aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 5/1997
Homocysteinabbau und Arteriosklerose-Prophylaxe
Folsäure, Vitamin B6 und B12
Dr. Daniela Birkelbach
Folsäuremangel gilt in Europa und den USA als der häufigste Vitaminmangel. Folsäure gehört zu den empfindlichsten Vitaminen; aufgrund der herkömmlichen Lagerung der Lebensmittel und der Nahrungszubereitung treten Folsäure-Verluste von bis zu 90 % auf.
In seiner biologisch wirksamen Form, der Tetrahydrofolsäure (THF) ist dieses Vitamin – gemeinsam mit den Vitaminen B6 und B12 – für den reibungslosen Ablauf zahlreicher wichtiger Stoffwechselprozesse im Organismus, und insbesondere für den Transfer von sogenannten Ein-Kohlenstoff-Einheiten, vor allem Methylgruppen, verantwortlich. Bei einem Mangel dieser Vitamine häuft sich im Körper das toxische Intermediärprodukt Homocystein, welches nach neuesten Untersuchungen als eigenständiger und ernstzunehmender Risikofaktor in der Pathogenese der Arteriosklerose gilt. Ein erheblicher Anteil aller koronaren Herzerkrankungen, Herzinfarkte, Schlaganfälle und Embolien wird mittlerweile auf eine Hyperhomocysteinämie zurückgeführt.
Es gibt jedoch eine einfache biologische Prophylaxe der Hyperhomocysteinämie: Die Therapie mit einer Kombination der Vitamine Folsäure, Vitamin B6 und Vitamin B12 führt zuverlässig zu einer relevanten Reduktion des Homocysteinspiegels im Plasma und damit zu einer Normalisierung des Homocysteinmetabolismus. Wird der Homocystein Serumspiegel um nur 5 pg/I gesenkt, so lassen sich nach neuesten Schätzungen aus den USA im Bereich der Herz-Kreislauferkrankungen 35.000 Todesfälle bei Männern und 21.000 bei Frauen vermeiden.
Homocystein – lediglich ein Intermediär-Metabolit
Homocystein ist eine im menschlichen Körper vorkommende Aminosäure, ein Intermediärprodukt an einer der zentralen Stellen im Stoffwechsel.
Normalerweise wird anfallendes Homocystein direkt in Methionin umgewandelt oder über Cystathionin zu Cystein abgebaut, so daß die Homocysteinkonzentration im Serum niedrig bleibt.
Die schwefelhaltige Aminosäure Methionin geht entweder direkt in die körpereigene Proteinsynthese ein oder wirkt als Methylgruppendonator, und wird so wieder in Homocystein umgewandelt, welches dann nach nochmaliger Abgabe einer Methylgruppe in die Aminosäure Cystein und deren Oxidationsprodukt Cystin, die ebenfalls für die Proteinsynthese notwendig sind, umgewandelt wird. An diesen Umwandlungsprozessen sind die drei Vitamine Folsäure, B6 und B12 als Kofaktoren, bzw. Koenzyme beteiligt.
Die Normwerte fur Homocystein liegen bei etwa 10 pg/I. Dieser Normbereich wird durch die physiologische Umwandlung in die genannten Aminosäuren konstant gehalten.
Kann das Homocystein aufgrund von Vitamin B-Defiziten jedoch nicht ausreichend umgewandelt werden, reichert es sich an und wirkt bereits ab Spiegeln von etwa 15pg/I zelltoxisch im Sinne einer Förderung der Arteriosklerose. Homocystein fördert dabei die Oxidation von Lipoproteinen, insbesondere der LDL-Fraktion, woraus letztendlich die arteriosklerotischen Plaques entstehen.
Wie hoch ist der Bedarf an den Vitaminen Folsäure, B6 und B12?
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt Erwachsenen eine tägliche Zufuhr von 150 pg Folsäure, 1,8 mg Vitamin B6 und 3 pg Vitamin B12. Nach den Ergebnissen der Nationalen Verzehrstudie von 1991 muß die Versorgung der Bevölkerung gerade mit den drei B-Vitaminen jedoch als äußerst kritisch bewertet werden. 99% aller Frauen und immerhin 97% aller Männer erreichen nicht die von der DGE empfohlene tägliche Folsäuredosis. Auch die Versorgung mit den Vitaminen B6 und B12 ist nicht optimal, hier werden suboptimale Werte bei etwa 60% der Bevölkerung beobachtet.
Im Rahmen dieser Zusammenhänge muß zusätzlich berücksichtigt werden, daß eine Vitaminaufnahme zur Vermeidung von Mangelsymptomen, wie es die Empfehlungen der DGE wiederspiegeln, deutlich getrennt werden sollte von der eigenen präventivmedizinischen Bedeutung der Vitamine, die über die bisher bekannten Vitaminwirkungen hinausgeht. Speziell für die Folsäure bedeutet dies, daß deren Koenzym-Funktion im Homocysteinmetabolismus deutlich von den biochemischen und morphologischen Veränderungen, die sich bei der Entwicklung eines Folsäuremangels manifestieren, abgegrenzt werden muß.
