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aus dem Paracelsus Magazin: Ausgabe 6/2019

Faltenunterspritzung mit Hyaluronsäure im rechtlichen Kontext

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Grundsätzlich gilt: Faltenunterspritzung mit Hyaluron ist ein Teilgebiet der Ästhetischen Medizin und unterliegt der Ausübung der Heilkunde nach § 1 Absatz 1 und 2 des Heilpraktikergesetzes (HeilprG).

Wer die Heilkunde, ohne als Arzt bestallt zu sein, ausüben will, bedarf dazu der Erlaubnis.

Ausübung der Heilkunde im Sinne dieses Gesetzes ist jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen, auch wenn sie im Dienste von anderen ausgeübt wird. Das hat die aktuelle Rechtsprechung wiederholt klargestellt (OVG NRW, Beschluss vom 28. April 2006, Az.: 13 A 2495/03; OLG Karlsruhe, Urteil vom 17. Februar 2012, Az.: 4 U 197/11).

Wesentliches Kriterium für die Abgrenzung medizinischer Behandlungsformen von kosmetischen Anwendungen ist die „Erforderlichkeit medizinischer Fachkenntnisse aufgrund mit der Tätigkeit verbundener Risiken“ (Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 25. Juni 2007, Az.: 3 B 82.06).

Das heißt: Wenn Kosmetiker (immer m/w) Falten mit Hyaluron unterspritzen, verstoßen sie gegen gängiges Recht und begehen zudem eine Körperverletzung (nach § 223 StGB).

Neben Heilpraktikern dürfen auch Ärzte Faltenunterspritzungen mit Hyaluron vornehmen. Ein Arztvorbehalt in dem Sinne besteht jedoch nicht. Hyaluron (Ausnahme: intraartikulär) unterliegt nicht der Verschreibungspflicht. Und da die heutigen Hyaluronsäure-Filler als Gold-Standard der Faltenkorrektur und als besonders sicher gelten, ist aus unserer Sicht die Forderung diverser Ärztegesellschaften, Hyaluron unter die Verschreibungspflicht zu stellen, nicht zu halten – zumal in Heilpraktiker-Praxen dieselben Sicherheitsstandards gelten wie in Arzt-Praxen.

Achtung Auch Zahnärzte dürfen nicht ohne Weiteres Faltenunterspritzungen vornehmen. Da sich deren Approbation auf die Feststellung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten beschränkt, dürfen die Injektionen nicht über den „Lippenrotbereich“ hinausgehen. Das heißt, möchten Zahnärzte Falten im Gesichts- und Halsbereich behandeln, benötigen sie zusätzlich eine Heilpraktiker-Erlaubnis oder eine ärztliche Approbation für den Humanbereich (OVG NRW, Urteil vom 18. April 2013, Az.: 13 A 1210/11; VG Münster, Urteil vom 19. April 2011, Az.: 7 K 338/09).

Wo liegt das Problem?

Während ästhetisch arbeitende Heilpraktiker und Ärzte hohe Standards in ihren Praxen setzen, bringen „illegale Spritzer“ die Methode und den Berufsstand des Heilpraktikers in Misskredit. Eine Situation, die das „Netzwerk Heilpraktiker für ästhetische Medizin“ (NHAeM) nicht länger hinnehmen will. Zum Thema haben wir Yvonne Mayer-Hackmann, Heilpraktikerin und Pressesprecherin des Netzwerkes, befragt.

Liebe Frau Meyer-Hackmann, diverse Ärztegesellschaften fordern, Heilpraktikern die Unterspritzung mit Hyaluronsäure zu untersagen. Wie wird von deren Seite aus argumentiert?

Anlass scheint das Überhandnehmen illegaler Aktivitäten zu sein. Jüngst begann der Prozess gegen zwei junge Frauen aus Bochum, die über Instagram für Unterspritzungen warben und zum Teil über 100000 Follower hatten, obwohl sie zur Durchführung invasiver Eingriffe über keinerlei Legitimation verfügten. Hyaluron-Unterspritzungen können ein Gefahrenpotenzial bergen, wenn die Behandler die anatomischen Strukturen oder produktspezifischen Besonderheiten nicht kennen. Insofern sprechen wir uns für die Durchsetzung des bestehenden Rechts und ggf. für eine Regulierung der Hyaluron-Filler aus. Allerdings sollte diese eine Regelung für die spezialisierten Heilpraktiker beinhalten.

