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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 3/2022

Glosse: Mein armes Herz …

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Immer, wenn mein Herz nach dir ruft und es brennt in den Straßen in mir drin Befehle ich meiner Armee, alles zu tun, um es wieder zum Schweigen zu bring‘n Bis es geknebelt, gebrochen ist und weggesperrt
Und mir endlich gehorcht, mein armes Herz.
(aus: „Meine Soldaten“ von Maxim, Popsänger)

Ja, es muss für vieles herhalten, unser armes Herz. Leistungsmäßig, biografisch, sprachlich steht es im Mittelpunkt einer ganzen Popkultur wie auch spiritueller Abhandlungen. Das Ganze biologisch zu betrachten, ist dagegen einfach: Wir haben mit dem Herz einen Hohlmuskel vor uns, der die Aufgabe hat, das Blut in Bewegung zu halten. Daneben reagiert es höchst sensibel auf unterschiedlichste Einflüsse, weil es über das vegetative Nervensystem mit unserem Gehirn verbunden ist. Und das weiß nun einmal, was es bedeutet, wenn sich eine Steuerprüfung vom Finanzamt ankündigt. Dann schlägt es aber, das arme Herz! Der kleine Sohn denkt noch an Autos.

Die Einflüsse sind vielfältig, und an fast allen emotionalen Regungen ist das Herz beteiligt: Es wird schwer vor Kummer, hüpft vor Freude, bleibt vor Schreck fast stehen, blüht auf im Verliebtsein; es wird eng vor Angst, spürt die grabesschwere Nacht der Einsamkeit, geht uns ein durch den Tod eines geliebten Menschen. Der Infarkt schließlich ist der finale Fangschuss.

Die emotionalen Ereignisse unserer Biografie können zwar mit modernen klinischen Untersuchungsmethoden abgebildet werden, sie geben den Kern der Sache aber nicht angemessen wieder. Dafür haben wir die Sprache der Poesie: „Wenn es an mein Haus pochte, war es mein eigenes Herz“, schreibt Else Lasker-Schüler in ihrem Gedicht „Abschied“. Wer das vergebliche Warten auf einen geliebten Menschen kennt, ahnt, was sie meint.

Vom hochheiligen Kirchenlied bis hin zum schmalbrüstigen Popsong findet das Herz metaphorische Verwendung. Was aber ist da dran, und was bedeutet das für unser Thema?

Diese Vielfalt bildet menschliche Erfahrungen ab, denen die Sprache mehr oder weniger leichtfüßig folgt. Nur dass wir nach unterschiedlich langer Lebenszeit feststellen, dass es zwar „geknebelt, gebrochen und weggesperrt“ sein kann, mir aber trotzdem nicht „gehorcht, mein armes Herz“. Das ist Selbstverteidigung, und zeigt uns, wie anspruchsvoll es ist, mit den Begegnungen des Lebens umzugehen. Jeder versucht, seine Regeln aufzustellen, und wird am Ende doch mit seinem metaphorischen Herzen konfrontiert, das nach anderen, eigenen Regeln spielt.

„Du musst die Sprache deines Herzens verstehen“, so wird gesagt. Nur dass es eben nicht Deutsch zu uns spricht, sondern in der viel unverständlicheren Sprache des Unterbewusstseins: in Bildern, in Erinnerungen und Hoffnungen, in der unklaren Sprache der Gefühle. Wer soll uns diese übersetzen, und was sollen wir angesichts seiner Botschaften tun?! „Das sagt dir schon dein Herz“, so sagen sie. „Ich verstehe es nur nicht!“, ruft der Verstand. Also müssen wir Stille einkehren lassen. Und das, ohne dabei gleichzeitig das Handy zu bedienen.

Hier bei uns wurde gerade das Küchenfenster geputzt, wegen des Abdrucks von Katzennasen; sie schaut so gerne raus und stupst dann gegen das Glas. Nun ist es wieder sauber. Aber manchmal sind Katzennasen an Küchenfenstern wichtiger als saubere Scheiben.

Das Herz gibt keine andere Antwort als die zu der Melodie: „Halte ein, halte einmal still und zappel nicht rum“. Manchmal dauert es eben, bis wir in den seltenen, schönen Aha-Momenten plötzlich verstehen, was es uns sagen will. Dass das so nicht weiter geht, dass etwas anderes sein muss, dass wir zu lange weggehört haben. Ja, und nun? Wir können doch nicht unser bisheriges Leben einfach wegwerfen! Nein. Sollen wir ja auch gar nicht. Das würde unser Herz gar nicht mitmachen.

Haben Sie schon einmal gesehen, wenn am Bahnhof eine Weiche umgestellt wird? Am Anfang ist das eine kleine Bewegung, 10 Zentimeter vielleicht, am Ende ist es der Unterschied zwischen Barcelona und Prag. Die Veränderung beginnt gleich, das Ziel ist so verschieden, wie es nur sein kann. Der Eine erkennt, dass er seine Berufung verfehlt hat und noch einmal neu beginnen muss. Der Andere kann sich damit zufriedengeben, ein paar Kleinigkeiten neu zu ordnen, ein Telefongespräch weit entfernt, sodass ihm sein Herz nicht so oft dazwischenfunkt und er mit sich in Übereinstimmung leben kann. Was heißt das? Dass er sich von sich selbst mit seinen Stärken und Schwächen, seinen Vorlieben und Aversionen angenommen fühlt und zu einem erfüllten Leben findet. Dass er ab und zu, kurz vor dem Einschlafen, Revision halten und sagen kann: Es ist gut so.

Was also können Sie heute noch tun, um den Zug Ihres Lebens am Ende doch noch in die richtige Richtung zu lenken?

Irgendeine Kleinigkeit:

  1. Eine Tanzstange an der Wand anbringen.
  2. Einen großen Spiegel aufstellen.
  3. Einen Schwingboden verlegen lassen? Vom örtlichen Baumarkt? Wie weit ist der entfernt?

Ich habe nicht gesagt, dass es leicht ist. Aber das gilt ja für das gesamte Leben. Auch der Mönch in seinem Kloster in Tibet kennt diese inneren Kämpfe, ich habe ihn gefragt. Denken Sie immer daran: Kleine Schritte machen, die Trippelschritte des Herzens, dann wird das schon.

Thomas Schnura
Psychologe M.A., Heilpraktiker und Dozent

Thschnura@aol.com

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