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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 3/2022

Rundum herzgesund

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Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Risikofaktoren und Vorsorge

Herz-Kreislauf-Erkrankungen gehören zu den kritischen Leiden unserer Zeit. Laut Statistischem Bundesamt waren sie im Jahr 2020 für 34,3% der Todesursachen verantwortlich. Unter rund 338000 Todesfällen finden sich ca. 44500 aufgrund eines Herzinfarktes und 48000 im Zusammenhang mit Bluthochdruck. Laut der Deutschen Herzstiftung werden jährlich über 1,7 Millionen Patienten deutschlandweit vollstationär in einer Klinik wegen Herzerkrankungen behandelt, davon ca. 218 000 infolge eines Herzinfarktes. Bei einer so hohen Anzahl an Erkrankungen und Todesraten ist neben der Akutbehandlung kardiologischer Notfälle die Prävention von besonderer Bedeutung.

Wichtige Herzkrankheiten

Zu den bedeutendsten Erkrankungen im Hinblick auf Todesfälle und schwere Verläufe zählen Herzinfarkt, KHK (Koronare Herzkrankheit), Angina pectoris, Endokarditis, Herzmuskelentzündung, Herzrhythmusstörungen, Vorhofflimmern, Herzklappenerkrankungen und allgemeine Herzschwäche/ Herzinsuffizienz (Klassifizierung in vier Stadien laut New York Heart Association). Zu diesen Erkrankungen kommen noch angeborene Herzdefekte.

Häufigste Risikofaktoren

Man unterscheidet in der Primärprävention einerseits klassische Risikofaktoren wie Arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus Typ II und Fettstoffwechselstörungen, andererseits familiäre Disposition und Lebensstilfaktoren wie Rauchen, Bewegungsmangel und Übergewicht (Adipositas). Diese Risikofaktoren beeinflussen Makro- und Mikrozirkulation in den (Herz-)Gefäßen gleichermaßen. Makrozirkulationsstörungen werden eher durch arteriosklerotische Veränderungen begünstigt, z.B. Plaques oder Stenosen. Als Folge können ein Herzinfarkt oder eine Organinsuffizienz mit Pumpfunktionsverlust auftreten. Hauptrisikofaktoren hierfür sind Rauchen, Hypercholesterinämie und Hypertonie. Störungen der Mikrozirkulation führen zu myokardialen Folgen mit diastolischer Dysfunktion und Herzinsuffizienz bei weiter bestehender Pumpfunktion des Herzens. Risikofaktoren sind Diabetes und Hypertonie. Weitere Faktoren für Herzerkrankungen sind Infektionskrankheiten (z.B. Grippe) und Stress.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Einfluss von Bluthochdruck, Adipositas und Diabetes

Bei manchen Formen des Bluthochdrucks ist die Ursache oft unbekannt. Insbesondere in Kombination mit Übergewicht, Diabetes Typ II und übermäßigem Stress liegt der Grund für die kardiometabolische Erkrankung meist in der Lebensweise oder den Lebensumständen. Fettleibigkeit kann durch krankhafte oder vererbte Stoffwechselstörungen bedingt sein, Haupttreiber für die Entwicklung einer Adipositas sind jedoch mangelnde Bewegung und falsche Ernährung. Die Entstehung eines Diabetes Typ II wird häufig durch diese beiden Faktoren und eine Adipositas begünstigt. Entsprechende Änderungen der Lebensweise können sich dabei sehr positiv auswirken – später mehr dazu.

Beurteilung des kardiovaskulären Risikos

Zur Abschätzung eines kardiovaskulären Risikos gibt es verschiedene medizinische Scores, z.B. PROCAM, Framingham oder SCORE. Bezüglich des 10-Jahres-Risikos für Erkrankungen oder Todesfall empfiehlt die ECS (European Society of Cardiology) den SCORE-Index, aktualisiert den SCORE2 bis zu einem Alter von 70 Jahren sowie den SCORE-OP ab 70. Der SCORE-Index erfasst u.a. die Faktoren Adipositas, körperliche Inaktivität, psychosozialer Stress, Erschöpfung, Familienanamnese, chronische immunvermittelte entzündliche Erkrankungen, Vorhofflimmern, linksventrikuläre Hypertrophie, chronische Niereninsuffizienz, obstruktives Schlafapnoe-Syndrom und nichtalkoholische Steatohepatitis (Fettleber). Dabei wird nach Risiko unterschieden in:

sehr hohes Risiko Dieses haben Patienten mit dokumentierter Herz-Kreislauf-Erkrankung, Diabetes mit Organschaden oder einem weiteren Risikofaktor (Rauchen, Cholesterin, Bluthochdruck), schwerer chronischer Nierenerkrankung und mit SCORE >10%.

mittleres Risiko Dabei sind u.a. Patienten mit deutlich erhöhten einzelnen Risikofaktoren (Cholesterin, Bluthochdruck >180 mmHg), Diabetes, mittelschwerer Nierenerkrankung oder mit SCORE zwischen 5-10% zu nennen.

