Behandlungskonzepten verlangen.

Fazit

Im Rahmen einer Schmerztherapie sollte generell eine individuelle und universelle Beratung sowie eine kontinuierliche Betreuung der Patienten erfolgen. Damit alle Möglichkeiten einer erfolgversprechenden Behandlung ausgeschöpft werden und die Krankheit ins Leben integriert wird, wäre es ideal, wenn eine gemeinsame Versorgung durch Tierarzt und Tierheilpraktiker erfolgt.

Rosa Maria Sinzig
Tierheilpraktikerin und Pferdeosteopathin mit Schwerpunkten Blutegeltherapie, Klassische Homöopathie, Kinesiologie, Lasertherapie und Dry Needling
RMS-Pferdeosteo@web.de

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