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Naturheilkunde
Lesezeit: 10 Minuten

Degenerative Augenerkrankungen – Teil 2

Ein ganzheitliches Therapiekonzept mit vier Säulen

Unsere Augen sind Spiegel der Seele wie auch unserer Gesundheit allgemein. Erkrankungen wie z.B. die altersbedingte Makuladegeneration oder das Glaukom bilden keine Ausnahme. Um sie zu verlangsamen oder gar zu stoppen, reicht eine lokale oder symptomatische Behandlung meist nicht aus. Daher berücksichtigen wir in unserer Praxis das gesamte Körpergeschehen und die seelische Befindlichkeit unserer Patienten; therapeutisch kombinieren wir die erprobte Augenakupunktur nach John Boel mit Maßnahmen der Infusions- und Physiotherapie. Dabei stützt sich unsere Augentherapie auf vier Behandlungselemente, die ich in diesem Artikel praxisnah vorstelle.

Elementar: die Anamnese

Im Anamnesegespräch (griech. anamnesis = Erinnerung) entsinnen sich die Patienten und schildern ihre Wahrnehmungen. Es ist wichtig, sich für jeden Betroffenen individuell Zeit zu nehmen, abhängig von Verfassung und Beschwerden, um dann einen persönlichen Behandlungsplan erstellen zu können. Gerade bei degenerativen Augenerkrankungen zeigt sich wiederholt, dass die Beschwerden am Auge nicht isoliert auftauchen, sondern Teil eines umfassenderen Krankheitsbildes sind. Die Anamnese sollte daher grundsätzlich eine zentrale Rolle im Behandlungskonzept spielen, denn die Geschichte eines Menschen erzählt uns, welche Vorerkrankungen ursächlich für die Problematik am Auge sein können.

Individuelle Behandlungsansätze

Anschließend wird entschieden, worauf der Fokus in der Behandlung gelegt wird. Bei einem Glaukompatienten, der starkem Stress ausgesetzt ist, sollte Stressreduktion im Vordergrund stehen.

Handelt es sich um einen Makulapatienten, dessen Sehkraft sich nach einem traumatischen Erlebnis oder während der Einnahme bestimmter Medikamente verschlechtert hat, ist eine ausführliche Laboruntersuchung mit individueller Therapie empfehlenswert. Denn Medikamente können Vitamin- und Mineralstoff-Fresser sein.

Sehstärke und Akupunktur

In der Augenheilkunde ist Akupunktur für viele nicht nachvollziehbar und auch wenig bekannt, dennoch hat sie gerade hier in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Prof. Boel entwickelte aus verschiedenen Akupunkturschulen (Chinesische Körperakupunktur, ECIWO, Su Jok, Schädelakupunktur n. Yamamoto) ein Punktesystem, mit dem wir gezielt Augenerkrankungen behandeln können. Unter Anwendung seines Augenschemas kommt es u.a. zu einer verbesserten Durchblutung des Auges, zudem können Entzündungen gemindert werden.

Zur Behandlung von Augenkrankheiten werden natürlich niemals die Augen genadelt. Es werden Punkte genutzt, die an Händen, Füßen, Knien und am Bauch liegen. Zusätzliche Nadeln können im Gesicht um die Augenregion und im Stirnbereich gelegt werden.

Das Geheimnis: die Anbehandlungsphase

Die Besonderheit der Akupunktur liegt in der Anbehandlungsphase, die zwei Wochen lang dauert. Der Patient wird an 10 zusammenhängenden Werktagen (Mo-Fr) therapiert. Vorab prüfen wir mit verschiedenen Sehtests den aktuellen Ist-Zustand der Augen. Pro Behandlungstag sind zwei Akupunktursitzungen mit jeweils einer Stunde Pause vorgesehen, die mit ergänzenden Therapiemaßnahmen gefüllt wird und den Genesungsprozess deutlich verbessern kann.

In der Anbehandlungsphase wollen wir das Gehirn „umprogrammieren“, um den Körper zu veranlassen, seine Selbstheilungskräfte intensiv zu aktivieren, sowie Regulation und Regeneration der betroffenen Stellen anzukurbeln.

Nach diesen zwei Wochen sollte der Patient einmal im Monat zu einer Akupunktursitzung kommen, um weiter am Heilungsgeschehen zu arbeiten. Da die meisten Augenerkrankungen chronischer Natur sind, sollte sich ein Augenpatient ein Leben lang aktiv um die Gesundheit bzw. Regeneration seiner Augen kümmern.