Grundsätze der neuen ESC-Leitlinie

Die ESC hat 2021 eine neue Leitlinie zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen erstellt. Neu ist, dass die aus dem SCORE geschätzten Risikokategorien altersabhängig sind und damit auch junge Patienten mit hohem Lebenszeitrisiko erfasst werden. Patienten mit niedrigem bis moderatem Risiko (SCORE <5) wird keine Behandlung empfohlen, Patienten mit sehr hohem Risiko (SCORE >10) dagegen auf jeden Fall. Risikomodifizierende Faktoren, z.B. Stress, psychosoziale Faktoren oder der koronare Calcium-Score, sollten bei der Einschätzung beachtet werden.

Die neue Präventionsleitline ist zweistufig aufgebaut

Stufe 1 zielt auf einen Rauchstopp und andere Maßnahmen zur Veränderung des Lebensstils, einen systolischen Blutdruck von <160 mmHg und ein LDL-C von <100 mg/dl ab. Das kardiovaskuläre 10-Jahres-Risiko sollte abgeschätzt und darauf abgestimmte Behandlungsziele angestrebt werden.

Stufe 2 beinhaltet stärkere Präventionsbemühungen und ggf. Therapieintensivierungen nach dem ermittelten 10-Jahres-Risiko, Begleiterkrankungen und Gebrechlichkeit. Ziele sind ein Blutdruck von <130 mmHg, LDL-C <70 mg/dl bei hohem Risiko, und bei sehr hohem Risiko <55 mg/dl.

Für die Sekundärprävention bei einer manifesten arteriosklerotischen Erkrankung gilt dieses Stufenkonzept ebenfalls, jedoch mit anderen Zielwerten. Stufe 1 sieht eine Blutdrucksenkung auf 140-130 mmHg, eine Literatur Löllgen H, Bachl N: Kardiovaskuläre Prävention und regelmäßige körperliche Aktivität. Herz; 2016; 41:664-670 Hansen A, Sundberg C, Kuhn W: Das Gesundheitsrezept. Goldmann Verlag, 2017 LDL-Reduktion <70 mg/dl, mindestens eine 50%ige LDL-Senkung sowie eine antithrombotische Therapie vor. Stufe 2 zielt auf einen Blutdruck unter <130 mmHg sowie einen LDL-Wert <55 mg/dl ab.

Eine Frage der Eigeninitiative

Zu den Risikofaktoren Bluthochdruck, Adipositas und Diabetes gesellen sich Verhaltensweisen, die der Gesundheit nicht zuträglich sind. Rauchen zählt zu den wichtigsten, selbst zu beeinflussenden Risikofaktoren, da Betroffene ein mehr als doppelt so hohes Risiko für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung haben als Nichtraucher. Als Therapeut kann man die Nikotinentwöhnung unterstützen, z.B. rein „technisch“ durch die Anwendung von Akupunkturprotokollen nach NADA (National Acupuncture Detoxification Association) oder andere Anti-Sucht-Akupunkturprotokolle, Mesotherapie oder eine Kombination davon. Mangelnde Bewegung und ungesunde Ernährung sind die beiden anderen Punkte, die durch Eigeninitiative beeinflusst werden können.

Mit diesen Erkenntnissen sind wir in den Überlegungen hinsichtlich einer erfolgreichen Primär- und Sekundärprävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und den ursächlichen Grunderkrankungen schon weit fortgeschritten. Durch Änderung von Verhaltensweisen bezüglich der genannten Risikofaktoren kann schon sehr viel getan werden, um sein Herz möglichst langfristig gesund zu erhalten.

Ernährungsempfehlungen

Bei Übergewicht und Adipositas muss das Herz eine größere Körpermasse versorgen. Wenn das Normalgewicht um 20% überschritten wird, verdoppelt sich das Risiko, einen Herzinfarkt zu bekommen. Nach den Leitlinien soll ein Body-Mass-Index (BMI) von 20-25 kg/m2 erreicht werden sowie ein Bauchumfang von <94 cm bei Männern und <80 cm bei Frauen. Die Ernährung, besonders mit zu viel Zucker und „schlechtem“ Fett, ist neben der möglichen Ausbildung von Übergewicht auch ein Risikofaktor für die Entstehung eines Diabetes mellitus Typ II. Nach den ESC-Leitlinien wird empfohlen, dass der Hauptanteil der Nahrung aus einem niedrigen Anteil gesättigter Fettsäuren und einem hohen Anteil ungesättigter Fettsäuren bestehen sollte, mit Schwerpunkt auf Vollkornprodukten, viel Obst und Gemüse sowie Fisch und Nüssen unter Meidung von zuckerhaltigen Softgetränken und Alkohol.