Hat die Argumentation Hand und Fuß? Gibt es Belege?

Man hört von Ärzten immer wieder, die durch Heilpraktiker verursachten Komplikationen würden sich häufen. Da die Versicherer eine Risikobewertung vornehmen und sich unsere Haftpflicht-Versicherungsbeiträge in einem sehr überschaubaren Rahmen bewegen, er scheint mir das unwahrscheinlich. Wir reden natürlich nicht von blauen Flecken oder Schwellungen, die nach einer Behandlung durchaus vorkommen können, auch wenn lege artis gearbeitet wurde. Ein solcher Fall würde zudem mit höchster Wahrscheinlichkeit über lange Zeit in den Medien präsent sein.

Warum haben Sie sich mit einem offenen Brief an den Gesundheitsminister Jens Spahn gewendet?

Die auf ästhetische Medizin spezialisierten Heilpraktiker erwerben ihr Fachwissen in denselben Fortbildungen wie die Ärzte. Injektionstechniken sind fester Bestandteil unserer Prüfungsordnung. Produktspezifische Inhalte werden jedoch weder in das Medizinstudium noch in die Heilpraktiker-Ausbildung integriert.

Kürzlich wurden auf politischer Ebene wieder einmal die Grenzen zwischen illegalen Spritzern und Heilpraktikern verwischt. Das können wir so nicht stehen lassen! Die meisten unserer Heilpraktiker-Kollegen sind hochspezialisiert. Sie nehmen an international anerkannten Kongressen teil und investieren in hochwertige Fortbildungen, genau wie Schulmediziner. Natürlich macht uns das nicht zu Ärzten. Das möchten wir auch gar nicht, wir arbeiten ganzheitlich. Wir weichen unseren Status als Heilpraktiker nicht in Richtung der Ärzte auf, genauso wenig soll unser Wissen und Können in Richtung Illegalität verschoben werden. Deswegen haben wir u.a. Herrn Spahn eine Stellungnahme geschickt.

Wir distanzieren uns strikt von all jenen, die illegal Falten unterspritzen, und fordern ein Einschreiten seitens des Gesetzgebers. Der von uns 2018 ins Leben gerufene Verband NHAeM hat sich aktiv und bereits mit Erfolg für das Verbot bestimmter Praktiken eingesetzt.

Allerdings sind minimal-invasiv ästhetische Verfahren ein Wachstumsmarkt. Der Wunsch nach Attraktivität und jugendlichem Aussehen ist so alt wie die Menschheit. In den letzten 20 Jahren hat jedoch eine gewisse Enttabuisierung stattgefunden, weswegen die Nachfrage an diesen Behandlungen steigt. Frauen und Männer aller sozialer Schichten lassen heute „Auffrischungsmaßnahmen“ durchführen. Häufig wird dafür der Heilpraktiker zu Rate gezogen, da unser Berufsstand für „sanfte“ und „gut verträgliche“ Behandlungen steht. Man geht davon aus, dass wir keine Materialien injizieren, die den Körper schädigen. Diesem Ruf wollen wir auch in unserem Sonderbereich der Medizin gerecht werden.

Welche gesetzlichen Vorschriften müssen Heilpraktiker bei der Anwendung von Hyaluron beachten?

Da Heilpraktiker invasiv arbeiten dürfen, sind Injektionen erlaubt. Allerdings unterliegen sie der Sorgfaltspflicht, d.h. dass wir nichts anwenden dürfen, was wir nicht lege artis erlernt haben. Außerdem sind das Heilpraktikergesetz und weitere Gesetze, z.B. das AMG, zu beachten.