Der Beitrag von Infusionen

Durch Vitamin- und Mineralstoffinfusionen wird der Körper mit lebenswichtigen Mikronährstoffen versorgt. Sie sind nötig, da viele Patienten zum Teil mehrere starke Medikamente einnehmen müssen. Dadurch können v.a. die Leber, aber auch andere Organe belastet und geschwächt sein. Außerdem hat der Körper im Krankheitsfall einen erhöhten Bedarf an Vitaminen und Mineralstoffen, den er über die Ernährung häufig nicht ausreichend decken kann. Anamnese und Laboruntersuchungen ermöglichen es, maßgeschneiderte Infusionen mit der passenden Wirkstoffkombination zusammenzustellen.

Die Infusionstherapie gliedert sich in zwei Stufen: Entgiftung/Entschlackung und regulierende Impulse. Während der ersten Stufe adressieren wir Darm, Leber, Niere und Säure-Basen-Haushalt. Die zweite Stufe umfasst die Zufuhr wertvoller Nährstoffe (Vitamin C, B-Vitamine, Taurin, L-Arginin, Lysin, Alphaliponsäure, Glutathion), die nur erfolgreich aufgenommen werden, wenn eine Entgiftung der Grundsubstanz vorausgegangen ist.

Leider stehen uns in der Naturheilkunde nicht alle Präparate für eine Infusion zur Verfügung. Deswegen geben wir den Patienten am Ende der Therapie eine persönliche Mappe mit, in der wir weiterführende Empfehlungen aussprechen, die die Regeneration der Seh- und Nervenzellen zusätzlich unterstützen können. Die persönliche Patientenmappe beinhaltet außerdem Augenübungen sowie Ernährungsempfehlungen, die wir mit jedem Patienten ausführlich besprechen.

Unterstützung durch manuelle Therapien

Unsere langjährige Erfahrung zeigt eindeutig: Physiotherapie kann Patienten mit Makuladegeneration und Grünem Star bei der Erhaltung und Verbesserung der Sehkraft erheblich unterstützen. Die Effektivität der physiotherapeutischen bzw. osteopathischen Behandlung fußt auf Maßnahmen zur Durchblutungsförderung. So können sich z.B. Gelenktechniken positiv auf den Muskeltonus oder Massage- und Faszienmethoden auf den Sympathikus bzw. Parasympathikus auswirken. Dies führt wiederum zur Regulation von Atmung und Herzfrequenz. Viszerale Techniken regulieren die Peristaltik und tragen zur besseren Nährstoffabsorption bei.

Wir wenden sowohl spezifische wie auch allgemeine Techniken an, um die Versorgung der Augen zu verbessern. Die spezifischen ergeben sich aus Anamnese und Befund. Sie gehen auf die individuellen Beschwerden (Läsionen) der Patienten ein. Allgemeine Techniken, z.B. bestimmte Brustkorb-Faszien-Methoden, werden bei jedem Patienten angewendet. In der Folge lässt sich beobachten, dass der Körper mit der „Informationsflut“ von Akupunktur und Infusionen besser umgehen kann.

Bedeutung der Körperstatik

Zusätzlich beschäftigen wir uns explizit mit der Körperstatik. Die Wirbelsäulenfunktion und ihre Stabilität sind enorm wichtig für die Durchblutung des Kopfes. Eine Fehlhaltung kann zur Minderung des Lumens der Hauptschlagadern und Venen führen. A. carotis communis, A. vertebralis und Vv. jugularis verlaufen entlang der HWS und versorgen den Kopf mit Blut. Durch die Verbesserung der Brustkorbmobilität kann das Blut mit mehr Sauerstoff angereichert werden, die Atemzüge je Minute verringern sich, die Hilfsatemmuskulatur kann ausgesetzt werden, die HWS wird detonisiert. Durch größere Bewegungsamplituden der Rippen wird auch der venöse Rückfluss verbessert. Für Glaukompatienten ist dies besonders wichtig, da die Vorgänge im Schlemm-Kanal, über den der Abtransport des Kammerwassers bewerkstelligt wird, in Bezug auf den venösen Rückstrom einem Schornsteineffekt unterliegen. Für die direkte mechanische Durchblutungsförderung und Verbesserung der Beweglichkeit des Thorax bzw. der Wirbelsäule wenden wir Techniken an, die die Konstitution des Patienten berücksichtigen. Relevant sind dabei Alter, Muskelmasse, Geschlecht und Anzahl der bereits vorhandenen Läsionen (z.B. OPs, Brüche, Allergien, Missbildungen, Rheumafaktoren).