  • gesättigte Fettsäuren <10% der täglichen Energieaufnahme
  • ungesättigte trans-Fettsäuren so wenig wie möglich
  • Fisch an 1-2 Tagen/Woche
  • jeweils 200 g Obst und Gemüse/Tag
  • 30-45 g Ballaststoffe/Tag
  • 30 g ungesalzene Nüsse/Tag
  • <5 g Salz/Tag
  • max. 20 g oder 10 g Alkohol/Tag für Männer bzw. Frauen

Bewegung als „Gesundbrunnen“

Mangelnde Bewegung ist (nach dem Rauchen) der wichtigste selbst zu beeinflussende Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Bewegung senkt nachweislich das Risiko für Herz-Kreislauf- und andere Erkrankungen. Sie ist der Schlüssel für einen besseren Gesundheitszustand. Forscher der Karolinska Universität Stockholm haben verschiedene Studien dazu analysiert und dies in einem populärwissenschaftlich geschriebenen, gut lesbaren Buch zusammengefasst. Ihr Fazit: Bewegung ist ein „Gesundbrunnen“. Man muss nicht gleich einen Marathon laufen; regelmäßige Spaziergänge sind kardiologisch betrachtet schon sehr viel wert. Zur Leistungssteigerung ohne viel Zeitaufwand kann ein HIIT-Training (Hochintensives Intervalltraining) sehr effektiv sein. Andere Autoren beschreiben Bewegung und Training als eine „polypill“ zur Herzprävention.

Empfehlung für eine effektive Kardio-Prävention

Bei körperlich inaktiven Menschen ist jeder Schritt hin zu mehr Bewegung wichtig. Es wird empfohlen, mindestens 150 Minuten/Woche moderate aerobe körperliche Aktivität (45- 65% der Herzfrequenzreserve) an 3-5 Tagen in der Woche oder 75 Minuten/Woche intensive aerobe körperliche Aktivität (65-85% der Herzfrequenzreserve) verteilt auf 3 Tage in der Woche oder die Kombination aus beiden Aktivitätsarten durchzuführen. 10 Minuten Bewegung mit hoher Intensität entsprechen dabei dem Nutzen von 20 Minuten mit mittlerer Intensität. Die Bewegungsaktivität sollte auf mehrere Tage in der Woche verteilt werden. Jede Bewegung ab 10 Minuten Dauer kann über den Tag zusammengezählt werden. Zusätzliches Krafttraining, Gleichgewichtsübungen, Stärkung von Beweglichkeit und Ausdauer können zur Leistungssteigerung sinnvoll sein. Ältere Menschen sollten sich ebenfalls so viel wie möglich bewegen – auch zur Sturzprävention. Wenn man also ein wenig tägliche Bewegung in seinen Alltag einbaut, rund eine halbe Stunde pro Tag, hilft das dem Herz schon sehr. Zudem können wir mit ausreichend Bewegung Übergewicht, Diabetes und anderen Erkrankungen entgegenwirken. Hier können wir als Therapeuten entsprechend beraten und die Patienten unterstützen. Ein weiterer möglicher Schritt wäre die Bildung und Anleitung von Lauftreffs, Walkinggruppen, Tai Chi etc.

Unterstützung aus Naturheilkunde und TCM

Spannende Therapieoptionen bietet die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM). Je nach Symptomen und Grunderkrankung lassen sich durch Akupunktur Meridiane oder Organe gezielt behandeln (z.B. nach dem Zang-FuSystem, das Organzuordnungen bzw. funktionelle Zusammenhänge von Körper, Organen und Meridiane beschreibt und das Fünf-Elemente-System in der Akupunktur fast völlig abgelöst hat), oder der Körper kann allgemein wieder in Balance gebracht werden. Will man z.B. den Herzmeridian erreichen, kann er direkt genadelt werden (He7) oder nach der Meridiantheorie bzw. der Balance-Akupunktur je nach anwendbarem System indirekt balanciert werden, z.B. über den Dünndarm-Meridian (Innen/Außen-Kopplung, Yin und Yang) oder die Meridiane Gallenblase (Gb) und Milz (Mi). Auch die Perikard-Leitbahn ist wichtig: Bei der KHK haben sich Pe6 und Ren17 als gezielte Punkte bewährt. Die TCM-Phytotherapie bietet ebenfalls verschiedene Möglichkeiten zur Therapie, z.B. Yangxin tang (Dekokt, das den Funktionskreis Herz nährt). „Westliche“ Phytotherapeutika zur Herzstärkung sind u.a. Weißdorn oder Digitalis, wobei Digitalis-Präparate teils verschreibungspflichtig sind. Knoblauch ist als blutdrucksenkend bekannt, Ginkgo wird für eine bessere Durchblutung, Artischocke zur Cholesterinsenkung eingesetzt. Homöopathisch wird oft das Maiglöckchen angewandt. Alle Mittel sollten nur in Absprache mit dem behandelnden Therapeuten eingenommen werden.

