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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 6/2020

Fallstudien

Cover

Fallstudie aus der naturheilkundlichen Praxis

Tibetische Medizin bei Stresserkrankungen

Bei Erschöpfungszuständen und Burnout ist es wichtig, nicht nur psychische, sondern auch körperliche Aspekte zu beachten. Oft liegt der Fokus allein auf Stressreduktion, z.B. durch organisatorische Maßnahmen im Beruf oder Erlernen von Entspannungstechniken, etwa Autogenes Training oder Yoga. Diese Ansätze sind zwar angebracht, jedoch bei stark ausgeprägten Erschöpfungszuständen oft nicht ausreichend. Zusätzlich sollten der Hormon- und der Mikronährstoffstatus abgeklärt und mit entsprechenden Maßnahmen und Präparaten korrigiert werden. Hat die Erschöpfung einen Grad erreicht, der nicht mehr in einer Praxis behandelt werden kann, ist es ratsam, einen Reha-Aufenthalt in einer psychosomatischen Klinik zu empfehlen. Bis dahin stehen in der ambulanten Heilpraxis jedoch viele Behandlungsoptionen zur Verfügung. Bewährt haben sich v.a. pflanzliche Präparate.

Patientin

Die 29-jährige Frau klagt über Ein- und Durchschlafstörungen sowie schnelle Erschöpfung, obwohl sie regelmäßig dreimal wöchentlich für 40 Minuten joggt. In gewissen Abständen bekommt sie Angst- und Panikzustände, die vermehrt bei Stress im Beruf auftreten. Sie arbeitet im sozialen Bildungswesen mit lernbehinderten Kindern. Aufgrund ihrer Symptome nimmt sie täglich ein Antidepressivum (SSRI, 5 mg Citalopram). Sie lebt in einer stabilen Beziehung. Zur Schwangerschaftsverhütung hat die Patientin über 12 Jahre die Pille genommen, diese jedoch vor Kurzem abgesetzt. Neben der Verminderung der Beschwerden wünscht sie sich v.a., „weg von der Chemie“ (SSRI) und „wieder ins Gleichgewicht“ zu kommen sowie „energiereicher“ zu leben.

Befund

Die Patientin hat eine leichte Unterfunktion der Schilddrüse (TSH 4,8 µlU/ml, Normwert 0,4-4,8 µlU/ml, meist ca. 1-2 µlU/ ml). Das Speichel-Cortisol abends/nachts ist deutlich erhöht (0,59 µg/dl, Normwert 0,1-0,3 µg/dl), das Tagesprofil zeigt keine typische Morgenspitze. Auf einer Skala von 0-10 gibt sie einen Stresslevel von 8 an. Die Blutwerte für Vitamin B12, Selen, Zink und die Steroidhormone sind im Normbereich. Östradiol ist leicht vermindert.

Der Befund weist auf eine Stresserkrankung mit depressiver Verstimmung, seelischer wie auch körperlicher Erschöpfung hin, hauptsächlich ausgelöst durch die hohe mentale und emotionale Belastung im Beruf. Die viel zu hohen Cortisolwerte abends und in der Nacht sowie der gestörte Schlafrhythmus bewirken, dass die Patientin sich nicht ausreichend regenerieren kann und morgens gestresst aufwacht.

Therapie

Die Patientin soll zum Ausgleich der Schilddrüse für 12 Monate das Schüßler-Salz Nr. 15 einnehmen (Kalium jodatum D6, 1 Tbl. morgens). Zudem erhält sie über 7 Wochen 1x wöchentlich eine Ohrakupunktur und das Präparat Padma NervoTib (2 Kps. täglich abends und je nach Gefühlslage zusätzlich 2 Kps. morgens).

Aus Sicht der Tibetischen Medizin werden bei Stresserkrankungen wärmende und erdende Pflanzenrezepturen eingesetzt. Das genannte Präparat enthält die Rezeptur Dza ti 10 (Muskatnuss 10), die die mentale Gelassenheit (tibetisch: semde) stärkt und außer der namensgebenden Muskatnuss weitere wärmende Substanzen, z.B. Gewürznelken, Bockshornsamen, Indischen Weihrauch und Asafoetida, enthält.

Verlauf und Ergebnis

Nach drei Wochen schläft die Patientin das erste Mal durch. Ihr Schlaf hat sich seither weiter verbessert. Der TSH-Wert sinkt innerhalb von vier Monaten auf 2,0 µlU/ml und somit auf Normalwert.