Ergänzung Entspannungstraining

Während der vergangenen zwei Jahre haben wir festgestellt, dass die Corona-Situation dazu beigetragen hat, dass Menschen „dünnhäutiger“ geworden sind und das Thema Stress in der Praxis immer relevanter wird. Unsere Therapie haben wir daraufhin angepasst und erweitert. Während der 10-tägigen Therapie führen wir einige Patienten zusätzlich zwei Mal in eine Tiefenentspannung. Die Reaktionen sind ermutigend und zeigen, wie hoch der Bedarf für Entspannungstherapien ist.

FALLSTUDIE Glaukom

Ein 83-jähirger Patient mit stark ausgeprägtem Glaukom stellt sich in unserer Praxis vor. Die Krankheit besteht seit mehr als 20 Jahren, weshalb der Sehnerv mittlerweile schwer geschädigt und das Gesichtsfeld so stark eingeschränkt ist, dass der Patient in die Praxis geführt werden muss. Seit 35 Jahren besteht außerdem Bluthochdruck. Die Laborwerte zeigen stark verminderte Erythrozyten, auch die Nierenwerte sind nicht in Ordnung (Kreatinin erhöht, glomeruläre Filtrationsrate vermindert, Glukose leicht erhöht). Die Sehtests ergeben, dass er links gar nichts erkennen kann, eine Messung der Sehstärke ist nicht möglich. Rechts liegt eine Sehleistung von 20% vor, jedoch ist das Gesichtsfeld stark eingeschränkt – vergleichbar mit einem Blick durch ein Nadelöhr. Der Physiotherapeut stellt einen stark eingeschränkten Brustkorb (mit Verdacht auf COPD [unbestätigt]), Verdauungsstörungen und leichten Schwindel fest. Die Atemfrequenz liegt bei 20 Zügen/Minuten, die Brustwirbelsäule ist spondylarthrotisch, das Heben der Arme nur bis 160° möglich. (Abb. 2)

Abb. 2: Protokoll Tag 1

Woche 1

Täglich werden Glaukom-Punkte genadelt, die druckregulierend wirken. Der Patient bekommt drei Infusionen – Cissus ossa (Fa. Weleda) ist jedes Mal dabei. Ansonsten beginnen wir grundsätzlich mit einer Baseninfusion, es folgen Zubereitungen für Leber und Nieren. Zusätzlich werden zwei Physiotherapie-Einheiten durchgeführt. Die osteopathisch-physiotherapeutische Behandlung des Bauchfells und des Dünndarms bewirkt eine natürlichere Tension der Bauchregion. Daraufhin kann der Brustkorb trotz der Verknöcherung des unteren Rippenbogens relativ gut eingestellt werden. Aufgrund des hohen Alters des Patienten wird die Behandlung wiederholt. Über Recoil-Techniken kann die Hilfsatemmuskulatur ausgeschaltet werden. Die Peristaltik des Patienten verbessert sich binnen 5 Tagen. Der zweite Sehtest am Ende der ersten Woche zeigt im Rahmen der Messung des Gesichtsfeldes eine positive Veränderung. Der Patient selbst nimmt diese Verbesserung jedoch noch nicht wahr (Abb. 3).

Abb. 3: Protokoll Tag 5

Woche 2

Es wird erneut zweimal täglich die Akupunktur durchgeführt. Zusätzlich erhält der Patient regulierende Infusionen (Vitamin C, Magnesium, Ubichinon, Alphaliponsäure, B-Vitamine und Mittel zur Regulation des Nervensystems). Auch die Physiotherapie bleibt Teil des Behandlungskonzepts. Abschließend bekommt der Patient eine Bindegewebs- und Periostmassage sowie Anleitungen zur Eigenmobilisation des Thorax und der Brustwirbelsäule. Durch die Bearbeitung des Brustkorbes muss die vordere Schultermuskulatur mitbehandelt werden. Am Ende der Therapie ist ein Heben des Arms um 180° möglich. Schwindel und Rotation der Halswirbelsäule verbessern sich, die Atemfrequenz reduziert sich auf 16 Züge/Minute. Wir besprechen mit dem Patienten auch dessen Essgewohnheiten und raten ihm zu einer entzündungshemmenden Ernährung mit Schwerpunkt auf Wurzelgemüse und Pseudogetreide. Außerdem soll er sich den „Makulasaft“, den unsere Patienten jeden Tag bekommen, täglich frisch zubereiten (er enthält Rote Bete, Karotten, Orangen, Äpfel, Ingwer, Kurkuma, Pfeffer und Leinöl). Schließlich erlernt er verschiedene Seh- und Atemübungen zum täglichen Gebrauch (Abb. 4).