FALLSTUDIE Herzrasen

Eine 57-jährige Frau kommt mit dem Problem „Herzrasen und Herzrhythmusstörungen“ in meine Praxis. Sie gibt an, Raucherin zu sein, eine Schilddrüsenunterfunktion (Hashimoto Thyreoiditis) sei bekannt. Es besteht moderater Bluthochdruck. Sie nimmt Thyroxin und Betablocker ein.

Anamnese

Ihre Herzproblematik beschreibt die Patientin als unregelmäßiges Auftreten von Herzrasen, Herzrhythmusstörungen und allgemeiner Unruhe. Außerdem bestehe eine Beeinträchtigung der Schlafqualität. Sie berichtet über zeitweise auftretende depressive Verstimmungen und Antriebsschwäche (dies sind häufige Begleiterscheinungen einer Schilddrüsenunterfunktion).

Therapie

Ich setze Akupunktur zum Ausgleich der Schilddrüsenunterfunktion und der Herzrhythmusstörungen ein. Bei Schilddrüsenunterfunktion (auch Hashimoto-Thyreoiditis) ist das (Nieren-)Yin bzw. Nieren-Qi oft geschwächt. Als Folge der fehlenden Regulation durch Yin-Mangel ist ein überschießendes Yang möglich, hier als „Herz-Feuer“ zu beschreiben. Daher werden gezielt zur Stärkung des Nieren-Qi/-Yin die Punkte Ni3 und Dü20 sowie Lu5 und He7 genadelt. Zur Unterstützung des Lungen-Qi erfolgt eine Akupunktur von He7, zur Herzberuhigung wird Pe6 akupunktiert. Diese Behandlung wird einmal wöchentlich durchgeführt und mit Balance-Akupunktur (12-Nadel-Methode nach Dr. Tan) an den vier Extremitäten kombiniert, mit o.g. Extremitätenpunkten sowie wechselnden Punkten pro Sitzung, je nach Aktivität der Punkte.

Ausblick

Nach zwei Behandlungen zeigt sich eine Besserung des Allgemeinbefindens, nach vier Behandlungen eine Beruhigung der überschießenden Herztätigkeit und eine allgemeine Stabilisierung, nach sechs Akupunktursitzungen beenden wir die Behandlungsserie.

Fazit

Es ist klar und einsichtig, dass für die Herzgesundheit eine Primärprävention besonders durch ausreichend Bewegung entscheidend ist. Neben allgemein gesundheitsfördernden Effekten kann mit Bewegung besonders auch der Entwicklung von Übergewicht und Diabetes vorgebeugt werden. Eine ausgewogene Ernährung ist das zweite Standbein für ein gesundes Herz. In der Sekundärprävention sind beide Maßnahmen mit angepassten Zielen genauso sinnvoll. Es gibt Leitlinien zur Prävention und Therapie von Herzerkrankungen, an denen man sich als Therapeut und Patient orientieren kann. Insbesondere die Methoden der TCM, aber auch die Phytotherapie bieten ideale Möglichkeiten, um Patienten zusätzlich zur Schulmedizin zu unterstützen.

Literatur

  • Löllgen H, Bachl N: Kardiovaskuläre Prävention und regelmäßige körperliche Aktivität. Herz; 2016; 41:664-670
  • Hansen A, Sundberg C, Kuhn W: Das Gesundheitsrezept. Goldmann Verlag, 2017

Dr. rer. nat. Martin Hoßfeld
Heilpraktiker und Dipl.-Biologe in eigener Praxis bei Aachen mit Schwerpunkten Manuelle Therapiemethoden, TCM, Phyto- und Aromatherapie, Dozent an den Paracelsus Schulen
mail@praxis-martin-hossfeld.de

Fotos: © Pixel-Shot / adobe.stock.com, © Bangkok Click Studio / adobe.stock.com

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