Wissenschaftlich bewiesen:
Erhöhte Homocycysteinspiegel nicht nur bei Arteriosklerose
Die gesunde Niere scheidet einen Teil des Homocysteins aus; bei Niereninsuffizienz ist das Ausscheidungsvermögen für Aminosäuren generell, und damit auch für Homocystein bereits in frühen Stadien erheblich vermindert, so daß die Konzentration des Homocysteins auf das 2- bis 4-fache des Normalwertes ansteigt. Erhöhte Homocysteinspiegel spielen auch bei folgenden Erkrankungen eine wichtige Rolle:
1. Schlaganfall
60 bis 90% aller Schlaganfälle sind auf eine Ischämie zurückzuführen und damit Endpunkt einer chronisch fortschreitenden Arteriosklerose der Hirnarterien.
Hohe Serumwerte des Homocysteins gelten mittlerweile als wichtiger Riskofaktor eines Schlaganfalls. Zu diesem Ergebnis kamen britische Wissenschaftler, in dem sie auf Serumproben von 5661 Männern im Alter zwischen 40 und 60 Jahren zurückgriffen, die für eine andere Studie in den achtziger Jahren benötigt wurden. Von den 5661 Männern erlitten 141 einen Schlaganfall. Es zeigte sich, daß deren Homocysteinspiegel weit höher lagen als die der ihnen zugeordneten gesunden Kontrollpersonen.
In einer schwedischen Untersuchung nahezu aller Schlaganfallpatienten einer Region hatten 40% dieser Patienten deutlich erhöhte Homocysteinwerte, unabhängig von der Art des Schlaganfalls, wobei ältere Personen noch höhere Werte als jüngere aufwiesen. Berechnungen ergaben für Personen mit einer Hyperhomocysteinämie ein vierzigfaches erhöhtes Apoplexie-Risiko, während z.B. Nikotinkonsum lediglich ein etwa 4-faches Risiko darstellt.
2. Herzinfarkt
Nach wie vor stellt der Herzinfarkt die Todesursache Nr. 1 in der westlichen Welt dar. Allein in den USA ereignen sich jedes Jahr 1,5 Millionen Herzinfarkte, 500.000 davon mit tödlichem Ausgang. In Europa sind die Zahlen im Verhältnis zur Bevölkerung zum Teil noch wesentlich höher.
Im Rahmen der “Physicians Health Study”, einer großangelegten amerikanischen mehrarmigen Untersuchung über die Wirkung des Homocysteins, nahmen etwa 15.000 männliche Ärzte und Apotheker teil. Von diesen 15.000 Personen erlitten 271 Männer einen Herzinfarkt. Daraufhin wurden die Homocystein-Blutspiegel dieser Patienten bestimmt und mit den Homocysteinwerten gleichaltriger gesunder Kontrollpersonen verglichen. Die Homocysteinspiegel der Herzinfarkt-Patienten waren durchgängig und signifikant höher als die der Kontrollpersonen.
In einer schwedischen Studie hatte jeder vierte Herzinfarkt-Patient unter 55 Jahren und mit einem niedrigen konventionellen Risikoprofil erhöhte Homocysteinwerte, in einer südafrikanischen Untersuchung war dies bei nahezu jedem zweiten Angina-pectoris-Patienten der Fall. Und: je schwerer die Arteriosklerose der Herzkranzgefäße,desto höher waren im Mittel die Homocysteinwerte.
3. Periphere Arterielle Verschlußkrankheit
Auch bei der Pathogenese der arteriellen Verschlußkrankheit (pAVK) spielt die Hyperhomocysteinämie eine entscheidende Rolle: In verschiedenen Studien fanden sich bei 30 bis 50% aller pAVK-Patienten stark erhöhte Homocysteinspiegel im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen.
4. Altersdemenz
Bei dem Krankheitsbild der Altersdemenz konnten verschiedene Untersuchungen ebenfalls eindeutig erhöhte Homocysteinspiegel im Vergleich zu gesunden Kontrollprobanden belegen.
Insbesondere ältere Menschen leiden unter Defiziten der Vitamine Folsäure, B6 und B12 und den daraus resultierenden erhöhten Homocysteinspiegeln. Je nach Untersuchung sind bis zu 60% der Personen von erniedrigten oder pathologisch niedrigen Plasmakonzentrationen der drei am Homocysteinabbau beteiligten B-Vitamine betroffen. Amerikanische Wissenschaftler untersuchten bei älteren und hochbetagten Menschen Framinghams (548 Männer und Frauen, 67 bis 96 Jahre) neben anderen Parametern auch die Homocysteinspiegel. Es zeigte sich eine deutliche Korrelation zwischen der Höhe des Plasma-Homocysteinspiegels und der Gesamtmortalität: Je höher die Plasmaspiegel der Personen, desto höher fiel auch die Mortalitätsrate aus.
Therapie und Prävention der Hyperhomocysteinämie
Neben der Beachtung einer möglichst Folsäure-, Vitamin B6- und B12 reichen Ernährung sollten insbesondere Risikopersonen auf ein geeignetes Präparat zurückgreifen (z.B. das Nahrungsergänzungsmittel “Folbene”,1 Kapsel enthält 5,4 mg Vitamin B6, 450pg Folsäure und 9pg Vitamin B12, Wörwag Pharma, Böblingen). PR
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