Ein erklärtes Ziel der Patientin ist, das Antidepressivum abzusetzen. Dies wird in Absprache mit dem verordnenden Arzt umgesetzt. Dafür erhält sie bis auf Weiteres das tibetische Präparat in der Dosierung 2×2 Kps. täglich. Die Patientin nimmt außerdem 15 Sitzungen Gesprächstherapie in Anspruch.

Nach zwei Jahren befindet sich die Patientin in einem sehr stabilen Zustand. Das Cortisol-Tagesprofil hat sich komplett normalisiert.

Fazit

Bei Burnout und Erschöpfungszuständen sind nicht nur seelische, sondern auch körperliche Störungen abzuklären und zu behandeln. Oft arbeitet ein Organ, z.B. die Schilddrüse, nicht in seiner Normalfunktion. Oder Vitalwerte im Blut (meist Vitamin D3) sind vermindert.

Diese Fallstudie zeigt, wie ein integratives Behandlungskonzept, das verschiedene Maßnahmen sinnvoll kombiniert, das seelisch-körperliche Gleichgewicht stärken und normalisieren kann. Die tibetische Rezeptur Dza ti 10 hat sich dabei als guter Begleiter sowohl während der intensiven Anfangsbehandlung als auch zur Aufrechterhaltung und Stärkung eines stabilisierten Zustandes für den Alltag erwiesen.

Jürgen Amler
Heilpraktiker in eigener Praxis seit 1992 mit Schwerpunkten Homöopathie, TCM und Kräuterheilkunde
info@juergenamler.de


Fallstudie aus der psychotherapeutischen Praxis

Auswirkung kindlicher Beziehungserfahrungen auf die spätere Partnerschaft

Patientin

Beate, 41 Jahre Die Patientin schildert, dass sie ihre langjährige Partnerschaft als „festgefahren“ empfindet und sich schon lange niedergeschlagen und orientierungslos fühlt.

Anamnese

In Beates 19-jähriger Beziehung gibt es keine Entwicklung. Das Paar ist unverheiratet, ein Kinderwunsch war vorhanden, aber es kam nicht zur Familienbildung. Auch ihr Traum von Haus mit Garten ist unerfüllt, das Paar lebt immer noch in der ersten gemeinsamen Wohnung. Beate ist bewusst, dass sie ihren Partner oft schlecht behandelt, da sie ihre Unzufriedenheit unkontrolliert bei ihm ablädt, wofür sie sich verurteilt. Insbesondere kritisiert sie die passive Haltung ihres Partners. Die Angst vor dem Alleinsein hemmt sie jedoch, Veränderungen einzuleiten.

Biografisches

Selbstzweifel und Versagensängste begleiten Beate seit ihrer Kindheit. Die Beziehung zur dominanten, emotional unberechenbaren Mutter ist sehr belastend. Deren negative Bewertungen haben Beates Selbstbild stark beeinflusst. Der Vater ist gutmütig, hat aber immer eine passive Rolle eingenommen, er wurde von der Mutter abgewertet. Beate blickt auf ihre Eltern als ein Paar, das distanziert und lieblos miteinander umgeht. Ihr Bruder (6 Jahre jünger) hat ein kühles Verhältnis zu den Eltern und sich früh abgenabelt. Die Geschwister haben kaum Bezug zueinander.

Diagnose

Dysthymia F34.1 nach ICD-10

Therapie und Verlauf

Es erleichtert Beate sehr, ihre Gefühle, Ängste und inneren Konflikte auszusprechen. Ihre Belastungsfelder werden auf einem Flipchart sichtbar gemacht und ein übergeordnetes Ziel hinsichtlich innerer Kompetenzstärkung wird erarbeitet. Begleitend werden stabilisierende und selbstwertstärkende Interventionen eingebaut. Hausaufgaben-Arbeitsblätter dienen der Selbstreflexion und unterstützend zum Erlernen von Selbstfürsorge und Selbstregulierungstechniken.

Ihre Erkenntnisse verwandelt Beate in Ziele, die sie im Verlauf konkretisiert. Dazu gehören: Planung von Aktivitäten, Aufbau eines Freundeskreises sowie die Entwicklung einer liebevollen Haltung zu sich selbst. Gezielte Ressourcenaktivierung über das ZRM (Zürcher Ressourcen-Modell) bildet die Grundlage für den Entwurf einer positiven Zukunftsvision.