Abb. 4: Protokoll Tag 10

Ausblick

Die Sehtests dokumentieren auch am Ende der Behandlung weitere Verbesserungen, die der Patient subjektiv aber immer noch nicht wahrnimmt. Wir raten ihm, sich Malbücher zu besorgen und diese, soweit möglich, auszumalen. Irgendwie müssen wir sein Gehirn „austricksen“ und ihm beibringen, dass er wieder mehr sehen kann. Der Patient kommt seitdem einmal im Monat zur Akupunktur. Er erhält im Wechsel zusätzlich Infusionen oder Physiotherapie.

Anfang dieses Jahres erscheint er in der Praxis und fragt nach der Toilette. Ich will ihn wie sonst am Arm nehmen, um ihn zu führen – da sagt er ganz glücklich, dass er das allein schaffe. Mittlerweile sehe er viel besser und könne sich allein auch in fremder Umgebung zurechtfinden.

Hartnäckigkeit, Disziplin und regelmäßige Akupunktursitzungen zeigen, dass sich die Augen auch älterer Patienten wieder regenerieren können. Der Patient passt seine Ernährung an und macht regelmäßige Seh- und Atemübungen. Die Arbeit mit Malbüchern ist eine wichtige Ergänzung genauso wie die Einnahme entsprechender Nahrungsergänzungsmittel.

Glaukom: Mikronährstoff-Tipps

Hierbei geht es v.a. um die Behebung der bei einem Glaukom häufig auftretenden Defizite an Antioxidantien und Omega-3-Fettsäuren:

  • Vitamin C und E reduzieren oxidativen Stress und den Augendruck.
  • Sekundäre Pflanzenstoffe wie Quercetin, OPC und Carotinoide verbessern die Durchblutung, reduzieren oxidativen Stress und den Augendruck.
  • L-Arginin wirkt gefäßrelaxierend und durchblutungsfördernd.
  • Zink wirkt als Antagonist von Kupfer einem Glaukom entgegen.
  • Chrom wird bei niedrigeren Werten mit hohem Augendruck in Verbindung gebracht.
  • Omega 3-Fettsäuren mit hohem EPA-Gehalt reduzieren Entzündungen und verbessern die Durchblutung.
  • Magnesium fördert die Spasmolyse und die okuläre Blutzirkulation.

Ein geringer Vitamin-D-Spiegel steht im Zusammenhang mit dem Auftreten, aber nicht mit dem Schweregrad des primären Weitwinkelglaukoms.

Grüner Tee wirkt blutdruckregulierend, reduziert Entzündungen und verbessert die Gesundheit der Gefäße.

Fazit

Altersbedingte Makuladegeneration oder Glaukom – bei keiner dieser Erkrankungen handelt es sich um ein Schicksal, das hingenommen werden muss. Erkrankte Augen können sich regenerieren, die Sehkraft kann sich verbessern. Eine ganzheitliche Therapie, wie wir sie in diesem Zweiteiler vorgestellt haben, behandelt das Gesamtkrankheitsbild und nicht nur isolierte Symptome, was sich in vielen Fällen als hilfreich erwiesen hat. Im Kern geht es darum, Stress abzubauen und die Selbstheilungskräfte des Körpers zu aktivieren. Fußend auf einer gründlichen Anamnese wird eine Augenakupunktur flankiert von Mikronährstoffinfusionen und Physiotherapie.

Michaela Noll
Heilpraktikerin in eigener Praxis mit Schwerpunkt ganzheitliche Behandlung degenerativer Augenerkrankungen, Begründerin der Integrierten Augenakupunktur nach Noll
mail@akupunktur-noll.de

Fotos: © vectorfusionart / adobe.stock.com, © Africa Studio / adobe.stock.com

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