Für die Unterspritzungen mit Dermalfillern gilt wie für alle anderen Behandlungsmethoden auch:

  • Ausbildung in der Anwendung der Produkte sowie im Erkennen und Behandeln der möglichen Nebenwirkungen und Komplikationen
  • Aufklärung der Patienten über Alternativen, mögliche Nebenwirkungen und Komplikationen etc.
  • Dokumentation
  • Einhaltung allgemeiner Standards bzgl. Hygiene
  • Beachtung des Heilmittelwerbegesetzes

Zudem:

  • Rein ästhetische Behandlungen unterliegen der Umsatzsteuerpflicht, da sie keinen kurativen Charakter haben
  • Hyaluronfiller sind Medizinprodukte der Klasse III, d.h. nur solche dürfen angewendet werden

Werden Heilpraktiker diesen Regelungen in der Praxis gerecht?

Ich kann natürlich nicht für jeden einzelnen sprechen. Die Gründung des NHAeM hatte u.a. zum Ziel, all das, was die Kollegen sowieso schon durchführen, also Fortbildung, Hygiene etc., in einem Gesamtbild nach außen zu tragen. Wir sind gerade dabei, ein Siegel zu entwerfen, das für den Nachweis anerkannter Fortbildungen vergeben werden soll, sodass auf den ersten Blick ersichtlich ist, wie der Kollege arbeitet. Wir empfehlen Interessenten, nur Heilpraktiker aufzusuchen, die sich an entsprechende Standards halten. Dem sollten die Mitglieder des NHAeM gerecht werden.

Welche Risiken gehen von einer Hyaluron-Behandlung aus?

Zum Thema „safety dermal Filler“ werden zumeist Schwellungen, Hämatome und Missempfindungen als Komplikationen aufgeführt. In sehr seltenen Fällen kann es zu einer Granulombildung kommen. Bei jeder Injektion besteht zudem ein allgemeines Infektionsrisiko, d.h. man muss hygienisch einwandfrei arbeiten. Das Allergierisiko hat sich heute aufgrund neuer Herstellungsprozesse auf ein Minimum reduziert. Schließlich kann es zu einer Embolisation kommen, wenn ein Filler versehentlich in ein Gefäß injiziert wird. Deshalb empfehlen wir die Verwendung stumpfer, recht dicker Kanülen, wodurch das Risiko stark minimiert wird. Risikozonen, z.B. die Zornesfalte, unterspritzen wir gar nicht mehr mit Hyaluron. In diesem Fall sollte man mit Botulinum-Toxin arbeiten; wir raten in solchen Fällen dazu, einen Arzt mit entsprechender Expertise aufzusuchen.

Sind Heilpraktiker sicher in der Lage, diese Risiken zu beherrschen?

Heilpraktiker lernen, wie Ärzte auch, in speziellen Fortbildungen mit diesen Komplikationen umzugehen. Das wichtigste ist natürlich, sie zu vermeiden. Falls wirklich einmal eine unerwünschte Nebenwirkung auftreten sollte, muss diese erkannt und korrekt behandelt werden. Je nach Komplikation können wir dies selbst tun oder müssen an einen Facharzt verweisen. Im Übrigen gilt dies auch für jeden Arzt.

Welche Aus- und Fortbildungen empfehlen Sie Heilpraktikern, um sicher mit Hyaluron zu arbeiten?

Fortbildungen zur Injektionstechnik in Theorie und Praxis, zum Nebenwirkungs- und Notfallmanagement sowie Anatomiekurse.

Was erwarten Sie vom Gesundheitsminister Jens Spahn? Welche Schritte sind Ihrer Meinung nach jetzt zu gehen?

Herr Spahn sollte sich mit Vertretern unseres Verbandes für einen sachlichen Austausch an einen Tisch setzen. Vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch.

Sonja Kohn
Heilpraktikerin, Leiterin Bereich Presse und Medien
des Verbandes Unabhängiger Heilpraktiker e.V. (VUH)
pressestelle@heilpraktikerverband.de

Yvonne Mayer-Hackmann
Heilpraktikerin und Pressesprecherin
des „Netzwerk Heilpraktiker für ästhetische Medizin“ (NHAeM)

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