Erst im Anschluss an diese Entwicklung kann sich Beate für das aufdeckende Untersuchen ihrer Partnerschaft öffnen, was mit dem verdrängten Thema der Mutterbeziehung verbunden ist. Es zeigen sich Wut und Verachtung gegenüber der Mutter sowie Enttäuschung in Bezug auf den Vater, weil dieser sie nicht schützte, sondern sich passiv verhielt und Erniedrigungen seitens der Mutter über sich ergehen ließ. Erschrocken stellt Beate fest, dass sie ähnlich wie diese agiert: Gefangen in Unzufriedenheit und Frust, an ihrer Seite ein teilnahmsloser, aber sicherheitsgebender Partner, den sie abwertend behandelt. Diese schmerzhafte Erkenntnis bewirkt, dass Beate in eine aktive Haltung hinein findet, weil sie langfristig auf keinen Fall so sein möchte wie ihre Mutter.

Über die biografische (systemische) Beziehungsmusterarbeit spürt Beate ein zunehmend tieferes Verständnis und Mitgefühl für sich selbst. Eigene Bedürfnisse hat sie aufgrund einer tiefen unbewussten Angst zurückgestellt. Als Kind hat sie gelernt, alles auszuhalten, so wie sie auch heute ihre unbefriedigende Beziehung zum Partner erträgt. Ein positives Rollenvorbild in Bezug auf Beziehungsgestaltung als Frau und Partnerin hat Beate aufgrund ihrer Biografie nicht verinnerlicht.

Im nächsten Schritt wird die Partnerschaft auf den Ebenen Kommunikation, emotionale Bedürfnisse, Rollenverhalten, gemeinsamer Lebensentwurf und Wertesystem beleuchtet. Erlebnisorientierte Tools aus dem systemischen Coaching unterstützen den Erkenntnisprozess.

Ergebnis

Beate entwickelt über Selbstregulationshilfen, Selbstwertstärkung und Ressourcenaktivierung ihre Wirksamkeit und aktiviert schrittweise ihr eigenes Leben. Die Arbeit am „Selbstbild“ und am „systemischen Beziehungsmuster“ bringt sie in einen liebevollen und heilsamen Kontakt mit sich selbst. Ihrer Mutter gegenüber grenzt sie sich inzwischen klar ab und fühlt sich dadurch emotional wesentlich freier. Zum Bruder gibt es eine Annäherung, was beide aufgrund der gemeinsamen Kindheitserfahrungen als bereichernd und tröstlich empfinden. In der Beziehung wird eine räumliche Trennung vollzogen. Ihr Partner befindet sich derzeit ebenfalls in Therapie. Nach 18 Sitzungen fühlt sich Beate von Schuldgefühlen und inneren Konflikten befreit.

Fazit

Das Beziehungsmuster ihrer Kindheit steuert nicht nur auf subtiler Ebene die Struktur der aktuellen Partnerschaft, sondern blockiert Beate auch in ihrem persönlichen Wachstum. Das „Vorbild“ der Eltern als Paar wird unbewusst übernommen. (Er-)Lösung und Heilung bindender wie blockierender Schmerzen aus Erlebnissen und Beziehungsstrukturen der Kindheit lassen neue Entwicklungsräume für sich, das Familiensystem und die Partnerschaft entstehen.

Iris Hallensleben
Heilpraktikerin für Psychotherapie, Psychologische Beraterin und zert. Systemischer Mastercoach, Mitglied im VFP
herzwerkstatt-irishallensleben@gmx.de


Buch-Tipp

Iris Hallensleben:
Liebe . Leid . Lösung –
Beziehungsprobleme verstehen und lösen.
tredition Verlag


Fallstudie aus der tierheilkundlichen Praxis

Trainingstherapie am Pferd

Da ich selbst seit vielen Jahren im Turniersport reite, sind mir die Anforderungen, die an unseren Sportpartner Pferd gestellt werden, sehr bewusst. Damit die Tiere diese Hochleistungen dauerhaft erbringen können, ist eine umfassende Betreuung unabdingbar. Dass dieser Bedarf nicht nur sinnvoll, sondern auch notwendig ist, zeigt der vorliegende Fall deutlich.

Patient 

Mikado (SQ The Ultimate Cash), Paint Horse Wallach, 3 Jahre

Vorgeschichte

Der junge Wallach Mikado wurde bereits im Absetz- und Jährlingsalter in Halter-Klassen erfolgreich geshowt. Als 2-Jähriger schaffte er es, sich in der Longe-Line und im Trail-In-Hand auf den vorderen Rängen zu platzieren.

Bereits zu dieser Zeit stellte sich ab und zu das Problem eines Beckentiefstandes ein, das sich über Taktunreinheiten bemerkbar machte. Vermutlich wurde der Schiefstand durch eine längere Schonhaltung verursacht, die das Pferd aufgrund eines kleinen Hufgeschwürs entwickelt hatte. Diese Ungleichheit konnte nach gezielten Physiotherapiesitzungen ausbalanciert und erfolgreich therapiert werden.

Im Alter von 3 Jahren wurde Mikado schonend angeritten. Das Kürzertreten im Training kam auch hier des Öfteren zum Tragen. Nach individuell abgestimmten physiotherapeutischen Einzelbehandlungen verbesserten sich die Auffälligkeiten.

Aktuelle Beschwerden

Längere Pausen im Training sowie in der Physiotherapie sind wohl dafür verantwortlich, dass die Taktunreinheiten bei der Bewegung wieder vermehrt aufgetreten und in den Fokus der Aufmerksamkeit der Besitzerin gerückt sind.

Diese berichtet mir im Vorfeld, dass es keinen Unterschied mache, ob sich der junge Paint im Freilauf, an der Longe oder unter dem Sattel bewegt. Teils falle es dem Wallach schwer, mit dem linken Hinterbein Kraft aufzunehmen, weshalb der Galopp an der rechten Hand sehr kräftezehrend sei. Darüber hinaus könne er sich im Training zunehmend schwerer in eine Richtung biegen.

Aus diesem Grund beginnen wir mit einem Trainingstherapieprogramm, das ich immer individuell in Absprache mit dem Besitzer gestalte. In der Regel umfasst es einen vierwöchigen Zeitraum. Während des ersten und letzten Termins behandle ich die Tiere komplett durch, in den dazwischen liegenden Sitzungen gehe ich die spezifischen Beschwerden meines Tierpatienten an.

Therapieansatz

Ziel ist es, das Pferd komplett gerade auszurichten. Die kompakten Behandlungseinheiten sollen die Probleme des Tieres schnell und gleichzeitig nachhaltig angehen. So kann ich wesentlich besser und gezielter auf die Schwachstellen des Tieres eingehen und auch den Erfolg engmaschig kontrollieren.

Therapie

Die angedachten Interventionen werden in einem Behandlungszeitraum von vier Wochen durchgeführt. Innerhalb dieses Zeitraums besuche ich Mikado fünfmal. In der ersten Woche zweimal, in den darauffolgenden Wochen je einmal.

Bei meinem ersten Besuch behandle ich den jungen Wallach komplett durch. Dabei geht es um das Geradestellen von Becken und Schulter sowie die Beseitigung von Wirbel- und Gelenkblockaden. Im Verlauf zeigen sich die Schwachpunkte des Pferdes sehr deutlich. Hierauf fokussiere ich mich während der folgenden Termine.

Mikado hat große Probleme mit der Biegung, weswegen ich bei ihm zunächst schwerpunktmäßig an der Schulter und der Halswirbelsäule arbeite. Dann zeigt er Schwierigkeiten, den Rücken loszulassen, deshalb werden auch Brustwirbelsäule und der Übergang zur Lendenwirbelsäule mit einbezogen.

Ich greife während der Trainingstherapie immer gerne auf Hilfsmittel zurück. Bei Mikado kommen Faszienrolle, Power Redeemer und Dry Needling zur Anwendung.

Um die Beweglichkeit des Wallachs zu erhalten und weiter zu fördern, erarbeite ich mit der Besitzerin und dem Trainer ein aus physiotherapeutischer Sicht sinnvolles Trainingsprogramm. Dieses umfasst manuelle Anwendungen, die die Halterin durchführen kann, sowie Übungen an der Longe und unter dem Sattel.

Grundsätzlich ist es sinnvoll, solche Programme gemeinsam mit dem für das Pferd zuständigen Trainer zu entwickeln, damit sie auch nach der Therapiezeit weitergeführt und ausgebaut werden können.

Verlauf

In den Folgetagen stellt die Besitzerin des Wallachs beim Reiten fest, dass sich der Hals zwar immer noch schlechter zu einer Seite hin biegen lässt, allerdings scheint sich Mikado mehr auf die Biegeübungen einzulassen. Er zeigt weniger Widerstand.

Nach der Dry-Needling-Behandlung gelingen diese Übungen noch besser.

Im Verlauf der Behandlung zeigt Mikado eine immer größere Lockerung in seinen Bewegungen. Dies wird auch durch das gezielte Reittraining unterstützt.

Fazit

Mit Abschluss der Interventionen lässt sich feststellen, dass die Taktunreinheiten bei Mikado, dem erfolgversprechenden Paint Horse „SQ The Ultimate Cash“, gänzlich therapiert zu sein scheinen. Die vormals bestehenden Schwierigkeiten haben sich wesentlich gebessert. An diesem Punkt arbeitet die Besitzerin mit viel Geduld weiter.

Sabrina Steinhauser
Pferdephysiotherapeutin mit Schwerpunkten Dorntherapie und Tierhomöopathie
info@vital-equine.de

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